Ottobrunn:Das wilde Leben über fünfzig

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Ruth Eder, die bereits die 60 überschritten hat, gewinnt dem Älterwerden in ihrem Buch viele (selbst)ironische Züge ab. (Foto: Angelika Bardehle)

Der neue Roman "Älternabend" der Ottobrunner Autorin Ruth Eder ist vergnüglich zu lesen

Von Udo Watter, Ottobrunn

Man tut Sophia kein Unrecht, wenn man ihr eine gewisse Neigung zur Sünde attestiert. Aber was bedeutet für eine Frau von 50 plus überhaupt Sünde? Schweres Essen? Schwerer Rotwein? Sex? Als sie einmal mit der super-fitten, jungen Personal-Trainerin Silvana in einem veganen Münchner Restaurant sitzt, kommt ihr der verführerische, ja "wahrhaft sündige, revolutionäre Gedanke", sich einfach dem "Zeitgeist verbissener Selbstoptimierung" zu verweigern. Sich all den urbanen Life-Style-Anforderungen zu entsagen. "Was sprach eigentlich dagegen, in Frieden fett und faltig zu werden und mit meinem Hund gemächlich meine Runden im Stadtpark zu drehen?" Aber Sophia, die immer agile PR-Frau , die alles im Griff zu haben scheint, sie will ja auch "bumsbar" bleiben - die Amerikaner nennen das fuckable - also knackig, sportiv und begehrenswert, um Sünden anderer Natur zu begehen.

Sophia, die Hauptfigur in Ruth Eders vergnüglichem neuem Roman "Älternabend" macht dann doch weiter, trotz gelegentlicher Rückfälle, surft sie immer wieder mit auf der Trendwelle der Selbstoptimierung, bekämpft ihr "Hüftgold" mit Yoga, Bauchtanz oder Joggen. Und seit die Tochter aus dem Haus ist, will sie wieder voll durchstarten, Versäumtes nachholen. Sie lebt ihren Beruf und unterwirft sich dem Diktat des Zeitgeistes: "Sexy, sexy, sexy." Die Ottobrunner Autorin Ruth Eder hat der Single-Frau in den Fünfzigern, die zwischendurch wegen Burn-outs in einer psychosomatischen Klinik landet, durchaus autobiografische Züge gegeben. "Ein bisschen was aus seinem Leben lässt man immer mit einfließen", erklärt sie. Eder, die auch für die SPD im Ottobrunner Gemeinderat sitzt, kommt aus dem Journalismus und hat im Lauf der Jahre lernen müssen, bei ihren Romanen nicht nur Erlebtes, Realistisches zu verarbeiten, sondern auch, ihrer Fähigkeit zur Fiktion zu vertrauen. "Früher hatte ich Hemmungen, was zu erfinden. Jetzt traue ich mich mehr."

Das Ergebnis ist gelungen: "Älternabend" profitiert davon, dass die Autorin weiß, wovon sie schreibt, und mit ihrer journalistisch geschulten Beobachtungsgabe einen wachen Blick für gesellschaftliche Phänomene hat. Sie verfügt über einen süffisanten Stil, um das Ganze in amüsante Form zu kleiden. Sie entfaltet freilich auch die erzählerische Qualität, um Stimmungen szenisch erlebbar zu machen.

Gewidmet ist der Roman ihrer Tochter Martyna - im Buch spielt Sophias Tochter Ina als vegane Yoga-Lehrerin eine Rolle. Die beiden sind einander verbunden, liefern sich aber gerne Generationen-Duelle über Spießigkeit, Emanzen oder zeitgemäßes Vokabular. Ina: ",Nickerchen' sagt übrigens heute kein Mensch mehr." Worauf sich Sophia ärgert, dass ihr "Powernap" nicht eingefallen war. Eine Qualität von Sophia ist bei aller Selbstoptimierung und dem fast obsessiven Verhältnis zu Körper und Styling ihr Humor und ihre Selbstironie. Einen blöden Spruch hat sie immer auf Lager - ob beim Klassentreffen mit anderen Ü50-Frauen ("aufgetakelte Matronen"), oder im Dialog mit Männern. Ja, natürlich geht es auch um Liebe und wilde Leidenschaft, auch in fortgeschrittenem Alter. Bei aller Vergnüglichkeit wohnen der Geschichte zudem ernste Aspekte inne, die Tragikomik des Älterwerdens, Vergänglichkeit, Jugend- und Schönheitswahn schwingen zwischen den Zeilen mit.

Manche Dialoge wirken zwar ein wenig bemüht, manche Figur trägt recht plakative Züge, mehr dramaturgischer Schwung hätte hin und wieder nicht geschadet. Auch muss man den Titel "Älternabend" nicht unbedingt toll finden, aber das Buch ist generell erfrischend zu lesen, reizt zum Schmunzeln und hält mancher älteren (Power)-Frau vergnüglich, aber nie bösartig den Spiegel vor. "Humor gibt einem immer eine gewisse Würde", sagt Eder.

"Älternabend" ist im Weltbild-Verlag erscheinen. In Ottobrunn ist der Roman auch in der Buchhandlung Kempter erhältlich.

© SZ vom 17.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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