Pullach:Improvisationskünstler auf Vintage-Instrumenten

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Die Band "Organ Explosion" begeistert in Pullach mit ihren Funk-Nummern - dabei kommen auch Hammond-Orgel und E-Piano-Wurlitzer zum Einsatz

Von Ulrich Möller-Arnsberg, Pullach

Für einen kurzen Moment könnte man die Bühne im Bürgerhaus an diesem Abend für die Auftaktveranstaltung eines geplanten Keyboard-Museums halten. Da sind links eine Hammondorgel B3, ein Wurlitzer E-Piano und ein Moog-Piano im Hufeisenformat aufgestellt. In der Mitte ruht ein knallroter E-Bass im Ständer - auch nicht der neueste - und rechts gesellt sich zum klassischen Drum Set eine ungewöhnliche Kiste, über die man vorerst rätseln kann. Aber der Gedanke an ein Museum verschwindet mit Konzertbeginn.

Drei Jungs treten aus dem Bühnenhintergrund hervor, lachen vielsagend aber wortlos vor sich hin. Sie kennen offensichtlich den Effekt, den ihr antikes Vintage-Instrumentarium bewirkt. Dann geht im Funk-Rhythmus die Post ab. So energievoll, dass man nach kurzer Zeit ein Kribbeln in den Beinen bekommt und abtanzen möchte. Aber da ist auch schon Schluss mit dem Klischee. Wenn es Musiker schaffen, Funk nicht als Nebenbei-Kulisse für Tänzer zu verkaufen, sondern als interessante Zuhör-Musik, dann sind es diese drei Protagonisten von Organ Explosion.

Die Keyboards von Hansi Enzensperger explodieren wahrlich neben dem Bass von Ludwig Klöckner und dem Schlagzeug von Manfred Mildenberger. Wie bei einer vulkanischen Eruption reißen seine flirrenden Klänge plötzlich ab. Der Bassgroove bleibt allein zurück, dann flammt die Kapelle erneut auf. Überhaupt ist das Beeindruckende an dieser Funk-Fusion-Band, die sich in gewisser Nostalgie und Retrofreude reichlich an alten Titeln aus den 1970er-Jahren bedient, dass sie nicht einfach nur durchheizt wie andere Funkmusiker. Die Stücke dieses Trios leben von wiederkehrenden, unvermittelten, leisen Passagen, in denen durch spielerische Improvisationsfantasie der Interpreten neue Motivik reift. Das macht ihre Funknummern zu unverwechselbaren, kleinen Geschichten durch die Welt von Riffs, Licks und Lines, wie man Rockdeutsch sagen würde.

Im Bürgerhaus Pullach wirkt Organ Explosion ähnlich ungewöhnlich, wie umgekehrt ein Streichquartett im Club-Ambiente. Manchen Veranstalter würde es abschrecken, solch Verschiedenes zusammenzubringen. Die Organisatoren von "Jazz & More" im Bürgerhaus haben aber den Mut zur Unkonventionalität. Das ist erfreulich und wird auch belohnt. Vor allem im zweiten Konzertteil nach der Pause zeigten sich die Zuhörer begeistert. Das lag gewiss auch daran, dass die Musiker von Organ Explosion nicht nur weiterfunkten, sondern zwischendurch etwas mehr Worte fanden für das, was sie da machen und wie es dazu kam. Nach dem Reggae-Funk-Stück "Positive Vibration" gab es ein kleines nicht ganz ernst gemeintes Feature über Keyboarder Enzensberger. Er sei eigentlich Automechaniker, habe in einer Werkstatt eine Musikanlage repariert und dann entdeckt, dass sein eigentlicher Platz hinter dem Keyboard sei. Er wäre damit im Ansatz gar nicht so weit weg von den einstigen US-amerikanischen und kanadischen Pionieren, die in den 1930er Jahren mit Traktor-Zylindern experimentierten und die ersten monströsen Instrumente erfanden; wie eben Laurens Hammond die nach ihm benannte Orgel. Auch Schlagzeuger Manfred Mildenberger hat sich durch diese Verbindung zwischen Garage und Musik inspirieren lassen zum Stück "Italian Mafia". Eine alte Orgel, so erzählt er, die acht Jahre in einer Garage gestanden habe, habe perfekt funktioniert bis auf zwei Tasten, die miteinander verklebt gewesen seien. Sie sorgten für einen schrägen Klang und der wurde zum Erkennungszeichen eines musikalischen Grundmotivs. Der Titel "Italian Mafia" war dann folgerichtig gewählt - eine wunderbare Nummer.

Und dann lüftete Mildenberger das Geheimnis um die ungewöhnliche Kiste neben seinem Drum Set. Ein japanisches Rhythmusgerät sei das, der Vorläufer zu der Entwicklung des späteren Drum-Computers. Und damit war er bei einem der letzten Stücke des kurzweiligen Konzertabends angelangt. Darin geht es um ein "Game-Boy-Match" zwischen ihm und Keyboarder Enzensberger. Der knatterte mit zur Pistole geformten Hand Salven herüber und Mildenberger musste immer wieder in Deckung gehen, bevor er die passenden Rückpässe fand. Schließlich flog zwischen beiden eine kleine Dose hin und her, dann kehrte Ruhe ein. Die heiter aufgeputschten Zuhörer im Bürgerhaus bekamen am Ende zum Relaxen noch "Grooving on a Sunday Afternoon"; auch ein alter Hit aus den 1970ern, geeignet, wehmütig zu werden in der Erinnerung an gute alte Zeiten.

© SZ vom 28.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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