Münchnerin verklagt Unfallklinik:"An Dramatik kaum zu überbieten"

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Gefährliche Panne oder "verwirklichtes Risiko"? Wegen vermeintlicher Behandlungsfehler verklagte eine Münchnerin eine Unfallklinik. Ein Gutachter entlastete nun die Ärzte vor Gericht.

E. Müller-Jentsch

Während in den Bergen die neue Wintersportsaison startet, hat sich das Oberlandesgericht München mit den fürchterlichen Folgen eines Skiunfalls befassen müssen, der vor sieben Jahren passiert ist. Eine Münchnerin war auf einer Piste in Tirol gestürzt und hatte sich einen Lendenwirbel gebrochen. Als wäre das nicht schon schlimm genug, passierte bald darauf in einer Unfallklinik noch ein schrecklicher Fehler, der die Frau fast das Leben gekostet hätte. Allerdings tragen die Ärzte daran offenbar keine Schuld, wie sich nun vor Gericht heraus kristallisierte.

Der Skiunfall war für die Klägerin vor dem Münchner Oberlandesgericht nur der Anfang einer schlimmen Leidensgeschichte - ein Eingriff in der Unfallklinik brachte die Frau in Lebensgefahr.  (Foto: ddp)

Zahlen, aber nur freiwillig, solle sie aber trotzdem ein kleines Schmerzensgeld, ermunterte das Gericht die verklagte Unfallklinik. "Weil dieser Fall an Dramatik kaum zu überbieten ist", erklärte die Senatsvorsitzende.

Das kleine örtliche Tiroler Krankenhaus hatte sich nicht in der Lage gesehen, den buchstäblich zerdrückten Wirbel fachgerecht zu behandeln. Deshalb wurde die Patientin in die hoch spezialisierte bayerische Unfallklinik verlegt. Zur Stabilisierung des Knochens wurde ihr dort mit minimalinvasiver Operationstechnik eine sogenannte Macs-Platte eingesetzt. Dabei kam es dann fast zur Katastrophe: Eine Schraube, mit der die Metallschiene befestigt werden sollte, bohrte sich bei der Patientin in die Bauchschlagader, und diese zerriss.

Die Frau erlitt einen Schock und musste in ein künstliches Koma versetzt werden. Viele Bluttransfusionen waren notwendig, um die Frau am Leben zu erhalten. Dann flickten die Ärzte das beschädigte Hauptblutgefäß notdürftig.

In einem Münchner Großklinikum, in das die Frau umgehend verlegt wurde, entfernten Gefäßchirurgen bald darauf das beschädigte Stück Aorta und ersetzten es durch eine Prothese. Trotzdem kam es zu weiteren Massenblutungen im Bauchraum, und die Nieren der Frau versagten. Es zeigte sich, dass die Stabilisierungsplatte noch an einer anderen Stelle die Aorta aufscheuerte. Insgesamt wurden noch sieben weitere Operationen notwendig - bis heute leidet die Frau unter den Folgen.

Ein vom Gericht beauftragter Gutachter, Experte für Orthopädie und Unfallchirurgie, erläuterte dem Medizinsenat nun anhand von OP-Videos und Wirbelsäulen-Modellen den Eingriff mit dem Macs-System, das in zwei großen Werkzeugkästen in den Gerichtssaal mitgebracht worden war.

Dieser Fachmann machte dem Gericht klar, dass aber keineswegs handwerkliche Fehler der Operateure zu der fast tödlichen Panne geführt hatten. Vielmehr habe sich hier schicksalhaft ein Risiko verwirklicht, das normalerweise unter einem Prozent liege. Echte Alternativen zu diesem Eingriff hätte es aber nicht gegeben. Das System sei damals zwar noch ziemlich neu, jedoch zertifiziert und zugelassen gewesen - bis heute gebe es nichts besseres.

Das Gericht machte daraufhin der Betroffenen klar, dass ihre Klage kaum Aussicht auf Erfolg habe. "Aber es ist kein Allerweltsfall, denn er ist an Dramatik kaum zu überbieten" und die Klägerin habe für immer massive gesundheitliche Probleme, sagte die Vorsitzende. "Wenn auch nicht im juristischen Sinne", sollte der Klinik aus diesen Gründen eine Kulanzzahlung naheliegen, meinte sie. "Die Patientin ist schwer geschädigt - auch wenn die Ärzte nichts dafür können."

Der Senat schlug als Summe 5000 Euro vor - das Zehnfache hatte die Frau einklagen wollen. Die Betroffene willigte ein, die Klinik bekam bis zum 18. November Bedenkzeit. Sollte sie ablehnen, wird Mitte Dezember das Urteil verkündet.

© SZ vom 06.11.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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