Ottobrunn:Raus aus der Sektenecke

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Elmar Stöcker war Gründungsmitglied der Freien evangelischen Gemeinde, heute gehört er zum Ältestenbeirat. (Foto: Claus Schunk)

Vor 30 Jahren traf die Freie evangelische Gemeinde auf Vorurteile in Ottobrunn. Heute ist sie Teil der Ökumene

Von Daniela BodeVon Daniela Bode, Ottobrunn

Ein großer, moderner Holzbau heißt den Besucher willkommen. Das Gemeindehaus der Freien evangelischen Gemeinde München-Südost steht prominent auf dem Eckgrundstück an der Rosenheimer Landstraße und der Bahnhofsstraße. Schon das Gebäude zeigt: Diese Glaubensgemeinschaft wird ernst genommen im Ort. Das war keineswegs immer so. An diesem Sonntag feiert die Gemeinde ihr 30-jähriges Bestehen.

Alles begann mit einem Hausbibelkreis bei Familie Schulze in Ottobrunn. "Wir haben Bibeltexte betrachtet und die Anwendung auf das persönliche Leben", erzählt Elmar Stöcker, der über seine Mutter schon in Burscheid und später in Aachen einer Freien evangelischen Gemeinde angehörte und in Ottobrunn Gründungsmitglied war. Es war einer von mehreren Regionalhauskreisen der Freien evangelischen Gemeinde München in der Mozartstraße. Schon damals gab es Überlegungen, in Ottobrunn eine eigene Gemeinde zu gründen, wie Stöcker erzählt. 1986 war es dann so weit: Rund 30 Personen, einige davon aus dem Hauskreis, riefen die Freie evangelische Gemeinde Ottobrunn ins Leben. Für ihre Treffen und Gottesdienste mieteten sie Räume an der Alten Landstraße an. "Die Akzeptanz war in den ersten Jahren noch nicht so gegeben - da sah man uns eher in der Sektenecke", sagt Stöcker.

Doch seitdem hat sich einiges getan. Die Zahl der Mitglieder ist auf 135 gewachsen, mit Kindern besuchen die Sonntagsgottesdienste rund 250 Personen, erzählt Andreas Müller, seit 2002 Pastor der Gemeinde. 1997 ersetzte die Gemeinschaft den Ort Ottobrunn im Namen durch "München-Südost", um dem Einzugsgebiet der Mitglieder besser Rechnung zu tragen. 25 Jahre lang hatte die Gemeinde in einem Haus an der Hubertusstraße ihre Bleibe. Vor zwei Jahren zog sie in das neu gebaute Gemeindehaus, unter dessen Dach als Mieter auch die Kinderbetreuungseinrichtung Tollhaus beherbergt ist. Beim Bau habe man viel Wohlwollen von der Gemeinde Ottobrunn erfahren, sagt Pastor Müller. Seit einigen Jahren ist die Freie evangelische Gemeinde Teil der Ökumene in Ottobrunn. "Jetzt haben wir ein gutes Standing hier", sagt Stöcker. Als Konkurrenz zu den traditionellen Kirchen sieht Müller seine Kirche nicht. Ohnehin unterscheidet die Freien evangelischen Gemeinden, die in Deutschland seit 1854 existieren, rund 40 000 Mitglieder haben und unabhängig von den anderen Freikirchen ist, in der Lehre nicht allzu viel von den traditionellen christlichen Kirchen. "Kinder werden nicht durch Taufe Mitglied, sondern wir segnen sie", sagt Pastor Müller. Getauft werden die, die sich bewusst für diese Glaubensgemeinschaft entscheiden. Gemeindemitglied kann werden, wer an Jesus Christus glaubt und sich zu diesem Glauben öffentlich bekennt. Strukturell unterscheidet sich die Gemeinschaft, da sie dezentral organisiert ist. "Wir haben das Modell der unabhängigen Ortsgemeinde", sagt Müller.

Anders als es anderen Kirchen derzeit ergeht, kommen laut Müller und Stöcker immer wieder neue Menschen zu ihnen. "Es gibt viele, die auf der Suche sind", sagt Stöcker. Auch zahlt sich die gute Jugendarbeit des 2004 eingestellten Jugendpastors Maik Führing laut den beiden aus. Es wird viel für junge Leute angeboten, seien es Kinder- und Jugendgottesdienste oder Sommerfreizeiten.

Zudem fühlen sich die Mitglieder stark verbunden mit ihrer Gemeinde. Wie Stöcker erzählt haben rund 80 Prozent von ihnen irgendeine Aufgabe übernommen. Auch finanziell ist das Engagement groß, Finanzieren sich doch die Gemeinde und ihre Projekte aus den Spenden der Mitglieder.

Am Sonntag findet um 14 Uhr ein Festgottesdienst mit Ansgar Hörsting, Präses des Bunds der Freien evangelischen Gemeinden in Deutschland, im Gemeindezentrum an der Bahnhofstraße 2 statt.

© SZ vom 21.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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