Nähkunst:Passt wie angegossen

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Erst wird Maß genommen: Mit Stoffresten fertigt Andrea Wenig ein Muster, aus dem anschließend mit dem richtigen, teuren Stoff das Trachtenkleid genäht wird. (Foto: Claus Schunk)

Wer sich auf dem Münchner Oktoberfest von der großen Masse abheben will, schneidert sein Dirndl selbst. In einem Kurs bei der Volkshochschule Haar zeigt Andrea Wenig, worauf Frau zu achten hat

Von Nadja Tausche, Haar

Rund sechs Millionen Menschen zieht es jedes Jahr auf das Oktoberfest. Die Hälfte davon sind Frauen, der Großteil der Besucherinnen dürfte in Tracht kommen - das macht fast drei Millionen Dirndl auf der Theresienwiese. Wer so rechnet, den kann schon einmal das Bedürfnis überkommen, sich mit seinem Gewand von der Masse abzuheben. Wie das gehen kann, hat Andrea Wenig am Wochenende an der Volkshochschule in Haar gezeigt.

Dort fand am Samstag und Sonntag ein Kurs zum Selberschneidern statt. Sechs Teilnehmerinnen hatten sich angemeldet, unter ihnen drei Dirndl-Schneiderinnen. Die Stoffe hatten alle selbst mitgebracht. In zwei Tagen ein Trachtenkleid zu nähen, ist zwar so gut wie unmöglich, aber zumindest den schwierigsten Teil sollten die Teilnehmerinnen bis zum Sonntagnachmittag geschafft haben: das Oberteil.

Der erste Schritt hin zum fertigen Outfit ist aber nicht das Nähen mit den gekauften Stoffen, sondern mit billigeren Probematerialien. Damit fertigen die Teilnehmerinnen zunächst ein Muster an. Kursteilnehmerin Saskia steckt als erstes einzelne Stoffteile ihres Musters mit Stecknadeln zusammen: Die Rückseite des Oberteils hat sie bereits fertig, jetzt folgt das Vorderteil. Dabei muss sie alles genau abmessen. Denn: "Mit einem Dirndl ist das anders als mit einem T-Shirt, das muss sehr gut passen." Zwei Stofffetzen bleiben am Ende übrig, ihre Freundin Franziska kommt ihr zu Hilfe: Die Teile gehören an die Seiten, damit werden Vorder- und Rückseite zusammengenäht.

Seit acht Jahren unterrichtet Wenig an der Volkshochschule in Haar, die Nähkurse speziell für Dirndl bietet sie in diesem Jahr zum ersten Mal an. Bereits im Januar und im Juli hatte sie mit Kursteilnehmerinnen Dirndl genäht, damit die rechtzeitig zum Oktoberfest fertig werden - dafür wird es für die Exemplare aus dem Kurs von diesem Wochenende wohl nicht mehr reichen. Für die Dirndl-Kurse müssen die Teilnehmer bereits Nähkenntnisse mitbringen, in vielen anderen Kursen von Wenig sind hingegen sowohl Anfänger als auch Profis dabei. Dass sich die Teilnehmer gegenseitig helfen, sei das Schöne, findet die Kursleiterin: "Es sind viele da, die schon nähen können, aber die Gemeinschaft macht es."

Bevor die Teilnehmerinnen anfangen, mit dem richtigen Stoff zu arbeiten, probieren sie das Muster an. Sigrid Maier zieht das provisorische Oberteil über ihr T-Shirt, Wenig steckt es mit Nadeln fest. Später wird sie es wieder auseinanderschneiden und auf den gekauften Stoff legen, um ihn zuzuschneiden. So wird sichergestellt, dass alle Maße passen. Sigrid Maier reicht ein neues Oberteil, einen Rock braucht sie nicht: Den habe sie noch vom alten Dirndl, das sie noch in D-Mark bezahlt habe, nur das Oberteil passe nicht mehr.

Ein selbst geschneidertes Dirndl hält zwar lange, das Selbstnähen ist aber nicht billig. "Wenn man Glück hat, bekommt man den Stoff für hundert Euro", sagt Wenig. Zusätzlich zahlen die Teilnehmer die Kursgebühr; knapp 90 Euro kosten die zwei Tage. Den Frauen an diesem Samstag ist es das wert: "Wo der Stoff so teuer war, hole ich mir lieber Unterstützung", sagt Franziska. Außerdem sei Selbstnähen wesentlich billiger, als sich ein Kleid zu kaufen, ergänzt Wenig: Ein gutes Dirndl koste im Geschäft schließlich leicht 500 Euro. Und ist bei weitem nicht so individuell.

© SZ vom 25.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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