Landkreis:Etat light

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Landrat Christoph Göbel (CSU) will in den Kreishaushalt für 2016 nur noch Punkte aufnehmen, die absolut notwendig sind. (Foto: unk)

In den ersten Beratungen für das Jahr 2016 wird deutlich, dass eine Erhöhung der Kreisumlage ebenso unumgänglich ist wie ein Nachtragshaushalt - doch den Politikern fällt es schwer, exakt zu kalkulieren

Von Stefan Galler, Landkreis

Wer würde nicht gerne eine Glaskugel besitzen, mit der man den Blick in die Zukunft wagen kann, um sich für bevorstehende Herausforderungen zu wappnen. Da es derlei Hokuspokus nur im Märchen gibt, müssen sich auch die Politiker des Landkreises München mit den zur Verfügung stehenden realistischen Werkzeugen begnügen, wenn sie Unwägbarkeiten gegenüber stehen. Im aktuellen Fall der Haushaltsplanung für 2016 gibt es gleich mehrere große Fragezeichen - und sie alle betreffen den Themenkomplex Asyl. Weil Landrat Christoph Göbel (CSU) und seine Mitstreiter im Kreistag partout nicht wissen, wie viele Flüchtlinge 2016 in den Kreis kommen, inwiefern die Finanzierung der Asylsozialbetreuung gesetzlich überarbeitet wird und welche Auswirkungen die angekündigte Beschleunigung der Verfahren tatsächlich nach sich ziehen, deutet vieles darauf hin, dass man sich bis Mitte Dezember nur auf einen vorläufigen Haushaltsplan, sozusagen auf einen "Landkreisetat light" einigen wird. Dieser würde dann nur noch eine Erhöhung der Kreisumlage um 2,4 Prozentpunkte bedingen - nicht wie zunächst kalkuliert, um 3,9 Prozentpunkte.

Denn der Haushalt soll nach Meinung Göbels nur die eindeutig zu kalkulierenden und notwendigsten Ausgaben beinhalten, um die Kommunen - zumindest vorerst - nicht über Gebühr zu belasten. Die Eckdaten dieser Idee präsentierten der Landrat und Kämmerer Markus Kasper in der Sitzung des Kreis-Finanzausschusses am Montagnachmittag. Bereits am Morgen hatte Göbel die Fraktionschefs und deren Stellvertreter im Landratsamt empfangen, um mit ihnen seinen Vorschlag der deutlich geringer angehobenen Kreisumlage zu besprechen. Ursprünglich hatte die Verwaltung eine Umlageerhöhung von 42 auf 45,9 Prozentpunkte in die Sitzungsvorlage geschrieben. Diese satte Forderung, die manche ärmere Gemeinde in massive Nöte gestürzt hätte, bezeichnete Göbel als "Worst-Case-Szenario". Sie hätte rund 40 Millionen Euro mehr in die Kassen des Kreises gespült und hätte alle mutmaßlichen Kosten abgedeckt, die bei der aktuell prognostizierten Zahl von 9000 Flüchtlingen, die bis Ende 2016 in den Landkreis gekommen sein werden, anfallen würden.

Genau hier setzt der Landrat an: "Das ist eine Radikallösung", so Göbel. "Alles, was wir zurückstellen können oder querfinanziert wird, nehmen wir vorerst aus dem Etat." Dabei gehe es nicht darum, "waghalsiges Risiko" einzugehen, so der CSU-Politiker: "Wir wollen den Flüchtlingszustrom in den ersten Monaten 2016 genau betrachten, um uns dann mit einem Nachtragshaushalt rüsten zu können."

Konkret würde eine Realisierung von Göbels Plan bedeuten, dass im gesamten Themenbereich Asyl (inklusive Flüchtlingsstellen im Jobcenter) nicht wie zunächst kalkuliert rund 180 Stellen in der Verwaltung geschaffen werden, sondern gerade mal 85. Auch bei den allgemeinen Stellen wird vorerst nicht viel passieren: 36 neue Jobs hatte die Verwaltung gefordert, lediglich bei 5,5 davon sieht der Landrat akuten Handlungsbedarf. Weil man zudem nicht davon ausgehen kann, dass die Zahl von 9000 Asylbewerbern für das ganze Jahr angesetzt werden muss, da für den Jahreswechsel 2015/16 erst mit rund 6000 im Landkreis ansässigen Flüchtlingen gerechnet wird, nimmt man in der neuen Kalkulation eben auch jene 6000 als Grundlage für die Kostenberechnung.

All diese veränderten Prämissen führen nun dazu, dass sämtliche Stellenschaffungen im Landratsamt nicht wie im ersten Entwurf 17,7 Millionen Euro kosten, sondern vorerst nur 6,6 Millionen. Gekoppelt mit weiteren Parametern kommt Kämmerer Kasper auf eine vorläufige Ersparnis bei der Kreisumlage von bis zu 1,51 Prozentpunkten, womit die Erhöhung eben nur noch knapp 2,4 Prozentpunkte ausmacht - allerdings eben stets unter Berücksichtigung, dass ein Nachtragshaushalt, der bis spätestens Juni 2016 auf den Weg gebracht werden müsste, praktisch unausweichlich ist. "Das ist nicht der Weisheit letzter Schluss", sagte Landrat Göbel den Finanzausschussmitgliedern. "Wir stellen ihnen hier nur Rahmenbedingungen vor."

Die Resonanz der Kreisräte zeigte jedoch, dass diese in der Mehrheit angetan waren von Göbels Vorstoß: "Es ist gut, den Gemeinden nur zu nehmen, was man ihnen nehmen muss", sagte der Ismaninger Helmut Horst (CSU) und stellte augenzwinkernd fest, dass es dem neuen Kämmerer Kasper nicht schade, wenn er gleich in seinem ersten Jahr einen Nachtragshaushalt stemmen müsse. Die Grüne Susanna Tausendfreund nannte den Haushaltsentwurf "beeindruckend", monierte aber, dass man vor allem im Energiebereich über die Streichung neuer Stellen noch einmal nachdenken sollte. Franz Schwarz (SPD) sprach vom "Damoklesschwert" des Nachtragshaushaltes und einer weiteren Umlageerhöhung, während Florian Spirkl, ebenfalls SPD, anmahnte, wegen des Themas Asyl nicht alle übrigen Bereiche zu vernachlässigen: "Wir müssen auch auf anderen Gebieten, etwa bei der Energiewende, politische Schwerpunkte setzen.

© SZ vom 10.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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