Pullach:Barrieren-Suche mit Handicap

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Beim Projekt "Grenzenlos mobil" schlüpfen Schüler zur Selbsterfahrung in die Rolle behinderter Menschen

Von Michael Morosow, Pullach

Wie ist es, wenn man im Rollstuhl sitzt, blind ist oder an Multipler Sklerose erkrankt? Fragen, die sich Kinder und Jugendliche in bisher vier Einrichtungen des Kreisjugendring München-Land (KJR) beziehungsweise in ihren Schulklassen gestellt haben. Mona Harangozó vom Referat Diversity mit dem Schwerpunkt Inklusion bietet seit Mai das vom Bezirksjugendring Oberbayern geförderte Projekt "Grenzenlos mobil" an, um genau diese Situationen direkt erfahrbar zu machen.

So setzten sich Kinder und Jugendliche selbst in den Rollstuhl, trugen Simulationsbrillen oder ließen sich die Augen verbinden und nutzten einen Blindenlangstock. Diese Aktion, so lässt sich sagen, hat den Schülern die Augen geöffnet. Nicht nur was die reduzierte Bewegungsfähigkeit anbelangt. Auch die Rücksichtslosigkeit einiger Passanten hatten viele nicht erwartet.

Es werde ihnen schnell bewusst, dass man zum Beispiel im Supermarkt nicht selbstverständlich an alle Waren herankomme, sagt Mona Harangozó. "In den Köpfen der Kinder und Jugendlichen hat durch die Selbsterfahrung und den Perspektivwechsel ein Umdenken stattgefunden. Sie sind sensibilisiert für die vielen Barrieren, die es noch gibt, und werden auch sicherer im Umgang mit Menschen mit Behinderung." "Grenzenlos mobil" fand in Kooperation mit den Jugendzentren Waaghäusl Planegg und Freiraum hoch zwei Pullach sowie mit Klassen der Konrad-Grundschule Haar und des Lise-Meitner-Gymnasium Unterhaching statt. Die Erfahrungen der Kinder und Jugendlichen wurden protokolliert und schließlich auch dem jeweiligen Gemeinderat mitgeteilt, mit der Bitte, das Thema Barrierefreiheit in einer Sitzung zu besprechen.

Die Klasse 4 a der Konrad-Grundschule in Haar konnte ihre Beobachtungen gleich direkt Bürgermeisterin Gabriele Müller vortragen, die die Aufgabe der Behindertenreferentin quasi in Personalunion ausfüllt. Die übergebene Mängelliste: Die Rampen sind meist zu steil, die grünen Ampelphasen zu kurz und die Bordsteine an einigen Stellen gar nicht oder nicht richtig abgesenkt. Automatisch öffnende Türen in der Schule oder Fahrkartenautomaten mit Sprachfunktionen wären wünschenswert. In Unterhaching wird beispielsweise bei einer Jugendbürgerversammlung das Thema vertieft behandelt.

Vielleicht tragen die Sechstklässler des Lise-Meitner-Gymnasiums dann auch die Erfahrung weiter, dass es nicht nur Barrieren im öffentlichen Raum gibt. "Richtig empört waren die Schüler über die Tatsache, dass sie von Passanten statt Unterstützung noch Anfeindungen und Rücksichtslosigkeit erfahren mussten. Radfahrer klingelten sie auf dem Gehweg an, und eine ältere Frau war erbost, dass ein Junge mit dem Blindenlangstock ihren Fuß berührte. Das muss sich ändern, da waren sich die Kinder einig", berichtet Harangozó, bei der das Projekt gebucht werden kann. Außerdem können sich Menschen mit Behinderung, die das Projekt unterstützen wollen, bei der Referentin für Diversity beim Kreisjugendring melden. Kontakt: Mona Harangozó, Burgweg 10, 82049 Pullach; E-Mail m.harangozo@kjr-ml.de, Telefonnummer 089/744 14 05 25.

© SZ vom 03.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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