Pullach:Die Zeit drängt

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Pullach setzt weiterhin auf die dezentrale Unterbringung von Asylbewerbern, muss nun aber fünf Grundstücke für neue Flüchtlingsunterkünfte prüfen lassen

Von Melanie Artinger, Pullach

‐ Bisher gehört Pullach zu den wenigen Kommunen im Landkreis, die noch kein eigenes Grundstück zur Flüchtlingsunterbringung bereit gestellt haben. Derzeit leben 50 Flüchtlinge in Privat- und Gemeindewohnungen. Da die Isartalgemeinde jedoch bis Ende des Jahres weitere 200 Asylbewerber aufnehmen muss, drängt die Zeit. Damit eine entsprechende Entscheidung auch von einer breiten Mehrheit der Bevölkerung getragen wird, kamen nun die Bürger zu Wort. Bei einer Informationsveranstaltung zur Flüchtlingsunterbringung ging es unter anderem um fünf zur Auswahl stehende Grundstücke.

Landrat Christoph Göbel (CSU) betonte vor allem die Dringlichkeit der Standortfindung. Man müsse davon ausgehen, dass die Situation im neuen Jahr etwa den Flüchtlingsstrom von 2015 abbilde. Jede Woche muss das Landratsamt 145 Personen unterbringen. Um nicht wieder auf Notunterkünfte wie Turnhallen zurückgreifen zu müssen, sei die Ausweisung entsprechender Flächen entscheidend. Für Göbel steht im Zentrum, den Menschen Räume zur Verfügung zu stellen, in denen das Wohnen im Vordergrund steht, ein selbstbestimmtes Leben möglich ist und nicht nur die reine Unterbringung gewährleistet sei. Dies trage wesentlich dazu bei, dass Integration gelingen kann.

Geprüft wurden insgesamt 20 Grundstücke in Pullach. Vor wenigen Tagen tat sich eine weitere Möglichkeit auf: In einem leer stehenden Wohnhaus der Firma Linde an der Flurstraße können für ein Jahr zehn bis 15 Personen untergebracht werden. Mit Blick auf Baurecht und Verfügbarkeit eigneten sich jedoch nur wenige Grundstücke, wie Jürgen Weiß, Abteilungsleiter der Pullacher Bauverwaltung, erläuterte. So wurden die Flächen an der Seitnerstraße und auf der Grundlbergwiese aus Gründen des Naturschutzes verworfen. Strategisch wichtige Grundstücke für den Ortsentwicklungsplan wurden bei der Beurteilung ebenfalls ausgeschlossen, um offene Entscheidungen nicht vorab zu blockieren. Als besonders geeignet schätzte die Verwaltung fünf Grundstücke ein. Viele der 400 anwesenden Pullacher nutzten die Möglichkeit, ihre persönliche Beurteilung schriftlich abzugeben. Die Argumente werden dann dem Gemeinderat vorgelegt.

Erst vor kurzem hat die Kommune das Grundstück an der Heilmannstraße 53 und 55 erworben. Dort könnte ein Wohnungsbauprojekt als Erweiterung der Grundelbergsiedlung entstehen und so auch unterschiedliche Nutzerstrukturen realisiert werden. Dieser Standort traf bei den Pullachern durchweg auf Zustimmung: Besonders für die Unterbringung von Flüchtlingsfamilien sei dies ein geeigneter Standort. Ein weiteres Grundstück befindet sich an der Hans-Keis-Straße, nördlich des Kindergartens "Isarspatzen". Dieses Areal ist jedoch erst von Mitte 2017 an verfügbar, da hier teilweise die Baustelleneinrichtung für den Neubau eines Wohnhauses gegenüber erfolgen wird. Im Süden derselben Straße steht ein weiteres Grundstück nahe des Altenheims "Haus am Wiesenweg" zur Verfügung. Hierauf laste zwar ein Erbbaurecht zugunsten des Altenheims, der Träger habe jedoch Kooperationsbereitschaft signalisiert. Es könnte ein gemischt genutztes Gebäude für Pflegepersonal und Flüchtlinge entstehen.

Bei dem vorgeschlagenen Areal an der Anton-Köck-Straße handelt es sich um den südlichen Grundstücksteil, ohne dass davon die Spielfläche des Kindergartens betroffen wäre. Während Wortmeldungen auf der Seite der Befürworter den zentralen Standort und die guten Integrationsmöglichkeiten thematisierten, sahen es einige Bürger kritisch, dass dort ohne Bebauungsplanänderung nur Einfamilienhäusern oder Doppelhaushälften möglich seien. Außerdem wurde der ehemalige Eon-Bauhof in Baierbrunn in Betracht gezogen. Sein Nachteil ist die Lage: Zum einen befindet sich das Areal im Landschaftsschutzgebiet und zum anderen ist es nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln erschlossen. Ein Shuttleservice müsste eingerichtet werden. Dennoch könnte mit Zustimmung des Landratsamtes hier kurzfristig eine Containeranlage entstehen und so eine Unterbringung der Flüchtlinge für drei Jahre ermöglichen. Darüber hinaus wurde die Frage aufgeworfen, ob es nicht auf dem Gelände des Bundesnachrichtendienstes geeignete Flächen für die Flüchtlingsunterbringung gebe. Ein entsprechender Brief an Kanzlerin Angela Merkel sei bereits abgeschickt, so Bürgermeisterin Susanna Tausendfreund (Grüne). Sie betonte abschließend, dass sie persönlich weiterhin eine dezentrale Unterbringung und Wohngebäude mit gemischten Nutzerstrukturen favorisiere. Änderungen im Bebauungsplan würde die Gemeinde nicht anstreben. Klar sei jedoch auch, dass dann auf jeden Fall mehrere Wohnbauprojekte angestoßen werden müssten.

© SZ vom 14.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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