Putzbrunn:Schleppende Aufarbeitung

Lesezeit: 1 min

Putzbrunn diskutiert den Umgang mit der NS-Vergangenheit

"Ein bisschen mehr Identität stiften" wollte Hanns Joachim Kyrein mit den Zusatzschildern, die die Herkunft von Putzbrunner Straßennamen erläutern. Tatsächlich aber stoßen Kyrein und seine Mitstreiter von der ehrenamtlichen Ortsleitbild-Projektgruppe unfreiwillig eine Debatte über den Umgang mit der NS-Vergangenheit an. Denn unter den Straßen, zu denen sie recherchiert haben, sind auch zwei mit belasteten Namensgebern: Eine ist nach dem von den Nazis eingesetzten Bürgermeister Michael Haslbeck benannt. Die andere heißt nach dem Raketeningenieur Wernher von Braun, der in die Ausbeutung von Zwangsarbeitern für die deutsche Aufrüstung im Zweiten Weltkrieg verstrickt war.

Eine kritische Würdigung auf den Zusatzschildern war allerdings nicht vorgesehen. Und die Tafeln, die Haslbeck als "Putzbrunner Bürgermeister 1935-1945" vorstellen, werden im Januar 2017 tatsächlich von der Gemeinde aufgehängt. Bürgermeister Edwin Klostermeier (SPD) sagt später, er habe die vom Arbeitskreis vorgelegte Liste "überflogen" und die beiden problematischen Namen wohl übersehen.

Seither können in Putzbrunn auch Ortsunkundige mit ein bisschen Geschichtswissen sehen, dass die Gemeinde Putzbrunn einen NS-Bürgermeister mit einer eigenen Straße im Zentrum ehrt. Zwar entbrennt die fast 20 Jahre zuvor bereits einmal geführte Debatte neu, ob man die Michael-Haslbeck-Straße umbenennen sollte. Aber die Mehrheit der Gemeinderäte und auch der Bürgermeister finden das nicht nötig und wollen ansässigen Firmen keine Adressänderung zumuten.

Auch ein kritischer Hinweis auf der Tafel wird mehrheitlich abgelehnt - unter anderem mit Hinweis auf die lebenden Angehörigen Haslbecks. Dafür beschließt der Gemeinderat im März, eine Forschungsarbeit zur Geschichte Putzbrunns während der NS-Zeit zu initiieren und dabei auch die Rolle Haslbecks zu beleuchten. Bisher ist über ihn vor allem bekannt, dass er eine Flaschenpost mit Lobeshymnen auf Adolf Hitler in der Kirche einmauern ließ. Mittlerweile ist klar, dass der Doktorand Dominik Aufleger diese wissenschaftliche Arbeit übernehmen wird. Der Historiker will bis Ende März seine Ergebnisse vorlegen, weil er sich laut Klostermeier danach um seine Doktorarbeit kümmern muss.

An der Wernher-von-Braun-Straße sind mittlerweile ausführliche Zusatz-Infoschilder aufgehängt worden. Der Gemeinderat beschließt ebenfalls im März, dass die unrühmliche Rolle Brauns in der NS-Zeit thematisiert werden soll. Der Wortlaut auf den Tafeln: "Pionier der Raketenforschung, für Verbrechen der Nazidiktatur mitverantwortlich."

© SZ vom 29.12.2017 / stga, wkr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: