Sauerlach:Fußballer müssen in die Verlängerung

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Der Sauerlacher Gemeinderat mag sich nicht festlegen, ob im Jahr 2017 endlich ein Kunstrasenplatz für den örtlichen TSV gebaut werden soll. (Foto: Imago)

Schon lange wünscht sich der TSV Sauerlach einen Kunstrasenplatz. Dem Gemeinderat sind Ausgaben in Höhe von 750 000 Euro zu viel. Dass den Sportlern geholfen werden muss, zweifelt niemand im Gremium an. Nur an den Modalitäten scheiden sich die Geister.

Von Michael Morosow, Sauerlach

Da steht er also wieder im Sitzungssaal der Sauerlacher Rathauses, vor ihm Bürgermeisterin Barbara Bogner (UBV) und der versammelte Gemeinderat, hinter ihm, quasi zur moralischen Rückenstärkung, eine Abordnung seines Vereins in Mannschaftsstärke, unschwer zu erkennen an den blauen Trainingsjacken mit der Aufschrift "TSV Sauerlach". Hans Gruber, der Klubvorsitzende, spricht nicht zum ersten Mal in dieser Sache vor, kennt also die Abläufe bereits gut. Zuerst schildert er eindringlich die beengten Verhältnisse, mit denen mindestens 700 der knapp 1300 Mitglieder des Großvereins seit Jahren leben müssen. Dann bittet er in deren Namen inständig, endlich den dringend notwendigen Kunstrasenplatz anzulegen.

Danach erfährt er, dass die Gemeinde die Nöte des TSV Sauerlach sehr wohl kenne, aber angesichts des auf Kante genähten Haushaltes zumindest nicht unverzüglich Abhilfe leisten könne, zumal andere Investitionen wie für Schule oder sozialen Wohnungsbau Vorrang hätten. Und dann zieht die TSV-Abordnung wieder artig von dannen, nicht wissend, ob, wann und wohin genau der Kunstrasenplatz gebaut werden wird. Das war bisher stets so. Dem Ziel am nächsten wähnte sich der Klub 2015; damals scheiterte er mit seinem Ansinnen denkbar knapp durch ein Patt von neun zu neun Stimmen.

Doch dieses Mal war alles ein wenig anders. Als Gruber und die Seinen den Heimweg antraten, taten sie dies im Bewusstsein, möglicherweise ihrem Ziel einen kleinen Schritt näher gekommen zu sein. "Möglicherweise" deshalb, weil der neuerliche, mit 13 zu sieben Stimmen gefasste Beschluss keine Umsetzung garantiert. Wäre der ursprünglich von der Verwaltung formulierten Beschlussvorschlag positiv beschieden worden, wären die TSV-Mitglieder selig gewesen. Dieser sah einen Beschluss der Gemeinde vor, einen Kunstrasenplatz mit den Abmessungen 60 mal 90 Meter anzulegen und die erforderliche Summe von 750 000 Euro im Haushalt 2017 bereitzustellen.

Die TSV-Abordnung nahm den Beschluss äußerlich gefasst zur Kenntnis

Dieses klare Bekenntnis zum Sportplatzbau noch im Jahr 2017 schien einer Reihe von Gemeinderäten dann doch zu deutlich. "Dieser Beschluss sagt ganz klar, dass wir bauen", gab Josef Bacher-Maurer (CSU) zu bedenken, und seine Sorge darüber teilten weitere im Gremium. Doch in langer, kontrovers geführter Debatte, an der sich nahezu jedes Ratsmitglied beteiligte, wurde dieser Beschlussvorschlag so lange geschüttelt und ihm an zwei entscheidenden Stellen ein "hätt i, dad i, war i" eingeflochten, dass am Ende nur ein bisschen mehr als eine weitere Absichtserklärung des Gemeinderats auf dem Papier stand. Zwei Worte sind es, die den Unterschied ausmachen: "vorsorglich" und "planen". Die Gemeinde beschließt also nicht ohne Wenn und Aber, den Kunstrasenplatz anzulegen, sondern plant dies nur. Und 750 000 Euro werden nicht in sicherer Erwartung des ersten Spatenstichs, sondern lediglich vorsorglich in den Haushalt 2017 gestellt. Das heißt, nur wenn sich die Gemeinde heuer dazu in der Lage sieht, wird sie das Projekt Kunstrasenplatz anpacken.

Die TSV-Abordnung nahm den vagen Beschluss äußerlich gefasst und ohne zu Murren zur Kenntnis. Im Gegenteil, in der nächsten Vereinszeitung, so berichtet Gruber, werde kein negatives Wort darüber erscheinen, sondern das Einstellen von 750 000 Euro in den Haushalt positiv herausgestellt. Aber wenn nun bald in den Haushaltsdebatten die Frage erörtert werde, ob das Geld reicht für einen Kunstrasenplatz, dann werde der TSV wieder in Mannschaftsstärke auf den Besucherstühlen sitzen. "Ich schimpfe viel, aber nie in der Öffentlichkeit", sagt Gruber. Dazu passt, dass er im Sommer 2015 eine Liste mit 700 Unterschriften an die Bürgermeisterin überreicht hatte - ohne großes öffentliches Brimborium. Aber auch ohne Erfolg.

"Bauherr muss der Verein sein, nicht die Gemeinde."

Von Aufgeben kann dennoch nicht die Rede sein. "Wer Gipfel erklimmen will, muss Täler durchschreiten", laute seine Devise. Und das würde der TSV am liebsten mit Siebenmeilenstiefel tun, und Gruber glaubt, die Route zu kennen, die zum Ziel führt: "Bauherr muss der Verein sein, nicht die Gemeinde." Dieser Vorschlag ist nicht neu, aber nach wie vor von zentraler Bedeutung für das weitere Vorgehen - und der eigentliche Knackpunkt in allen Diskussionen um den Kunstrasenplatz.

Ist der TSV Bauherr, fällt keine Mehrwertsteuer an, fallen Ausschreibungskosten weg und können Zuschüsse und zinslose Darlehen abgegriffen werden. Beziehe man dann noch die Eigenleistungen des Klubs in die Rechnung mit ein, "dann fällt mehr als ein Viertel der Kosten weg", gibt sich Gruber überzeugt. Voraussetzung für Zuschuss und zinsloses Darlehen ist allerdings, dass die Gemeinde das Grundstück für 25 Jahre an den Verein verpachtet. Vor allem Paul Fröhlich (CSU) drängt darauf, "den Weg über die Förderung" zu gehen. Dann wäre der Verein Bauherr und die Gemeinde Geldgeber - wie auch immer diese Beziehung geregelt würde. Bis dahin wird wohl noch mehrere Male dieses Thema auf der Tagesordnung und Hans Gruber vor der Bürgermeisterin stehen.

Dass dem TSV geholfen werden muss, zweifelt niemand an. Wie hin- und hergerissen manche aber sind, zeigen die Wortmeldungen von Peter Frimmer (UBV) und Robert Lechner (CSU). Vor zwei Jahren, als der Antrag des TSV durch ein Stimmenpatt zum ersten Mal durchgefallen ist, habe er für den Platzbau gestimmt. "Heute bin ich dagegen", sagte Frimmer und begründete seinen Meinungswechsel mit den anstehenden hohen Investitionen in Schule, Heimatmuseum und sozialem Wohnungsbau. Anders argumentierte Lechner. Auch ihn hätten die Kosten für den Kunstrasenplatz anfangs erschlagen. Aber auch beim Bau des Horts hätten viele Kritiker moniert, 2,2 Millionen Euro für 65 Kinder seien zu viel, "und heute will den Hort keiner mehr missen". Von einem Kunstrasenplatz aber würden mindestens 700 Leute etwas haben, und er könne sich an kein Projekt erinnern, von dem so viele Leute profitieren.

© SZ vom 12.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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