Naturbad Höhenkirchen-Siegertsbrunn:Da fließt noch viel Wasser

Lesezeit: 3 min

Etwa 1430 Bürger machen sich für ein Naturbad am Ortsrand stark. Zum Problem könnte weniger der Standort - ein Biotop - als die finanzielle Umsetzung werden, denn die Gemeinde müsste wohl den Bau bezahlen.

Von Anna Reuß, Höhenkirchen-Siegertsbrunn

Das Interesse an einem Badesee in Höhenkirchen-Siegertsbrunn ist offenkundig gewaltig: Um Punkt 19 Uhr, als Bürgermeisterin Ursula Mayer (CSU) auf die Funkuhr über der Eingangstür des Gemeindesaals blickt und sagt: "Wir fangen hier pünktlich an", kommen immer noch Leute herein. Die Besucherreihen sind voll besetzt, sodass für die Stehenden kurzerhand Stühle aus dem Rathaus geholt werden.

Die meisten sind wegen Tagesordnungspunkt fünf der Gemeinderatssitzung gekommen: eine Präsentation des Vereins Naturbad. Ob die Gemeinde eines Tages einen Badesee bekommt, ist auch nach der Sitzung völlig offen. Der Verein muss zunächst einen Antrag auf Errichtung eines Naturbads stellen.

Von den rund 10 000 Einwohnern sind bereits 1430 Mitglied in dem Verein. Dessen Anliegen: der Bau eines Naturbads in Höhenkirchen. Naturbäder sind vergleichbar mit kleinen Seen, deren Wasserkreislauf jedoch in sich geschlossen ist, wobei die Reinigung Pflanzen und Aufbereitungsanlagen übernehmen. Ein passendes Grundstück hat Bürgermeisterin Mayer dem Verein, der 2012 gegründet worden war, nach "mehrjähriger vergeblicher Suche" inzwischen angeboten.

Erdkröte, Bergmolch und Klappergrasmücke

Der Verein hatte im März 2016 ein Landschaftsarchitekturbüro damit beauftragt, eine artenschutzrechtliche Prüfung des Grundstücks vorzunehmen. Landschaftsarchitekt Matthias Schwahn war als Sachverständiger in die Sitzung am Donnerstag gekommen, um die Ergebnisse seines Gutachtens darzulegen und die Fragen der Gemeinderäte und Bürger zu beantworten. Es war die Rede von Erdkröte, Bergmolch und Klappergrasmücke - dennoch lässt sich Schwahns Fazit so verstehen, dass dort keine gefährdeten Pflanzen oder Tiere leben, deren Schutz ein Naturbad verhindern würden. Trotz allem sei das Grundstück mit dem Tümpel "derzeit das wertvollste Biotop auf dem Gemeindegebiet", sagte er und plädierte für ein Naturbad, in dem "das Wort Natur nicht zu kurz kommt". Je stärker das Vorhaben einem kommerziellen Schwimmbad ähneln wird, etwa durch den Betrieb eines Kiosks, desto gravierender sei der Eingriff in die Natur.

Eine Planskizze vom Naturbad. (Foto: Claus Schunk)

"Also, sicher ist nun, dass wir kein naturschutzrechtliches Problem bekommen", sagte Mayer nach der Präsentation. Allerdings wies sie auf einen früheren Beschluss hin, wonach der Gemeinderat dem Vorhaben zwar "wohlwollend" gegenüberstehe, jedoch bisher keine finanzielle Beteiligung vorsieht. Dies könnte der entscheidende Faktor in der Debatte um das Naturbad werden, da der Verein eine finanzielle Beteiligung der Gemeinde einfordert.

Die Kosten für den Bau schätzt der Verein auf etwa 1,5 Millionen Euro, zuzüglich der Kosten für die Erschließung. Die jährlichen Betriebskosten betragen zwischen 50 000 und 70 000 Euro. Diese könnten jedoch bereits jetzt durch die Mitglieder gedeckt werden, erklärt Beiratsmitglied Georg Hampe. Er rechnet vor, dass momentan rund 460 Familien im Verein sind, die in Zukunft den Jahresbeitrag von 120 Euro zahlen würden; dies allein ergäbe schon rund 55 000 Euro. Außerdem habe der Verein durch einen symbolischen Mitgliedsbeitrag von bisher zwölf Euro jährlich pro Familie schon rund 15 000 Euro angespart. Hampe geht davon aus, dass noch mehr Mitglieder in den Verein eintreten, wenn sich die Umsetzung konkretisiert. Ausgetreten seien bisher nur wenige, "obwohl wir den Mitgliedern seit Jahren nichts außer der Idee und einem rührigen Verein zu bieten haben". Dies spreche für das glaubhafte Interesse der Einwohner Höhenkirchen-Siegertsbrunns.

Abgesehen von den Baukosten, welche wohl zum Großteil die Gemeinde tragen müsste, könnte es einen weiteren Haken geben: Im Boden befinden sich möglicherweise Altlasten, da solche schon bei den nahegelegenen Sportplätzen gefunden wurden. Unter der Oberfläche lagert Restmüll, der vor Jahrzehnten vergraben und mit Kies bedeckt wurde.

Schwimmunterricht in der Praxis

Vor der Sitzung waren interessierte Bürger zu einem Treffen an jenem Grundstück gekommen, wo das Naturbad einmal entstehen soll. Die Fläche liegt am Ortsrand hinter den sogenannten Feel-Home-Häusern an der Ottobrunner Straße, wo momentan Asylbewerber leben. An dem idyllisch gelegenen Grundstück, auf dem Gräser und Büsche wild wuchern, sprachen die Vertreter des Vereins vor allem von den Vorteilen, die ein solches Bad für die Gemeinde hätte.

Seit Jahren kämpft der Verein um ein Naturbad. Es gab auch schon Informationsveranstaltungen im Hirschwinkel. (Foto: Claus Schunk)

Beunruhigend sei eine Umfrage der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG), wonach jeder zweite Grundschüler nicht schwimmen kann. Im Naturbad könnten Schüler der Gemeinde Schwimmunterricht und Praxis bekommen. Ingrid Sepp, Mitglied im Beirat des Vereins, sprach außerdem über das subjektive Sicherheitsempfinden der Bürger: "Würden Sie Mädchen alleine durch den Wald zum Kastenseeoner See oder Steinsee radeln lassen?" Im Winter könnten die Höhenkirchener und Siegertsbrunner zudem auf der Eisfläche des Sees Schlittschuhlaufen.

Nun muss der Verein einen offiziellen Antrag zur Errichtung eines Naturbades beim Gemeinderat stellen, sodass dieser über die nächsten erforderlichen Schritte entscheiden kann. Die Umsetzung auf dem Grundstück an der Hirschwinkelstraße sei so etwas wie die letzte Chance des Vereins, sagte Hampe am Rande der Grundstücksbegehung: "Wenn nicht dort, wird es aus unserer Sicht kein Bad geben."

© SZ vom 30.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: