Kommunaler Wohnbau:Haar will doch hoch hinaus

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Es soll auf der vom Verkehr abgewandten Seite eine Grünfläche entstehen, in die vom Süden auch viel Sonne einfällt. Architekt Gert F. Goergens will in zentraler Lage hohe Wohnqualität schaffen. (Foto: Visualisierung: Goergens & Miklautz)

An der Bundesstraße sollen in einem 14-stöckigen Turm und weiteren Gebäuden mit vier oder fünf Etagen mehr als 120 Wohnungen entstehen. Zum ersten Mal wird die Gemeinde dabei die überarbeiteten Vorgaben zur sozialgerechten Bodennutzung anwenden

Von Bernhard Lohr, Haar

Im zweiten Anlauf soll es klappen: Ein Investor möchte auf dem Quinz-Areal an der Münchner Straße 24 (Bundesstraße 304) in Haar einen 42 Meter hohen Wohnturm errichten. Das Gebäude soll inklusive zurückgesetztem Dachgeschoss 14 Stockwerke beherbergen. Mit den angrenzenden fünf beziehungsweise vier Etagen hohen Gebäuden an der Münchner Straße und am Jagdfeldring sollen 123 Wohnungen an der B 304 entstehen. Architekt ist mit Gert F. Goergens ein alter Bekannter in der Gemeinde. 2014 und 2015 hatten ähnliche Pläne Haar in Aufruhr versetzt. Ein Bürgerentscheid, der eine Höhenbegrenzung auf 20 Meter forderte, scheiterte zwei Mal mangels Beteiligung.

Die Vorzeichen haben sich seit den Grabenkämpfen, die sich die Bürgerinitiative "Mia san Haar" und das Rathaus lieferten, allerdings geändert. Es ist seitdem einiges passiert. Zum Beispiel zeigte ein Ideenwettbewerb mit Architekturstudenten, dass auch junge Planer sich schwer tun, für das exponierte 4000 Quadratmeter große Grundstück hochwertige und machbare Konzepte zu entwickeln. Die damit verbundene Bürgerbeteiligung nutzten nur knapp 100 Haarer, als Mitte 2015 die Arbeiten der Studenten bewertet wurden. Der Siegerenwurf, ein Terrassenhaus namens "Urban Steps" wurde schnell verworfen.

Allerdings zeigte sich, dass der Gedanke nicht so schlecht war, an der zentralen Verkehrsachse in Haar an bestimmten Stellen in die Höhe zu gehen. Das Büro Goergens, das in der Gemeinde seit Jahrzehnten Rahmenpläne entwickelt, in denen städtebauliche Grundzüge skizziert werden, stellte einen solchen Plan für die Südseite der B 304 auf und machte zusätzlich zum bestehenden 60 Meter hohen Büroturm zwei weitere Orte fest, an denen zumindest um die 40 Meter hohe Gebäude entstehen könnten. Außer an der Einfahrt Hans-Pinsel-Straße eben auch an der Ecke Jagdfeldring. Eine Bürgerversammlung mit 250 Beteiligten nahm die geplante Verdichtung und die strukturgebenden Überlegungen des Rahmenplans überwiegend positiv auf. Nun ist Goergens selbst mit der Planung des ersten Gebäudes betraut, das auf den Vorgaben des Rahmenplans fußt. Den ersten Wohnturm-Entwurf hatte noch ein anderer Architekt geliefert.

Jetzt aber setzt Haar wieder auf Bewährtes: Goergens, der in der Bürgerversammlung schon ein Gebäude mit architektonischer Qualität zusicherte, setzt nun Akzente, die den Turm als typischen Goergens-Bau ausweisen. So soll er hin zur Straße eine in Weiß- und Gelbtönen schillernde Klinkerfassade erhalten, die sich am Kultur- und Bildungszentrum Poststadel orientiert. Charakterisieren soll den Bau nach bisherigen Überlegungen eine schimmernde Lochblech-Verkleidung eines Außen-Treppenhauses, die einen fliegenden Schwarm Vögel darstellt. Anders als in den ersten Wohnturmplänen soll dieser nun von der Straße zurückgesetzt werden, um ähnlich zum Büroturm 150 Meter weiter einen Vorplatz zu schaffen. Zweigeschossige Arkaden sollen diesen Bereich für die Öffentlichkeit interessant machen. Ein Café und Geschäfte sollen dort wie auch an der Münchner Straße entlang Platz finden können.

Trotz der Lage an der mit 32 000 Fahrzeugen stark befahrenen Bundesstraße glaubt Goergens, hohen Wohnwert schaffen zu können. Zur Straße hin sollen Schallschutz-Loggias entstehen. Sämtliche Wohnungen sollen Richtung Süden, Osten oder Westen in einen grünen Innenhof ausgerichtet sein, in den laut Goergens auch viel Sonnnenlicht einfallen wird. Zur Hälfte sollen Eigentumswohnungen entstehen, zur Hälfte Mietwohnungen. Kritisch nahmen die Gemeinderäte auf, dass vor allem Ein-, Zwei- und Zweieinhalb-Zimmerwohnungen geplant sind. Doch das entspreche dem Bedarf, hieß es von den Planern. Eine Tiefgarage mit bis zu 200 Stellplätzen ist vorgesehen. Erstmals wendet die Gemeinde bei dem Bauvorhaben ihre kürzlich erweiterte Regelung zur Sozialgerechten Bodennutzung (Sobon) an. Bürgermeisterin Gabriele Müller (SPD) sagte, die Juristen säßen bereits über den Plänen, um auszuloten, wie vergünstigter Wohnraum gesichert werden könne. Insgesamt zeigte sie sich überzeugt, dass der Entwurf "von der Qualität her einen Standard setzen wird", was die weitere Entwicklung an der Bundesstraße 304 angeht.

Antonius van Lier (FWG) sagte, nur durch mutige Architektur und Bauen in die Höhe könne Wohnraum geschaffen werden. Von der CSU kamen vorsichtig kritische Stimmen, wobei Dietrich Keymer (CSU) einräumte, er müsse sich noch ein Bild von den vielen Neuerungen machen. Der Gemeinderat nahm mit den Stimmen von SPD, Grünen und FWG den Entwurf billigend zur Kenntnis. Als Nächstes steht ein Beschluss an, einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan aufzustellen.

© SZ vom 22.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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