Kirchheim/Páty:Vier Gemeindeteile - eine Partnerschaft

Lesezeit: 4 min

Kirchheim pflegt Beziehungen zum Dorf Páty in Ungarn. Es gibt ein reges Austauschprogramm mit Besuchen, aber auch mal Hilfsaktionen. So sammelte Günter Schwindl Geld, weil ein Haus im Ort völlig ausgebrannt war. Aktuell sieht Bürgermeister Böltl Gesprächsbedarf wegen der Flüchtlingssituation. Er besucht den Ort demnächst

Von Verena Fücker, Kirchheim/Páty

Wie findet man eigentlich Partnergemeinden? Manchmal ist das purer Zufall, so wie bei Kirchheim und dem ungarischen Dorf Páty. Umso erstaunlicher ist es dann, dass sich auf diesem Wege zwei Gemeinden treffen, die viel mehr verbindet als unterscheidet. Entstanden ist die Partnerschaft zwischen Kirchheim und der ungarischen Gemeinde, die man "Paat" ausspricht, bei einem deutsch-ungarischen Wirtschaftsforum, bei dem ungarische Gemeinden Gewerbeflächen und Investoren aus Deutschland gesucht haben. Kirchheim hatte damals, 2003, sehr viele Grundstücke im Angebot, und Páty war an ihnen interessiert.

Doch aus dem Wirtschaftsaustausch wurde nichts. "Die Ungarn hatten einfach zu wenig Wirtschaft am Ort", erklärt Johann Felbermayr. Er und seine Frau Opika, eine gebürtige Ungarin, die aber schon ihr ganzes Leben in Deutschland wohnt, sind die Vorsitzenden des Kirchheimer Partnerschaftskomitees. Der Kontakt nach Páty ist trotzdem nicht abgerissen. "Stattdessen hat sich unter Federführung von Günter Schwindl, dem ehemaligen Dritten Bürgermeister von Kirchheim, ein Kulturaustausch und daraus eine Gemeindepartnerschaft entwickelt", sagt Felbermayr. Es habe sich dann gezeigt, dass Kirchheim und Páty sich sehr ähnlich sind: "Das beginnt schon bei der Lage. Kirchheim ist gut 15 Kilometer von München entfernt. Páty und die ungarische Hauptstadt Budapest trennen 20 Kilometer - und beide Gemeinden sind gleich beschaulich." In beiden Kommunen finden sich Oldtimerklubs und beide sind seit Urzeiten besiedelt. In Páty wurden archäologische Schätze aus der Steinzeit, Kupferzeit und Bronzezeit gefunden. Sie sind im Ungarischen Nationalmuseum in Budapest zu sehen. Außerdem war das Gebiet rund um Páty für die Römer von großer Bedeutung. Sie haben auf den Feldern rund um den heutigen Ort Heilquellen gefunden, die besonders die vornehmsten Bewohner der Aquincumer Lagerfestung, dem heutigen Budapest, ntzten, die die Siedlung so schon in frühen Jahren zur Blüte gebracht haben. Der Name Páty wurde erstmals 1286 erwähnt. Seitdem wird an Pfingsten das sogenannte "Stadtgründungsfest" gefeiert. Der Ort lebte Jahrhunderte lang von der Landwirtschaft. Besonders für Glasweizen und würzigen Wein kamen die Händler nach Páty. Die Parallelen sind offenkundig. Die ältesten Funde aus Kirchheim stammen aus der frühen Keltenzeit. Auch Kirchheim und die damals noch eigenständige Gemeinde Heimstetten lebten Jahrhunderte lang von der Landwirtschaft.

1 / 3
(Foto: Johann Felbermayr)

Blick auf Kirchheims Partnerstadt Páty.

2 / 3
(Foto: privat)

2006 unterzeichneten die Bürgermeister Bognár und Hilger (rechts) die Urkunde zur Städtepartnerschaft.

3 / 3
(Foto: Johann Felbermayr)

In den so genannten Kellerhügel lagern die Familien aus dem Dorf bis heute ihren Wein.

Außerdem gibt es in Páty einen alten und einen neuen Ortsteil. Der alte Ortsteil ist geprägt von alten Bauernhäusern und sehr breiten Reihenhäusern, deren Gärten bis zu 300 Meter lang sein können und bis heute noch landwirtschaftlich genutzt werden, wenn auch meistens nur für den Privatgebrauch. Im neuen Ortsteil lassen sich seit dem Zerfall der Sowjetunion immer mehr wohlhabende Budapester nieder, die im Grünen wohnen wollen und nach Ruhe suchen. "So ähnlich ging es Kirchheim ja, als die Orte Heimstetten und Kirchheim 1976 wegen der Gebietsreform zusammengelegt wurden. Die Gemeinde besteht nicht aus einem alten und einem neuen Teil, aber immerhin aus zwei Teilen", sagt Felbermayr.

Nächstes Jahr feiern Kirchheim und Páty das zehnjährige Bestehen ihrer Partnerschaft. Mittlerweile gibt es auch einen regelmäßigen Austausch zwischen Kirchheim und Páty. In einem Jahr fahren die Kirchheimer hin, im nächsten Jahr kommt der Gegenbesuch. Zuletzt waren Mitte Juli 50 Ungarn beim Kirchheimer Dorffest zu Besuch. Außerdem findet jedes Jahr ein Kinder- und Jugendaustausch statt, den der ehemalige Dritte Bürgermeister Günter Schwindl ebenso initiiert hat wie die Gemeindepartnerschaft. Zu Beginn der diesjährigen Sommerferien waren wieder zwölf Kirchheimer Kinder und Jugendliche in der ungarischen Partnergemeinde zu Gast.

SZ-Grafik (Foto: N/A)

Im Oktober fahren die Kirchheimer wieder nach Ungarn, gemeinsam mit Bürgermeister Maximilian Böltl (CSU) und Gemeinderat Gerd Kleiber (FDP). Páty veranstaltet ein von der EU gefördertes Partnergemeindetreffen, zu dem auch Gäste aus Rumänien und der Slowakei eingeladen werden. Neben Fußballturnier, Volkstanz und Diskussionsrunden über europäische Themen soll auf Anregung von Bürgermeister Böltl auch über die aktuelle Flüchtlingssituation gesprochen werden: "Das Treffen im Oktober ist ein Partnertreffen mehrerer europäischer Gemeinden, bei dem innerhalb des Programms auch über die gemeinsame Zukunft der EU gesprochen wird. Teil dieser Zukunft wird aus meiner Sicht ganz klar auch die Frage sein, wie und wo wir Flüchtlinge sicher unterbringen können. Dass Ungarn dabei eine Schlüsselrolle zukommt, wurde in den letzten Wochen sehr deutlich. Vielleicht können wir mit unserem Austausch im Kleinen die jeweilige Perspektive der Länder besser verstehen und auch voneinander lernen. Dieser Ansatz ist ja ganz grundsätzlich ein ausdrückliches Ziel unserer Partnerschaft. Wir wollen, dass die EU näher zusammen wächst und nicht noch weiter auseinander driftet."

Die Partnerschaft ist also nicht nur auf Austauschprogramme beschränkt. So hat die Gemeinde Kirchheim der Gemeinde Páty ein altes Betriebsfahrzeug vom Kirchheimer Bauhof geschenkt. Ein anderes Mal ist in Páty ein Haus völlig ausgebrannt. "Günter Schwindl hat dann eine Spendenaktion ausgerufen, bei der etliche tausend Euro zusammengekommen sind. Wir haben das Geld dann gemeinsam mit einer Hilfslieferung an ganz unterschiedlichen Dingen nach Ungarn geschickt", erzählt Johann Felbermayr. Solche Aktionen sind wichtig, denn im rund 7200 Einwohner zählenden Páty ist die Wirtschaft sehr schwach. Ein Industriegebiet gibt es nur im nächsten Ort. Die dazu gezogenen Budapester fahren zum Arbeiten in die Stadt.

Für Páty ist die Partnerschaft mit Kirchheim deswegen etwas sehr Wichtiges. In beiden Gemeinden ist man sich einig, dass die Partnerschaft noch lange bestehen blieben soll. In Zukunft soll zum Beispiel ein Kulturaustausch wiederbelebt werden. "Den gab es schon vor ein paar Jahren. Künstler und Kunsthandwerker aus Kirchheim haben Künstler aus Páty besucht und umgekehrt. So etwas kann man aber nicht jedes Jahr machen. Der Austausch ist dann leider eingeschlafen", erzählt Felbermayr. Dabei ist Páty für seine Sattler bekannt. Dank ihnen wurde die Gemeinde erstmals im Jahr 1286 als Wohnort der königlichen Sattler urkundlich erwähnt. In der ungarischen Gemeinde steckt sehr viel Potenzial, das es zu entdecken gilt, und manchmal überrascht sie den Besucher auch. Auch das hat Páty mit der Partnergemeinde Kirchheim gemeinsam.

© SZ vom 18.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: