Ottobrunn:Leise Reise zu den Klangfarben der Nacht

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Dorothée Kreusch-Jacob erschließt Kindern die Welt der Musik. (Foto: Angelika Bardehle)

Familienprojekt: Dorothée Kreusch-Jacob hat mit ihren Kindern und Enkeln eine CD zum Liederbuch "Sonne, Mond und Abendstern" aufgenommen

Von Udo Watter, Ottobrunn

Klingen die Sterne? Fliegen wir im Traum durch den Himmel? In Eichendorffs Gedicht "Mondnacht" spannt die Seele ihre Flügel aus und fliegt durch die stillen Lande, als flöge sie nach Haus. Bei Novalis heißt es: Trägt nicht alles, was uns begeistert, die Farbe der Nacht?

Obgleich Ottobrunn nicht unbedingt das romantischste Fleckchen des Erdkreises ist - einige Menschen, die dort leben oder aufgewachsen sind, haben offenbar einen besonderen Bezug zur Nacht, ihren Klängen und Farben. Vor wenigen Wochen hat die Schriftstellerin, Komponistin, Konzertpianistin und Musikpädagogin Dorothée Kreusch-Jacob mit dem Illustrator Quint Buchholz, beide wohnhaft in Ottobrunn, "Sonne, Mond und Abendstern - das große Liederbuch zur Nacht" (Hanser-Verlag) herausgebracht. Auf 224 Seiten hat Kreusch-Jacob viele Lieder, Gedichte und Geschichten versammelt, die das Einschlafritual begleiten können. Dazu gibt es auch eine CD (Aragon-Verlag), die wiederum primär ein Familienprojekt ist: Aufgenommen wurde die CD im Münchner Studio von Cornelius Claudio Kreusch. Der Sohn von Dorothée Kreusch-Jacob, der selbst ein arrivierter Jazz-Pianist ist, hat schon zahlreiche Alben der Mutter produziert, und es nicht das erste Mal, das auch andere Familienmitglieder sich am Projekt beteiligen: So hat Johannes Tonio Kreusch, der mit Cornelius zudem die Ottobrunner Konzerte initiiert hat, seinem Bruder dabei geholfen, die Stücke zu arrangieren und begleitet sie teils mit der Gitarre. Ihre Schwester, die Künstlerin Carolina Camilla Kreusch, leiht vielen Liedern ihre klangschöne Singstimme.

"Wenn wir uns treffen, dann stimmt es einfach", beschreibt Kreusch-Jacob die Aufnahmen, "wir sind zwar alles individualistische Menschen, aber da ist auch ein gefühlsmäßiges Nahesein zwischen uns, und wir sind es alle gewohnt zu improvisieren." Mit Cornelius Kreusch' Kindern Caira und Lior singt zudem die dritte Familien-Generation neben weiteren Ottobrunner Kindern und Carolina Kreuschs Ehemann Heiko Börner.

Aber auch zwei besonders prominente Musiker haben mitgewirkt bei der Einspielung dieses Albums, das Abendlieder von Kreusch-Jacob, Arrangements von Volksliedern sowie bekannten Einschlaf-Melodien ("Guten Abend, gut' Nacht") versammelt: Klaus Doldinger und Giora Feidman. Mit Saxofon und Klarinettenklängen haben die beiden Größen diverse Stücke begleitet, dabei waren Improvisationskunst und Einfühlungsvermögen wichtig. "Sie haben begeistert mitgemacht", erklärt Kreusch-Jacob. Bei "Leise Reise" etwa veredelt Doldingers Saxofon mit melancholischen Background-Klängen die zarte musikalische Geborgenheit, die sich auch im Text von Kreusch-Jacob entfaltet: "Ich webe mir ein Tuch aus Mondenschein, und fang mir tausend Sternschnuppen ein." Feidman gibt mal die kichernde Klarinette ("Bajuschkibaju") oder zeigt sich von der sanft-wehmütigen Seite im jiddischen Volkslied "Shlof main Fegele".

In den 24 Stücken des Albums kommen darüber hinaus noch vielerlei andere Instrumente zum Einsatz, darunter eher Exotisches wie Schlitztrommel, Kalimba oder Steeldrum. Aber auch Klassiker der klanglichen Geborgenheit wie Harfe, Hackbrett oder Gitarre und verschiedene Klaviere, Geige, Bass oder Drums. "Wir haben es wieder aufwendig gemacht", sagt Kreusch-Jacob. "Ich mag keine musikalischen Billig-Produktionen, wo verschiedene Bausteine im Studio verwendet werden und das Ganze ein Zuckerguss-Gesäusel wird."

Die Musiker waren angehalten, sich mit Freude, Wärme und Intensität den Melodien und Texten zu widmen. "Es ist wichtig, dass wir den Kindern Nähe vermitteln beim Schlafengehen" sagt Kreusch-Jacob. "Wenn der Tag aufregend war, fällt es Kindern oft schwer, zur Ruhe zu kommen und einzuschlafen. Sie sind ja oft einer großen Reizintensität, einem Mediengeballer ausgesetzt." Die in Ravensburg geborene Musikpädagogin, die viele Kinderlieder-CDs sowie Bücher veröffentlicht und unter anderem den "Preis der deutschen Schallplattenkritik" gewonnen hat, möchte den kleine Zuhörern quasi die Pforte zum Zauber der Nacht mit den entsprechenden Tönen öffnen. "Alles ist möglich in der Zeit zwischen Tag und Traum." Wichtig ist für sie dabei: Musik kommt aus der Stille und kehrt in die Stille zurück. Das Schwingen und Schaukeln, der oft gleichmäßige Rhythmus, die Resonanz, ist bei Abendliedern mitentscheidend. Wenn sie selbst singt, entfaltet Kreusch-Jacob auch diese besondere Sensibilität für die von ihr so genannten "Seelenohren" der Kinder ("Horch, Horch"). Besonders schön ist auch das von ihr komponierte erste Stück der CD "Ich schenk dir einen Regenbogen", das Carolina Camilla Kreusch singt.

Von Kreusch-Jacob sind zahlreiche neue und alte Lieder auf der CD, auch Vertonungen von Texten bekannter Autoren wie James Krüss, Michael Ende oder Mascha Kaléko. In der Neigung zu den leisen, verträumten Seiten der Welt entfaltete sich auch die Zusammenarbeit mit Quint Buchholz besonders gut - das liebevoll gestaltete CD-Booklet beinhaltet neben Texten von Kreusch-Jacob schöne Bilder des bekannten Illustrators. Obwohl beide schon lange in Ottobrunn wohnen, war es die erste Kooperation. "Er gibt der Nacht viele Farben", sagt sie. Inspiration, auch ihren Vertonungen viele Klangfarben zu geben. Manche Seiten der Nacht sind indes merkwürdig oder beängstigend. "Beim Zuhören begegnen wir inneren Bildern." Umso mehr gilt es, die kleinen Einschläfer in ein weiches, sicheres Klangbett zu entführen: "Wenn's dunkel wird, draußen, fliegt dein Lied durch die Nacht."

© SZ vom 25.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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