Theater:Überleben auf der Schotterzunge

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Garching im Jahr 960 - harte Zeiten auch für den Gfildnervater, der um seine Kinder und die Existenz kämpft. Mit dem Stück "Der Weiße Wisent" will der Verein Theater für Kinder den Nachwuchs für Geschichte begeistern

Von Cathrin Schmiegel

Garching - Gegenüber dem Theater im Römerhof in Garching befindet sich eine Scheunentür. Sie führt in einen kleinen, niedrigen Raum. Es ist düster, die staubigen Fenster lassen kaum einen Sonnenstrahl hindurch. An Rohren, die bis zu der niedrigen Betondecke reichen, hängt ein Tarnnetz mit Blättern und Geäst. In einer Ecke ist eine kleine Holzhütte aufgebaut, eine selbstgezimmerte Bank lädt zum Sitzen ein.

Die Requisiten gehören zu einem Theaterstück, das hier geprobt wird. Am 27. Juni feiert "Der Weiße Wisent" seine Uraufführung. Gegenüber aber, im Theater im Römerhof, dessen Räume erst wenige Tage vor der Aufführung frei werden.

Geschrieben hat das Theaterstück der Autor Wilfrid Grote für die 1100-Jahrfeier Garchings. Es macht die Geschichte der Gemeinde erlebbar, katapultiert den Zuschauer in die Zeit um das Jahr 960: Nach der Schlacht im Lechfeld hausen hier noch immer ungarische Krieger, die fast unfruchtbare Garchinger Schotterzunge macht ein Überleben schwer. Auch der alleinerziehende Gfildnervater, gespielt von Claus Obalski, kämpft mit seinen Kindern Fannie (Anke Sabrina Beermann) und Otterl (Gabriel Wonn) um seine Existenz. Die Geschichte findet ihren dramatischen Höhepunkt, als der Vater in dem dichten Auwald verloren geht. "Ich wollte eine Geschichte aus dem damaligen Alltag wiedergeben", sagt Grote, "herausgekommen ist ein Märchen aus jener Zeit, in der Garching entstand".

Die temperamentvolle Ungarin (Ditte Schupp). (Foto: Stephan Rumpf)

Trotz aller Düsternis: Das Stück ist für Kinder von sechs Jahren an konzipiert. Der gemeinnützige Verein Theater für Kinder Garching (TfKG) steht dahinter. "Wir machen ein Theater für das Erwachsene im Kind", sagt Grote und lacht. Für die Eltern ist ein Besuch der Aufführung deswegen sehr attraktiv. Auf ein paar Eigenheiten hat das Produktionsteam dennoch geachtet, um das junge Publikum bei Laune zu halten. "Das Stück darf nicht zu lang sein", sagt Heinrich Führmann, "wir haben sehr auf die Aufmerksamkeitsspanne der Kinder geachtet". Führmann ist Produktionsleiter und Vereinsmitglied. Knapp 60 Minuten lang wird die Spielzeit sein, etwas länger als eine Schulstunde. Dem Regisseur der Produktion, Cornelius Gohlke, war noch etwas anderes wichtig: "Wir brauchen ein Bühnenbild, das Platz lässt für die Phantasie der Kinder." Lässt man den Blick über die Requisiten wandern, versteht man, was er meint: Wenige Tarnnetze deuten den dicht bewachsenen Auwald an, eine blaue Plane, auf der sich das Scheinwerferlicht bricht, glitzert wie Isarwasser. Und die Tür der hölzernen Hütte führt ins Nirgendwo.

TfKG hat sich erst im Frühjahr dieses Jahres gegründet, "Der Weiße Wisent" ist das erste Projekt der Gruppe. "Wir wollten ein anspruchsvolles Theater für Kinder schaffen, das sie fordert, aber nicht überfordert", sagt Führmann. Er war es, der den Verein zusammen mit Grote ins Leben gerufen hat. Die beiden kannten sich aus der Zeit, in der Grote noch im Theater der Jugend aktiv war. Man traf sich in Garching dann zu einem Spaziergang und diskutierte darüber, welche kulturellen Angebote der Stadt fehlten. Neben anderen Ideen fiel das Augenmerk auf ein Theater für und auch mit der Jugend: "Ich will den Kindern damit etwas Positives mitgeben, solange sie noch nicht vom Alltag verdorben sind", sagt Grote in gewohnt gewählten Worten, "ich möchte ihnen einen schönen Stachel ins Fleisch setzen".

Proben zum Stück: Anke Sabrina Beermann als Fannie (links) und als Gfildnervater Claus Obalski. (Foto: Stephan Rumpf)

Auch nach der Aufführung des ersten Stückes will TfKG weiterwirken und dabei nicht mehr nur Theater für Kinder machen, sondern auch mit ihnen. Einen Proberaum dafür hat der Verein bereits gefunden. "Jetzt brauchen wir noch einen Platz, in dem wir das alles aufführen können", sagt Grote. Das Theater im Römerhof stehe nicht immer zur Verfügung, das Bürgerhaus sei für derlei Aufführungen wegen der falschen Atmosphäre ungeeignet. Dass es nicht leicht sein wird, etwas geeignetes zu finden, ist Grote durchaus bewusst. "Räume, in denen Jugendliche heutzutage zusammenkommen können, gibt es immer weniger", beklagt er. Das liege oft auch an den fehlenden Geldern dafür. Doch gerade die Kulturarbeit bei jungen Menschen ist ihm wichtig. "Sie sind es immerhin, die später unsere Kultur und Gesellschaft bestimmen".

© SZ vom 23.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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