Oberhaching:Großklangereignis

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Der Chor des Gymnasiums, Kammerchor und Kammerorchester Oberhaching sowie ein starkes Solisten-Ensemble begeistern unter Leitung von Ricarda Geary mit einer Aufführung von Mendelssohns "Elias" in St. Bartholomäus

Von Udo Watter, Oberhaching

Als sich endlich der Regen ankündigt, bleibt kein Auge trocken. "Es gehet eine kleine Wolke auf aus dem Meere", singt sanft der Knabe auf der Empore. Nach drei Jahren der Dürre wird der Himmel schwarz, der Herr hat seinen Propheten erhört und sendet gewaltige Wasserströme auf die Erde. "Dank sei dir Gott, du tränkest das durst'ge Land", jubelt das Volk Israel. Man darf vermuten, dass nicht wenige Zuhörer in St. Bartholomäus feuchte Augen bekommen haben, denn dieses Finale des ersten Teils von Felix Mendelssohn-Bartholdys "Elias" entfaltet eine fast unwiderstehliche Wirkungsmacht: erst zaghaft anrührend, wenn die glockenhell schwebende Stimme des von Gymnasiastin Clara Beckett gesungenen Knaben dem fragenden Elias antwortet, um dann euphorisierend in die wuchtige Entladung eines mitreißenden Chorgesangs und Streicherkaskaden zu münden.

Nun ist das 1846 uraufgeführte Oratorium überhaupt ein Werk, das mit seinen dramatischen Chorsätzen, bewegenden Solostücken und der packenden Handlung eine effektsichere sinnliche Schlagkraft entbreitet. Wenn man es freilich so inszeniert, wie Kammerchor und Chor des Gymnasiums und Kammerorchester Oberhaching unter der Leitung von Ricarda Geary, und wenn noch professionelle Gesangssolisten wie Ruth Ziesak (Sopran), Julian Orlishausen (Bass), Florence Losseau (Alt) und Julian Freibott (Tenor) ihren Part zum Gelingen beitragen, dann ist es ein Fest für die Sinne. Der "Elias" gilt ja zurecht als Höhepunkt von Mendelssohns kompositorischem Schaffen. Schon allein der Einstieg ist regelrecht packend, wenn Elias (Orlishausen) eindruckvoll dräuend die Dürrekatastrophe ankündigt, ehe das Orchester zur Ouvertüre anhebt, sich steigert und das Ganze in einem aufwühlenden Einsatz des gewaltigen Choraufgebotes ("Hilf, Herr") kumuliert.

Worum geht es in der Geschichte von Elias? Der Prophet kämpft im Nordreich Israel gegen Vielgötterei und den Baal-Kult, dem sich die Königsfamilie und ein Großteil des Volkes verschrieben haben. Er sagt die Dürre als Strafe Jahwes vorher und bittet diesen später um das Regenwunder. Im zweiten Teil des Oratoriums aber muss er in die Wüste fliehen, da ihn das aufgehetzte Volk umbringen will. Er nimmt erschüttert Abschied, doch Gott wacht über ihn, zeigt sich ihm und gibt ihm neuen Mut. Schließlich fährt Elias mit einem feurigen Wagen gen Himmel.

Man sagt, der protestantisch getaufte Mendelssohn habe mit diesem Werk, das er im Jahr vor seinem Tod vollendete, auch eine Brücke zum ursprünglichen Glauben seiner jüdischen Familie geschlagen. Elias gilt als wichtige Gestalt des Alten Testaments und Mendelssohn soll von dieser zornigen, starken Figur fasziniert gewesen sein. Dass er hier auch die Möglichkeit nutzte zur Komposition von "recht dicken, schweren und vollen Chören", wie er schrieb, macht seinen "Elias" so beliebt bei großen Vokalensembles. Geary schlug dementsprechend ein eher breit wogendes Tempo an, das die dramatisch-desperaten Komponenten ausmalte. Klangpreziosen, die auch außerhalb des Oratoriums bekannt sind, wie "Denn er hat seinen Engeln" oder "Hebe deine Augen auf" atmeten dagegen eine fast flotte Dynamik, Innehalten und etwaigen romantischen Verzögerungszauber vermeidend. Abgesehen von kleinen intonatorischen Mängeln und mitunter suboptimaler Höhenwucht der Tenöre überzeugten die Chöre mit homogener Klangfülle und dramaturgisch stimmigem Vortrag.

Auch das Kammerorchester Oberhaching agierte überzeugend. Unter Gearys Leitung gelang es den Klangkörpern, diverse Stimmungen zu entfalten. Die Solisten taten ihr Übriges: Die international renommierte Sopranistin Ruth Ziesak sang etwa eine Arie wie "Höre Israel" auf so unangestrengte Art kraftvoll, ausdrucksstark und geschmeidig, dass es ein Genuss war. Orlishausen setzte seinen schönen, gar nicht so dunkel timbrierten Bass immer wieder gut ein, ob in dramatischer Verlautbarung oder in Momenten spiritueller Erschütterung - ab und an hätte er ein bisschen zorniger sein können. Auch Losseau und Freibott überzeugten, waren aber nicht ganz so eindrucksvoll. Den euphorischsten Applaus erhielt freilich Geary, ohne deren Leidenschaft und Engagement es solch klangliche Großereignisse in Oberhaching nicht gäbe.

© SZ vom 01.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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