Gesundheit:"Demenz muss kein Drama sein"

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Hans Förstl ist Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie im Klinikum rechts der Isar. (Foto: privat)

Der Neurologe und Psychiater Hans Förstl ist überzeugt davon, dass Arbeit gegen den Verlust geistiger Fähigkeiten hilft

Interview von Gudrun Passarge, München

Hans Förstl, 60, ist Neurologe und Psychiater. Als Direktor der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie im Klinikum rechts der Isar kommt der Professor häufig mit Demenzkranken in Berührung. In seinem Vortrag beim Fachtag Demenz im Landratsamt hat Förstl betont, dass diese Krankheit bereits vor 5000 Jahren bekannt war. Dort wird in einem ägyptischen Papyrus beschrieben, wie jemand stets vergisst, was gestern passiert ist. Förstl sieht Demenz als Alterserscheinung, die alle angeht. Er sieht aber auch Hoffnung, dass in Zukunft Therapien zur Verfügung stehen werden, die bestimmte Formen demenzieller Erkrankungen hinausschieben oder verhindern können. Derzeit werden vor allem Impfstrategien gegen Alzheimer wissenschaftlich untersucht.

SZ: Was ist überhaupt Demenz?

Hans Förstl: Demenz bedeutet den Verlust geistiger Fähigkeiten von solcher Schwere, dass der Alltag nicht mehr wie gewohnt bewältigt werden kann. Demenz ist aber nur der Oberbegriff, dahinter verstecken sich Hunderte von Erkrankungen, die das Gehirn direkt oder indirekt schädigen können. Die häufigste Form ist die gemischte Demenz, also etwa Alzheimer plus Durchblutungsstörungen. Die häufigste Ursache von Demenz ist bei uns die Alzheimer Krankheit.

Welches Risiko besteht für jeden Einzelnen, dement zu werden?

In der westlichen Welt erlebt ein Drittel die eigene Demenz. Hauptrisikofaktor ist das Alter. Andererseits werden im Vergleich heute pro Altersstufe deutlich weniger Menschen dement als vor 20 Jahren, weil die Menschen wohl einiges gelernt haben und richtig machen. Gleichzeitig steigt die Lebenserwartung an und damit der Hauptrisikofaktor, an Demenz zu erkranken.

Was kann man dagegen tun?

Viel. Man muss angreifen bei den großen Volkskrankheiten Bluthochdruck und Diabetes mellitus, man kann etwas tun gegen Bewegungsmangel und Depression. Gerade bei einer Depression ist es wichtig, konsequent psychotherapeutisch oder mit modernen Antidepressiva dagegen vorzugehen. Klug eingesetzt können sie Stoffwechselprobleme im Gehirn beheben, die ansonsten zu Demenz beitragen würden. Und man muss natürlich aufhören zu rauchen, solange man noch nicht dement ist. Außerdem gibt es Menschen, die eine Veranlagung zu Demenz geerbt haben. Und solche, die nie die Chance hatten, eine Ausbildung ihrer Wahl zu machen und vielleicht auch nicht ihre geistigen Fähigkeiten voll entwickeln konnten. Ungünstige oder nicht wahrgenommen Chancen in der Aus- und Weiterbildung sowie im Beruf erhöhen statistisch das Risiko einer Demenz.

Sie vertreten die Ansicht, Demenz muss kein Drama sein.

Es ist jedenfalls nicht immer das große Drama, als das es in den Medien gern dargestellt wird. Die meisten bekommen erst im hohen Alter eine leichte Demenz und finden sich damit in ihrem Alltag noch einigermaßen zurecht. Erst wenn sich die Umgebung verändert und Stress hinzukommt, verursacht die Demenz größere Probleme. Oft ist der Verlauf ganz milde.

Sie sprechen vom erfolgreichen Altern. Was verstehen Sie darunter?

Dass wir altern können, das ist ja schon ein Erfolg. Zum zweiten müssen wir versuchen, dass wir mit möglichst wenig Belastung oder Leiden ins Alter kommen. Altern führt zu einem gewissen Abrieb in der geistigen Leistungsfähigkeit, vor allem was die Flexibilität betrifft. Aber einige besonders alte Zeitgenossen, haben im Lauf ihre Lebens auch ein hohes Maß an Raffinesse entwickelt, mit der sie beeindrucken können. Taktvollerweise werden daher Hundertjährige nicht systematisch irgendwelchen Demenztests unterzogen, die dann ohnehin prompt belegen würden, was zu erwarten war.

Als ein Mittel gegen Demenz fordern Sie unter anderem auch "keine Rente ohne Arbeit". Wie soll das aussehen?

Sozialer Austausch sorgt für menschlichen Zusammenhalt und ist das Grundprinzip unserer Gesellschaft. Arbeit ist auch ein geeigneter Vorwand, um Kontakt zu halten. Heute wird aber Rente bezahlt, damit die älteren Leute ihre Arbeitsplätze frei machen und damit aus diesem Austauschprozess ausscheiden. Jeder würde sich besser fühlen und effektive gesundheitliche Vorsorge betreiben, wenn er nicht nur entgegen nehmen, sondern sich seinen Fähigkeiten entsprechend aktiv einbringen könnte. Und damit meine ich nicht ein freiwilliges Ehrenamt, sondern eine ganz bescheidene, im weitesten Sinn soziale Tätigkeit als Voraussetzung für den Erhalt der vollen Rente. Realistische Chancen für eine Umsetzung dieses gesundheitsförderlichen Vorschlags sehe ich selbstverständlich nicht.

© SZ vom 04.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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