Hofoldinger Forst:Die Beinahe-Katastrophe

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Freuen sich über den Umzug der Ausstellung von Aying nach Sauerlach (v. li.): Sauerlachs Bürgermeisterin Barbara Bogner, Ayings Gemeindechef Hans Eichler und die Initiatorin Franziska Ahlborn. (Foto: Claus Schunk)

Vor 50 Jahren nahm die Schutzgemeinschaft den Kampf gegen einen Großflughafen im Münchner Süden auf. Eine Ausstellung im Sauerlacher Rathaus dokumentiert das Drama, in dem die Bevölkerung am Ende gegen die Staatsregierung obsiegte.

Von Michael Morosow, Sauerlach

"Arget in großer Gefahr" schreit es von einem Plakat im Foyer des Sauerlacher Rathauses, "Vier Millionen Bäume suchen einen Retter" von einem anderen. Wer in nächster Zeit die Sauerlacher Verwaltung besucht, dem könnte angst und bange werden um seinen schönen Ort. Die Furcht vor dem Verlust der Heimat, des unbeschwerten Lebens, des gewohnten Rhythmus' und der Traditionen ist freilich Geschichte und muss niemanden mehr quälen wie damals, als die Pläne der Bayerischen Staatsregierung, den Münchner Großflughafen im Hofoldinger Forst zu errichten, wie ein Damoklesschwert über Häusern, Höfen und Feldern schwebte und circa 300 000 Menschen in Angst und Schrecken versetzte.

Die Sorge, dass sich der Moloch in ihre blühenden Landschaften fressen könnte und die Menschen aus der Vertrautheit ihrer Dörfer in eine lärmende, stinkende Anonymität entlassen könnte, schlich vor 50 Jahren durch alle Türritzen.

Bekanntlich ist das Schreckensszenario nicht eingetreten, weil die am 27. Mai 1966 im Ayinger Bräustüberl gegründete "Schutzgemeinschaft Hofoldinger Forst - Bayerisches Oberland e.V.", in der sich 18 Gemeinden zusammenfanden, die Staatsregierung in die Knie zwang.

Die Plakate also sind Teil einer Ausstellung. Wie im alten Sixthof in Aying wird im ersten Stock des Sauerlacher Rathauses die bewegte Geschichte des Widerstands gegen den Flughafen nacherzählt, die 1960 mit der erstmaligen Nennung des Hofoldinger Forstes als Ersatzstandort für Riem begann und am 5. August 1969 mit der Niederschlagung aller Hofolding-Pläne endete. Wie in Aying erwartet die Besucher in Sauerlach eine liebevoll und aufwendig gestaltete Ausstellung historischer Dokumente und Fotografien aus der Widerstandszeit und im Sitzungssaal des Rathauses eine BR-Filmdokumentation über den Aufstand gegen die Obrigkeit, der deutschlandweit Aufsehen erregte. Wie in Aying wird eine Diskussion mit Zeitzeugen die Rückschau abrunden. Am Freitag, 6. April, werden Helmut Berthold und Otto Löffler über ihre Erlebnisse während dieser aufgewühlten Zeit berichten.

Schutzgemeinschaft Hofolding gegen eine Flughafen im Hofoldinger Forst. Repro aus der Ausstellung. (Foto: Claus Schunk)

Die Ausstellung gibt auch der Fantasie reichlich Nahrung

Die von der Ayinger Gemeindearchivarin Franziska Ahlborn gestaltete Ausstellung lebt von Schriftstücken, Plänen und Zeitungsausschnitten, die den Kampf der Schutzgemeinschaft gegen den Großflughafen dokumentieren. Sie gibt aber auch der Fantasie reichlich Nahrung, erzählt quasi eine Katastrophe im Konjunktiv. Die gleiche Frage, die sich bereits die Besucher in Aying gestellt haben, ist im ersten Stock des Sauerlacher Rathauses allgegenwärtig: Was wäre aus dem Ort und seinen Bewohnern geworden, wenn der Großflughafen gebaut worden wäre? Eine nüchterne Antwort gibt eine Landkarte, auf der die Grundrisse eines 2300 Hektar großen Flughafens abgebildet sind. Ganze Ortschaften wären entweder unter dem Beton der Start- und Landebahnen verschwunden oder nicht mehr lebenswert gewesen mitten in der Einflugschneise.

Die Schutzgemeinschaft habe es geschafft, "dass wir weiterhin in dieser Idylle leben dürfen, sonst wären wir heute Besucherpark oder Hallbergmoos, würden alle im Flughafen arbeiten oder wären umgesiedelt worden", sagte Sauerlachs Bürgermeisterin Barbara Bogner in ihrer kurzen Eröffnungsrede. "Aber wir hätten heute einen Zehn-Minuten-Takt bei der S-Bahn", legte sie ironisch nach. Zur Ausstellungseröffnung kamen der Ayinger Bürgermeister Johann Eichler sowie Bogners Vorgänger im Bürgermeisteramt, Gerald Bretfeld (1987 bis 1996) und Walter Gigl (1996 bis 2008). Eichler und Bretfeld, so erfuhren die Gäste, wären ohne die Flughafendebatte niemals Bürgermeister geworden.

"Bua, ein Bauer wirst nicht mehr."

Als der Flughafen im Hofoldinger Forst beschlossene Sache schien und der elterliche Hof vor dem Ende gestanden habe, habe sein Vater zu ihm gesagt: "Bua, ein Bauer wirst nicht mehr", berichtete Eichler. Und Gerald Bretfeld hat nach eigenen Worten am 6. August 1969, also einen Tag nach der Entscheidung für einen Großflughafen im Erdinger Moos, in Sauerlach ein Baugrundstück gekauft. Sonst wäre er wohl in München geblieben. "Wir hätten eine ganz andere Welt hier", sagte Eichler und nannte zur Veranschaulichung zwei Zahlen vom Erdinger Moos-Flughafen: Jährlich 42 Millionen Fluggäste, stündlich 55 Flugbewegungen - "also Dauerbeschallung".

Das Jubiläum der Schutzgemeinschaft wäre beinahe übersehen worden, gestand Ahlborn. Rudolf Jäger habe die Gemeinde darauf aufmerksam gemacht und habe ihr in der Folge sehr geholfen, berichtete Ayings Archivarin. Die Ausstellung soll nach dem Wunsch der Bürgermeisterin Kreise ziehen. Sie werde umliegende Realschulen und Gymnasien dazu einladen. Die Ausstellung ist vier Wochen zu den Öffnungszeiten des Rathauses zu sehen.

© SZ vom 18.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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