Ottobrunner Konzerte:Langstreckenlauf über die Tasten

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Humorvoll und technisch brillant: Ani and Nia Sulkhanishvili glänzten beim "Classical Piano Marathon" in Ottobrunn mit Dvoraks "Legenden". (Foto: Claus Schunk)

Viel Applaus für die sechs Solisten beim "Classical Piano Marathon" in Ottobrunn

Von Udo Watter, Ottobrunn

An einem Abend, der unter dem Titel "Marathon" firmiert, spielt der Faktor Zeit eine entscheidende Rolle. Anders als bei dem Namen gebenden historischen Ereignis geht es beim "Classical Piano Marathon" in Ottobrunn natürlich nicht um Leben und Tod, anders als beim sportlichen Pendant geht es auch nicht um eine rekordverdächtig schnelle Zeit nach langer Strecke. Die Herausforderung für die sechs Solisten (der zusätzlich eingeladene Michael Endres musste wegen Krankheit passen) und zwei Klavier-Duos war am diesem Abend im Wolf-Ferrari-Haus eine andere.

Das Format bedingt angesichts der Fülle der Auftretenden eine relativ kurze Spielzeit, was wiederum Stückauswahl beeinflusst und den Druck erhöht, sofort entsprechend inspiriert zu agieren. Zudem birgt es trotz des programmatisch festgelegten Abwechslungsreichtums die Gefahr, das Publikum irgendwann zu überfordern, mit zunehmender Dauer vielleicht sogar zu ermüden. Was beim Jazz mit seinen groovigen Elementen und seiner größeren rhythmisch Unmittelbarkeit klappt - die künstlerischen Leiter der Ottobrunner Konzerte Cornelius Claudio und Johannes Tonio Kreusch haben bereits drei "Jazz-Piano-Marathons" auf die Bühne gebracht - muss nicht unbedingt im klassischen Bereich funktionieren.

Nun, es war ein spannender, ungewöhnlicher Konzertabend. Wann hat man schon die Gelegenheit, Pianisten von Format eines Bernd Glemser, Michael Korstick, Alexej Gorlatch, Christopher Park, Alexander Schimpf oder einer Mona Asuka sowie Ani und Nia Sulkhanishvili und das Duo d'Accord - allesamt beim Label Oehms Classics unter Vertrag - so geballt erleben zu können? Letztgenanntes, gebildet von Lucia Huang und Sebastian Euler, eröffnete den Piano-Marathon mit sechs Burlesken Regers, die sie so schwung- wie humorvoll vortrugen. Manchmal wirkte es so, als würden die beiden bei ihrer Jagd über die Tasten kongenial präzise Haken schlagen.

Ihnen folgte Alexander Schimpf, der unter anderem 2011 den ersten Preis bei der renommierten Cleveland International Piano Competition gewonnen hat, mit dem ersten Satz aus Schuberts Klaviersonate B-Dur. Er brauchte ein wenig, um sich frei zu spielen, schritt dann aber ansprechend die dramatischen Dimensionen des Werks ab. Alexej Gorlatch, der trotz seiner erst 30 Jahre schon viele internationale Auszeichnungen gewonnen hat, beschloss den ersten Teil mit Beethovens Sonate d-Moll "Der Sturm". Der gebürtiger Kiewer zeigte zum einen Phrasierungskunst und federnd differenzierte Kontrastierungen, schaffte es aber andererseits nicht, den zweiten Satz so spannungsvoll zu gestalten, dass er damit sein langsames Tempo gerechtfertigt hätte. Im Finalsatz agierte er wieder mitreißend, wiewohl dieser merkwürdig reduziert ausklang.

Nach der Pause zeigten sich Ani and Nia Sulkhanishvili mit Dvoraks "Legenden" technisch auf der Höhe, ab und an blitzte auch zackiger Humor bei den beiden Schwestern auf. Den vielleicht bewegendsten Auftritt des Konzertabends, der vom BR aufgenommen wurde, legte Michael Korstick hin. Seine Interpretation von Beethovens Klaviersonate Nr. 31 war wunderbar austariert: überlegt und zugleich hoch emotional. Inzwischen ist er als Beethoven-Experte zwar kein Geheimtipp mehr, aber, was die Bekanntheit angeht, wohl immer noch unterschätzt. Ein stimmiger Kontrast danach Christopher Parks atemberaubender Vortrag von Strawinskys Stück Nr. 2 aus "Trois Mouvements dé Petrouchka". Auch Bernd Glemser zeigte sich mit Haydns Sonate e-Moll und zwei Vorträgen aus Mendelssohn-Bartholdys "Lieder ohne Worte" als reifer Interpret. Mona Asuka spielte zum Abschluss erst das wunderbare Listz/Schubert-Ständchen und dann die spektakulär virtuose "Tarantella" ("Venezia e Napoli") von Liszt. Das Publikum, das nicht so zahlreich erschienen war, wie erhofft (vielleicht gab es jüngst etwas viele "Ottobrunner Konzerte"), dankte mit kräftigem Applaus. Es war der Schlusspunkt nach einem langen Abend, der freilich noch nicht für alle zu Ende war - danach ging es im Ratsaal weiter mit "Meet-The Artist"-Gesprächen und Carsten Dürer von "Piano News" als Moderator. Ja, wer wollte, durfte eine Menge Zeit mitbringen zum Marathon nach Ottobrunn.

© SZ vom 18.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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