Ottobrunn:Wenn der Austausch zum Abenteuer wird

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Diogo aus Brasilien sucht eine neue Gastfamilie, bei der er im besten Fall bis Ende des Jahres bleiben kann. (Foto: Claus Schunk)

Diogo aus Brasilien ist für ein Jahr Gastschüler am Gymnasium Ottobrunn. Eine Bleibe hat ihm die Austauschorganisation nur für die ersten Wochen vermittelt.

Von Daniela Bode, Ottobrunn

Allmählich dürfte Diogo auf glühenden Kohlen sitzen. Der Gastschüler aus Brasilien wohnt zurzeit bei einem Ehepaar in Ottobrunn. Doch in etwa einer Woche endet der vereinbarte Aufenthalt und Diogo, der gerade 18 geworden ist, hat noch keine neue Bleibe in Aussicht. Dabei hat sich Diogo über die Austauschorganisation Experiment für das ganze Jahr als Gastschüler angemeldet und möchte gern bis Januar 2018 bleiben.

Auch wenn die Zeit knapp ist, ist man bei der Austauschorganisation zuversichtlich. "Bisher hat sich immer eine Gastfamilie gefunden", sagt Pressesprecherin Meike Schmidt. Experiment ist ein gemeinnütziger Verein mit Sitz in Bonn, dessen Ziel seit 85 Jahren der Austausch zwischen Menschen aller Kulturen, Religionen und Altersgruppen ist. Kooperationspartner sind unter anderem das Bundesfamilienministerium und das Goethe-Institut. 2016 reisten nach eigenen Angaben 1800 Teilnehmer über die Organisation nach Deutschland und ins Ausland.

Diogo fühlt sich wohl in Ottobrunn. Er besucht dort das Gymnasium, hat Freunde gefunden, geht mit seinen Gasteltern zum Wandern in die Berge. Mit der deutschen Sprache klappt es bei dem sport- und biologieinteressierten jungen Mann auch schon ganz gut. Er verstehe vieles, das Sprechen sei schwieriger, sagt der Gast aus São Paulo. Seit 11. Februar wohnt er bei einem Ottobrunner Ehepaar.

Nach Deutschland kam Diogo wegen des guten Wetters

Über eine deutsche Freundin, die einen Austausch nach Brasilien gemacht hatte, war er auf die Idee gekommen, länger nach Deutschland zu gehen. Im Rennen waren, wie er erzählt, auch andere Länder wie USA und Kanada. Aber unter anderem "wegen des guten Wetters" entschied er sich für Deutschland. Sein Fazit bis jetzt: "It's a great experience" - es ist eine großartige Erfahrung für ihn. Deshalb will er auch gerne in Ottobrunn oder der Umgebung bleiben.

Auch die Gasteltern genießen die Zeit mit ihrem Mitbewohner aus der Ferne. "Es ist schön, dass es einen Austausch gegeben hat. Wir haben etwas von seinem Land und seiner Kultur gelernt und er von unserer", sagt der Gastvater. Er meint damit Kleinigkeiten, wie dass es in Brasilien keine Fernzüge gebe wie hier. Von Anfang an war es ihm und seiner Frau wichtig, ein angenehmes Zuhause für den jungen Gast zu schaffen. "Ich habe eine Schule für ihn gesucht und wir haben geschaut, dass er sich wohl fühlt", erzählt er.

"Bei der Organisation sagte man mir immer, dass sich schon eine Familie findet", sagt der Gastvater

Von Anfang an war mit der Austauschorganisation vereinbart, dass er nur sechs Wochen bei diesen Gasteltern bleibt, sie also als Willkommensfamilie fungieren - so nennt sich das bei der Organisation - und danach eine neue Familie gesucht wird. "Bei der Organisation sagte man mir immer, dass sich schon eine Familie findet", sagt der Gastvater.

Bei Experiment ist es offensichtlich üblich, dass Schüler vermittelt werden, bevor die Unterbringung für die ganze Zeit des Aufenthalts geregelt ist. "Es ist wirklich nicht einfach, jemanden zu finden, der ehrenamtlich bereit ist, einen Schüler aus dem Ausland für ein Jahr aufzunehmen und der auch gut passt", sagt Pressesprecherin Schmidt. Ehrenamtlich heißt: Die Familie übernimmt Kost und Logis und bekommt lediglich einen kleinen Haushaltskostenzuschuss von 250 Euro für fünf Monate von der Organisation.

Gleichzeitig versichert Schmidt aber, dass Experiment sich bemühe, eine Familie zu finden. Einerseits kümmere sich die Organisation darum. "Wir versuchen, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, eben auch, uns an die Presse zu wenden", sagt Schmidt. Zudem gebe es stets einen ehrenamtlichen Betreuer am Ort, der im Fall von Diogo in Neubiberg wohnt, der sich ebenfalls kümmere, sagt Schmidt. Vieles laufe auch über die Schulen.

Nach Hause fliegen muss Diogo auf keinen Fall

Die Schulleitung des Gymnasiums Ottobrunn hat den Elternbeirat eingeschaltet und diesen gebeten, sich wegen einer weiteren Bleibe für den Schüler umzuhören, wie stellvertretende Direktorin Beate Promberger sagt. Zuvor habe sich Experiment an die Schule gewandt: ob sie einen weiteren Verbleib Diogos an der Schule unterstützen könne, dass man eine neue Gastfamilie für ihn suche und ob die Schule nicht angehängten Flyer an die Eltern weitergeben könne.

Gelegentlich nimmt das Ottobrunner Gymnasium Gastschüler wie Diogo außerhalb von schulinternen Austauschprogrammen auf. Für die Suche nach einer Gastfamilie sei die Schule da aber nicht zuständig, sagt Promberger. "Wir haben das nun an den Elternbeirat weitergegeben, weil Diogo schon da ist", sagt sie. Sie würde es begrüßen, wenn ihn eine neue Familie aufnähme, weil er sich richtig gut in der Schule eingefunden habe.

Natürlich wäre es ideal, wenn ein Schüler das ganze Jahr bei einer Familie verbringe, sagt die Pressesprecherin der Austausch-Organisation. Mit dem Willkommens-Aufenthalt von sechs Wochen wolle man aber "gewährleisten, dass ein Schüler nach Deutschland kommen kann und hier einen Start hat", sagt sie. Sich sorgen, dass Diogo wieder nach Hause fliegen müsse, brauche man nicht. Im Notfall würden der ehrenamtliche Betreuer am Ort oder eine andere Familie, die Mitglied im Verein ist, einen Schüler übergangsweise aufnehmen. Schmidt ist aber optimistisch: "Wir haben bisher noch jeden in einer Gastfamilie untergebracht."

Wer Interesse hat, Diogo bei sich aufzunehmen, kann sich an Matthias Lichan in der Experiment-Geschäftsstelle wenden unter Telefon 0228/9572221 oder per E-Mail an lichan@experiment-ev.de.

© SZ vom 21.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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