Klassik:Grandezza mal fünf

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Die Streicher Carolin Widmann, David McCarroll, Pauline Sachse, Marie-Elisabeth Hecker (v.l) und Martin Helmchen (Piano) bilden ein starkes Ensemble. (Foto: Claus Schunk)

Ein Quintett namhafter Musiker begeistert in Grünwald mit Elgar und Schumann

Von Udo Watter, Grünwald

Etliche große klassische Komponisten umgibt ja die Aura des Tragischen, aber Robert Schumanns Leben war schon besonders reich gepflastert mit düsteren, fatalen Momenten. Innerlich zerrissen, genial, manisch-depressiv, oft im Schatten seiner Frau Clara, die letzten Jahre seines Lebens geprägt durch einen suizidalen Sprung in den Rhein, schließlich das Dahindämmern und der Tod in einer Nervenheilanstalt.

Aber Schumann war auch ein Mann der künstlerischen Extreme, es gab bei ihm etliche lichte, vitale Phasen: Das Klavierquintett Es-Dur, das Martin Helmchen (Piano), Carolin Widmann, David McCarroll (Violine), Pauline Sachse (Viola) und Marie-Elisabeth Hecker jetzt bei ihrem Konzert im Grünwalder August-Everding-Saal spielten, schrieb er etwa 1842 in einem schwärmerischen fünftägigen Schaffensrausch. Gewidmet war es seiner Frau Clara, der großen Pianistin, die bei der Uraufführung im Januar 1843 in Leipzig auch am Klavier saß.

Analog dazu ist auch die Beziehung zweier Künstler in Grünwald von besonders romantischer Natur, die zwischen Pianist und Cellistin: Helmchen und Hecker sind verheiratet (und erwarten Nachwuchs). Nach dem explosiven Beginn, bei dem Klavier und Streicher orchestralen Charakter entfalten, wird das schwungvolle Hochgefühl abgelöst von einer lyrischen Note: Erst lockt Helmchen auf dem Flügel, dann übernimmt seine Frau - es spielen Cello und Bratsche das wunderbare Seitenthema über pulsierenden Klavierakkorden im Dialog, harmonisch flankiert von den Violinen. Schön, wie dieser kontrastreiche, klar strukturierte erste Satz das Können der fünf Künstler, die ja alle als Solisten große Qualität haben, zeigt: Das ist homogen, ein unprätentiöses, aber gleichzeitig charaktervolles Dialogisieren, Helmchen demonstriert seine geschmeidig-zurückhaltende Art, die ohne jeden auftrumpfenden Gestus weiche Expressivität verströmt. Schumanns Quintett gilt als Meilenstein der Gattung und daseinsbejahendes Werk voller musikalischer Kraft. Wie notierte Clara Schumann in der Entstehungszeit in ihr Tagebuch: "Er hat ein Quintett vollendet, das mir nach dem, was ich erlauscht, wieder herrlich scheint - ein Werk voll Kraft und Frische!" Kraft und Frische - das zeigt dieses begnadete Quintett in der Tat.

Freilich, Robert Schumanns innere Klangpoesie entfaltet auch seine Kraft, besonders natürlich im Adagio, das als Trauermarsch daherkommt, unterbrochen nur von idyllischen Intermezzi. Das atmet melancholische Zartheit, auch eine Düsternis, die nichts Süß-versöhnliches hat, sondern durch scharfe Klänge betont wird. Der dritte und vierte Satz vertreiben die Schattenseiten wieder, mit Verve und virtuoser Grandezza agiert das Quintett in den tänzerischen Passagen und jagt in ein triumphales Finale.

Der August-Everding-Saal ist mit seiner exzellenten Akustik für solche Kammermusikwerke wie auch für Edward Elgar Klavierquintett a-Moll geradezu ein idealer Auftrittsort. Das Werk des britischen Komponisten erklang im ersten Teil (wobei hier ein, offenbar durch einen Scheinwerfer verursachtes Sirren, das Hörerlebnis partiell beeinträchtigte). Geschrieben 1919, auch unter dem Eindruck des gerade zu Ende gegangenen Ersten Weltkrieges, der als Ur-Katastrophe des 20. Jahrhunderts das Ende des alten bürgerlichen Zeitalters markierte, ist es alles andere als eine Feel-Good-Komposition. Mit spätromantischer Klangfarbenwucht wird eine mitreißende Dramaturgie entworfen, kontrastiv, immer wieder heftig beschleunigend, dann wieder ein Innehalten und vereinzeltes, düsteres Fragen. Mag sein, dass das hierzulande wenig bekannte Werk mitunter etwas pompös daherkommt und sicher keine avantgardistische Note hat, aber es ist aufwühlend und von essenzieller Wucht - besonders wenn es so versiert vorgetragen wird wie in Grünwald. "Bravo"-Rufe schon zur Pause.

© SZ vom 28.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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