Klassik:Wenn da Bäda den Woif fangt

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Dirigent Maximilian Leinekugel hat es sich mit dem Munich Classical Players zum Ziel gesetzt, Klassik nahbar zu machen. Wolfgang Heubisch (links) hilft dabei. (Foto: Claus Schunk)

Heubisch und Leinekugel präsentieren Prokofjews Werk auf Bairisch im Kleinen Theater

Von Bernhard Lohr, Haar

Die Musiker haben soeben ihre Plätze eingenommen und ihre Instrumente kurz angestimmt, da betritt Maximilian Leinekugel die Bühne. Der 22 Jahre alte Dirigent der Munich Classical Players wendet den Blick für einen Moment ins Publikum, reicht zwei Musikern aus seinem Ensemble die Hand, dreht dem Saal den Rücken zu - und lässt die Musik sprechen. Claude Debussys Prélude à l'après-midi d'un faune erklingt. Sanft, leise setzt die Flöte ein, Töne erfüllen das Kleine Theater in Haar und verbinden sich zu einer Melodie, die eine suggestive Kraft entwickelt, die die Zuhörer in ihren Bann zieht.

Viele Kinder sind im Publikum. Nach Debussy und Dimitri Schostakowitschs Suite für Varieté-Orchester steht noch Sergej Prokofjews "Peter und der Wolf" auf dem Programm. Der ehemalige bayerische Wissenschaftsminister Wolfgang Heubisch hat das Musikmärchen, das in der musikalischen Früherziehung oft eingesetzt wird, ins Bairische übersetzt. Er ist der Sprecher an diesem Abend und wird die Kinder später direkt begrüßen: "Einige, mehrere, viele", seien ja da, sagt er dann. Und: "Pack mas." Jetzt kommt "Bäda und da Woif".

Der junge Dirigent Leinekugel hat sich zur Aufgabe gemacht, klassische Musik nahbar zu machen. Mit 14 Jahren dirigierte er das Schulorchester seines Gymnasiums, 2016 gewann er als jüngster Kandidat den Dirigierwettbewerb der London Classical Soloists und gründete die Munich Classical Players, ein Kammerorchester bestehend aus begabten Studenten der Musikhochschule. Sie wollen die Klassik herausholen aus großen Konzertsälen. Das Kleine Theater mit seiner Patina und seiner Aura von Ungezwungenheit, die es als Schauplatz unterschiedlicher Genres entwickelt hat, ist wie geschaffen dafür. Das verspielt und zugleich formstrenge Jugendstil-Dekor korrespondiert zudem wunderbar mit Debussys zu Beginn erklingender sinfonischer Dichtung über einen Text des Impressionisten Stéphane Mallarmé, in dem ein Faun, ermüdet davon, die scheuen Nymphen und Najaden zu verfolgen, in einen Traum verfällt, in dem er sich der Lust des endlich erfüllten Wunsches hingibt: des vollkommenen Besitzes der Natur.

So zurückhaltend Leinekugel agiert, so bar jeder großen Geste führt er das Kammerorchester auch, als es Schostakowitschs russische Tänze darbietet - gipfelnd in den populären Waltz No. 2. Zu den Streichern und Bläsern gesellt sich das Akkordeon, aber es bleibt Raum für den einzelnen, Gefühle hineinzulegen: Tanzen, Schwelgen - oder sich leicht schwermütig Hinwegsehnen. All das evoziert diese Musik je nach persönlicher Gestimmtheit. Mit Heubisch wird das Kleine Theater dann noch zum Klassenzimmer, in dem die Kinder vom Sprecher väterlich durch die Geschichte geführt werden, in der der "Bäda" mit Hilfe seines "Spezis", des Vogels , den "Woif" fängt und ihn so vor dem Erschießen durch die Jäger bewahrt. Prokofjew schrieb das Stück 1936, um Kindern die Instrumente in ihrer Klangfarbe nahezubringen. Als das weltbekannte Violin-Intro ertönt, hat jeder vor Augen, wie "Bäda" in den Garten hinaushüpft. Dort begegnet er dem Wolf (Horn), vor dem der Opa warnt. Als der tiefe, knarzende Klang des Fagotts erklingt, folgen spontane Lacher unter den 90 Zuhörern: Ja tatsächlich, hier spricht Opa. "Bäda und der Woif" ist in der Kombination Leinekugel-Heubisch eine Premiere. Heubisch lernte als Wissenschaftsminister den hochbegabten Vaterstettener kennen. Heute versteht er sich als Mentor des Mannes, der für seinen Einsatz, Klassik für alle zu öffnen, den Tassilo-Kulturpreis der Süddeutschen Zeitung erhielt.

Die Rolle des Lehrers überlässt Leinekugel dabei anderen. Er selbst entdeckte als Achtjähriger seine Liebe zur Klassik bei einer Mahler-Sinfonie, gespielt von den Berliner Philharmonikern unter dem Dirigat von Claudio Abbado. Da hat es bei ihm Klick gemacht.

Korrektur: In einer früheren Version dieses Artikels haben wir Wolfgang Heubisch fälschlicherweise als früheren Kultusminister bezeichnet (Bildung). Das ist falsch. Richtig ist, dass Heubisch von 2008 bis 2013 bayerischer Staatsminister für Wissenschaft, Forschung und Kunst war.

© SZ vom 09.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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