Neubiberg:Blitzgescheit

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Eine Forschergruppe der Bundeswehruniversität Neubiberg entwickelt Konzepte zum Schutz vor Einschlägen. Dafür messen sie auch am Hohen Peißenberg

Von Irmengard Gnau, Neubiberg

Wenn sich an einem lauen Sommerabend Gewittergrollen nähert, fürchten die meisten das jähe Ende des gemütlichen Beisammenseins unter freiem Himmel und sammeln ihrerseits leise grummelnd ihre Siebensachen zusammen. Nicht so Christian Paul. Der 26-Jährige blickt einem Gewitter meistens mit Vorfreude entgegen - denn wenn es richtig blitzt und donnert, erhält er wertvolles neues Messmaterial. Gemeinsam mit seinen Kollegen von der Bundeswehruniversität in Neubiberg erforscht Paul Blitze.

Besonders interessiert blickt Paul, seit 2016 als Doktorand wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Hochspannungstechnik und Blitzforschung von Professor Fridolin Heidler, dabei ins Alpenvorland. Im Landkreis Weilheim-Schongau, auf dem knapp 1000 Meter hoch aufragenden Hohen Peißenberg, unterhält die Bundeswehruniversität eine Messstation in luftiger Höhe. Seit 1978 steht auf dem Berg ein Fernsehturm; auf dessen Spitze, gut 150 Meter über dem Boden, ist eine sogenannte Blitzfangeinrichtung angebracht. "Damit möchten wir möglichst viele Blitze anziehen", erklärt Paul. Ist ein Gewitter in der Nähe, provozieren kleine Fangspitzen rund um die Turmspitze einen Blitzeinschlag in den Fernmeldeturm. Spezielle Messgeräte an der Spitze messen den Blitzstrom. Das Messsignal gelangt über ein Kabel zu einem Computer in der Messkabine im Fuße des Turms, wo es aufgezeichnet und ausgewertet wird; der Blitz wird über den Blitzableiter des Turms in die Erde abgeleitet.

Täglich blitzt es Schätzungen zufolge 100 Mal pro Sekunde irgendwo auf der Welt, hier an der A 9. Die Wissenschaftler versuchen, Konzepte zu erarbeiten, die beispielsweise Gebäude oder Windräder vor einem Einschlag schützen. (Foto: dpa)

Die Messstation am Hohen Peißenberg sei eine Art Musterprojekt in Deutschland, erklärt Paul: "Wir arbeiten mit einem sehr aufwendigen Verfahren. Auf diese Weise können wir das Signal aber so messen, wie es ist, wir messen quasi den natürlichen Strom und bekommen sehr genaue Werte." Dank ihrer Sensoren können die Forscher nicht nur die Stromstärke, Geschwindigkeit und Stromsteilheit eines Blitzes messen. Eine Hochgeschwindigkeitskamera ermöglicht es ihnen, auch die einzelnen Entwicklungsstadien mitzuverfolgen - 5000 Bilder pro Sekunde kann die Kamera aufnehmen. "Wir wollen Blitze noch besser verstehen", sagt Paul.

Täglich blitze es weltweit etwa hundertmal pro Sekunde, erklärt Paul, dabei werde wissenschaftlichen Schätzungen zufolge dauerhaft eine Energie von etwa 1000 Gigawatt frei. Die Entladungen eines Blitzes als elektrische Energie nutzbar zu machen, schiene angesichts solcher Werte äußerst reizvoll. Das aber ist leider nicht so einfach, erklärt Paul. "Damit sich ein Blitz entladen kann, braucht er einen Blitzkanal, der sich zum Beispiel zwischen Wolke und Erde aufbaut. Wenn sich der Blitz entlädt, wird der Kanal sehr heiß. Viel der Ladung geht so als Wärmeenergie verloren." Hinzu komme, dass sich eine sehr hohe Energie in sehr kurzer Zeit entlade, sodass es bislang nicht möglich ist, diese zu speichern.

Elektrotechnikingenieur Christian Paul mit einer ausrangierten Fangspitze im Labor der Bundeswehruni. (Foto: Universität der Bundeswehr Neubiberg)

Gleichwohl faszinieren Blitze die Wissenschaftler. "Blitze sind sehr vielfältig", sagt Paul. Allein am Hohen Peißenberg habe das Team Blitze mit Stromstärken von 1000 Ampere bis zu 50 000 Ampere gemessen. Zu den Forschungsschwerpunkten der Wissenschaftler in Neubiberg zählt die Ortung von Blitzen. Außerdem entwickeln sie Blitzschutzkonzepte, etwa für Gebäude, Flugzeuge, Satelliten oder Windräder. Ihre Forschungsergebnisse, gewonnen im Labor oder am Hohen Peißenberg, fließen unter anderem in die DIN-Normen ein, die der Verband der Elektrotechnik, Elektronik und Informationstechnik (VED) beim Blitzschutz in Deutschland vorschreibt.

© SZ vom 05.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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