Oberschleißheim:Abgang mit Abrechnung

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Christine Fichtl-Scholl saß seit 2008 für die SPD im Oberschleißheimer Gemeinderat. Für ihren Rückzug zum Jahresende hatte sie zunächst nur "persönliche Gründe" angegeben. (Foto: Florian Peljak)

Die scheidende Gemeinderätin Christine Fichtl-Scholl kritisiert Bürgermeister Christian Kuchlbauer

Von Klaus Bachhuber, Oberschleißheim

Mit unverblümter Kritik an Bürgermeister Christian Kuchlbauer (FWG) hat Christine Fichtl-Scholl (SPD) ihren Rückzug aus dem Oberschleißheimer Gemeinderat begleitet - und in Teilen sogar begründet. Sie habe sich über mehrere Vorfälle der vergangenen drei Jahre im Rathaus "so geärgert", sagte die 56-Jährige am Dienstagabend in ihrer letzten Sitzung nach neuneinhalb Jahren im Gemeinderat, dass sie sich "gesundheitlich angeschlagen fühle".

Fichtl-Scholl monierte diverse "Fehler der Gemeindeverwaltung, für die ein Bürgermeister die Verantwortung trägt". Von einem war sie sogar persönlich betroffen, weil bei einem Bauvorhaben ihres Nachbarn im Rathaus Pläne verwechselt worden waren und es darüber zu Kontroversen kam. Auch sei es kein Zustand, dass wegen Personalmangels ständig irgendwelche Ressorts im Rathaus kurzfristig geschlossen würden. Viel gute Mitarbeiter seien nicht nur gegangen, "weil ihre neue Stelle näher am Wohnort liegt", deutete Fichtl-Scholl an; so waren fast alle Kündigungen der vergangenen Monate offiziell begründet gewesen. Dem Bürgermeister empfahl sie in diesem Zusammenhang "etwas mehr Mut zur Selbstkritik".

Im Gemeinderat seien "die Sitzungsunterlagen oft nicht gut vorbereitet", monierte Fichtl-Scholl, weil Beschlüsse mehrfach spontan umformuliert und umgedreht worden seien. Konstant würden wichtige Themen vor der Debatte im Rat nach außen getragen. "Furchtbar enttäuscht" zeigte sich Fichtl-Scholl zuletzt vom Umgang Kuchlbauers mit den Tunnelplänen für die Bahn. "Der Bürgermeister hat in den Verhandlungen nicht sein Bestes gegeben", sagte sie, bei der Behandlung im Gemeinderat habe "jede Basis gefehlt". Als vollkommenes "No-Go" prangerte sie eine öffentliche Stellungnahme des Gemeindebauamts vor Jahresfrist mit Kritik am Gemeinderat an. "Das hätte nie rausgehen dürfen", rügte sie den Bürgermeister als Chef der Verwaltung.

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Sprecher aller Fraktionen lobten zum Abschied Fichtl-Scholls Einsatz und ausgleichende Art in den Gemeinderatsdebatten. Der Bürgermeister hatte sie - vor ihrer Philippika - als "Bereicherung für unseren Gemeinderat" gewürdigt. Als Nachrücker wurde Sebastian Riedelbauch, 33, vereidigt, der von 2008 bis 2014 dem Gemeinderat schon für eine Periode angehört hatte. Sein Mandat antreten wird er aber erst im Januar.

© SZ vom 14.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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