Landkreis:Kraftakt

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Bisher gibt es im Landkreis meist nur provisorische Betten für Flüchtlinge. (Foto: unk)

Eine Stabsstelle für Asyl mit 150 Mitarbeitern soll die Kräfte im Landratsamt bündeln. Eine der wichtigsten Aufgaben wird es sein, bis Ende 2016 Unterkünfte für mindestens 9000 Flüchtlinge zu finden

Von Martin Mühlfenzl, Landkreis

Der Landkreis München stellt sich in der Flüchtlingspolitik neu auf. In diesen Tagen, in denen immer mehr Flüchtlinge ins Land kommen, muss der Landkreis seine Schätzungen korrigieren. Aktuell geht Landrat Christoph Göbel (CSU) davon aus, dass der Kreis bis Ende 2016 mindestens 9000 Flüchtlinge eine Unterkunft wird stellen müssen. "Und wir wissen nicht, ob diese Prognose zu halten ist", sagt Göbel am Donnerstagnachmittag.

In der Nacht von Dienstag auf Mittwoch hatten die Flüchtlinge aus Budapest auch den Landkreis erreicht. Um der Landeshauptstadt bei der Bewältigung des Ansturms zu helfen, hatte Göbel der Regierung von Oberbayern das Tenniscenter in Keferloh als provisorische Erstaufnahmeeinrichtung angeboten; unter enormen Anstrengungen ist es den freiwilligen Helfern gelungen, die Hallen herzurichten. Bisher sind dort mehr als 350 Menschen untergebracht. Diese Einrichtung, sagte Göbel, werde aller Voraussicht aber nur noch bis Samstagnachmittag Bestand haben.

Nicht zuletzt der Zustand der Anlage, der Göbel zufolge "weit, weit, weit unter allen Standards" liege, drängt die Kreispolitik und die Verwaltung des Landratsamts nun zur Eile bei der Neustrukturierung der Flüchtlingspolitik. Im Landratsamt selbst wird nun eine sogenannte Stabsstelle Asyl geschaffen, in der sich bis zu 150 Mitarbeiter ausschließlich um Flüchtlinge und Asylbewerber, deren Aufnahme und Verfahren sowie die Unterbringung kümmern werden. "Wir müssen die Kräfte bündeln, sonst können wir die Prozesse nicht mehr kontrollieren und stoßen intern an unsere Grenzen", sagt Göbel. Hierzu müssten freilich auch neue Stellen geschaffen werden; die Mittel hierfür stehen im Kreishaushalt des Jahres 2015 bereit. Im Etat 2016 müsse die Entwicklung der Flüchtlingsströme ebenfalls berücksichtigt werden, sagt Göbel; eine Erhöhung der Kreisumlage und dadurch eine zusätzliche Belastung der Kommunen konnte der Landrat nicht ausschließen.

Die große Herausforderung der neuen Stabsstelle wird freilich weiterhin die Unterbringung der Flüchtlinge bleiben. Momentan sind es mindestens 92 Schutzsuchende in der Woche, die dem Landkreis von der Regierung von Oberbayern zugewiesen werden. Darunter auch immer wieder unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, die besonderer Aufmerksamkeit und Betreuung bedürfen. Momentan sind es im Landkreis 122; alleine 50 sind in den Räumen der Diakonie in Hohenbrunn untergebracht. Als Sofortmaßnahme hat Göbel nun in Verhandlungen mit dem Kreisjugendrind (KJR) erreicht, dass die Jugendherberge Burg Schwaneck in Pullach in eine Unterkunft für Flüchtlinge umgewandelt wird. "Das ist ein großes Zugeständnis, dass der KJR die Burg zur Verfügung stellt. Sie ist eine seiner größten Einnahmequellen", sagte Göbel. Auch an der Jugendbegegnungsstätte am Tower in Oberschleißheim werden wieder Container für unbegleitete Minderjährige aufgestellt.

Den bisherigen Mix aus Turnhallenbelegungen, Traglufthallen und Containern bei der Unterbringung von Flüchtlingen aber könne der Landkreis auf Dauer nicht beibehalten, sagte Göbel: "Wenn wir so weitermachen, fehlen uns bereits im kommenden Jahr 1500 Plätze. Wir haben deshalb unsere Suche nach neuen Grundstücken und Standorten intensiviert und von vielen Eigentümern, Betrieben und Gemeinden auch schon Rückmeldungen bekommen." Der Kreis müsse wieder verstärkt in die dezentrale Unterbringung in festen Unterkünften wie in Unterhaching, Sauerlach, Garching oder bald auch in Kirchheim investieren - mit neuen Projekten in Holzständerbauweise oder dem Umbau von Gewerberäumen. "Bisher fehlte uns die Zeit, um neue Unterkünfte zu bauen. Wir konnten immer nur auf neue Entwicklungen reagieren", sagte Göbel. Hier müsse ein Umdenken stattfinden.

Gleichwohl werde der Kreis nicht umhin kommen, weiterhin auf Traglufthallen zu setzen. Sechs Standort sind bereits gesichert; die Stadt Unterschleißheim hat dem Landkreis zugesichert, einen Standort für eine siebte Traglufthalle zu finden. Allerdings machte Göbel auch deutlich, dass an dem Zeitplan, Traglufthallen nur zwölf Monate lang in Betrieb zu lassen, festgehalten werden soll. Wie auch kurzfristige Maßnahmen - etwa erneute Belegungen von Turnhallen wie in Kirchheim, wo am Donnerstag 50 Flüchtlinge untergebracht worden sind - nicht auszuschließen sind.

Der Spagat zwischen schnellem Handeln und langfristigen Problemlösungen werde den Landkreis verstärkt beschäftigen. Denn eins stellte der Landrat angesichts der Prognosen auch klar: "Bis zu 90 Prozent der Flüchtlinge werden dauerhaft hier bleiben. So weit müssen wir schon heute denken."

© SZ vom 04.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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