Kirchheim:Gemeinsam für mehr Grün

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Lokalpolitiker und Planer überlegen, wie trotz des Wachstumsdrucks Erholungsgebiete in der Region erhalten werden können. Sie setzen auf eine Zusammenarbeit der Kommunen wie beim Heideflächenverein

Von Christina Hertel, Kirchheim/Unterschleißheim

Die Region München wächst und wächst. Die Folge: eigentlich bräuchte es von allem mehr - mehr Wohnraum, mehr Straßen, mehr Schulen, mehr Geschäfte. Aber auch mehr Grün, mehr Parks, mehr Orte, an denen man durchschnaufen kann und zur Ruhe kommen. Ein offensichtlicher Widerspruch - denn wo sollen grüne Oasen herkommen, wenn alles zubetoniert ist? Bei einer Diskussionsrunde am Mittwoch in der Technischen Universität wollten Bürgermeister aus der Region, Landschaftsplaner und Architekten Antworten finden.

Mit dem Thema Natur beschäftigen sich die Kommunen noch viel zu wenig. Das stellte zumindest der Kirchheimer Bürgermeister Maximilian Böltl (CSU) gleich zu Beginn der Veranstaltung fest. Stets gehe es um Wirtschaft, Wohnraum, Bildung und Verkehr. "Aber die Bürger fordern eben auch immer mehr Plätze ein, an denen sie sich erholen können." Auch in Kirchheim. So gab es zum Beispiel bei der jüngsten Bürgerversammlung der Gemeinde den Antrag, die Fläche rund um den Heimstettener See zum Naherholungsgebiet zu erklären und das auch offiziell in den Flächennutzungsplan hineinzuschreiben. In eine ähnliche Richtung geht der neueste Antrag der CSU-Fraktion im Kirchheimer Gemeinderat: Gemeinsam mit Feldkirchen und Aschheim soll ein Konzept für den Heimstettener See entwickelt werden. Mit dem Ziel, das Erholungsgebiet zu erhalten und möglicherweise sogar zu erweitern, eben weil ihn immer mehr Menschen brauchen.

Im Norden des Landkreises gibt es schon eine Vernetzung beim Thema Naherholung. Unter- und Oberschleißheim, Garching, Eching und Neufahrn haben sich zum Heideflächenverein zusammengeschlossen. Landschaftskonzepte entwickeln sie zusammen. Solche Initiativen hält Sören Schöbel-Rutschmann, Professor für Landschaftsarchitektur an der TU, für sinnvoll. Er betonte, dass einzelne Landkreise zu klein seien, um attraktive Landschaften zu schaffen - einzelne Kommunen sowieso. "Regionen sollten sich zusammentun, doch das wird noch zu wenig gemacht."

Dass die Grünflächen um Oberschleißheim herum so groß bleiben werden, wie sie jetzt sind, glaubt Christian Kuchlbauer, der Bürgermeister der Gemeinde von den Freien Wählern, allerdings nicht. Der Grund: Die Kommune will sich weiterentwickeln, weiterwachsen, denn sie braucht Geld. "Wir sind momentan die viertärmste Kommune im Landkreis", sagte Kuchlbauer. "Wir werden von den Gebieten etwas wegnehmen müssen."

Etwas drastischer drückte es der Dachauer Landrat Stefan Löwl (CSU) aus. "Für Landschaft", sagte er, "kriege ich erst mal kein Geld". Nur, und darin waren sich beide Kommunalpolitiker einig, sollte das Wachstum in einem gemäßigten Rahmen ablaufen - nicht so wie in den vergangenen Jahrzehnten. Riesige Discounter, große Parkplätze - das könne sich keine Gemeinde mehr leisten. Außerdem betonte Löwl, dass keine Kommune ihr Grün gerne zubetoniert. "Gemeinden weisen Gewerbegebiete nicht aus, um reich zu werden, sondern um ihre Aufgaben erfüllen zu können."

Ein Kreislauf, den der Kirchheimer Bürgermeister Maximilian Böltl durchbrechen will. Er möchte keine neuen Gewerbegebiete ausweisen, sondern zunächst die Flächen, die gerade leerstehen, befüllen. Doch eigentlich, das wurde in der Veranstaltung auch deutlich, sind gar nicht die Gewerbegebiete das Hauptproblem. Der Dachauer Landrat Löwl betonte: "Für Infrastruktur und Gewerbe wurden in unserem Landkreis kaum Flächen verbraucht. Nur die Wohngebiete wachsen maßgeblich." Und dass immer mehr Wohnungen gebaut werden, liegt offenbar nicht nur daran, dass immer mehr Menschen in den Großraum München ziehen. "Der Einzelne braucht viel mehr Platz als vor 50 Jahren", stellte Christian Breu vom Regionalen Planungsverband München fest. Mehr als die Hälfte der Münchner würden allein in einer Wohnung leben.

Was können die Kommunen also tun? Vor allem, so Breu, müssten die Grünflächen, die es noch gibt, erhalten bleiben. "Verdichtung sollte mit Augenmaß erfolgen." Der Landschaftsarchitekt Sören Schöbel-Rutschmann hatte noch einen anderen Vorschlag: Das Wachstum einer Kommune sollte sich an den natürlichen Strukturen der Landschaften und an den ursprünglichen Dorfkernen orientieren. Also: Nicht einfach historische Gebäude oder Flüsse zubauen, dass am Ende keiner mehr etwas davon hat. "Doch in den Regionen wird beides noch zu wenig wertgeschätzt", sagte der Architekt. Außerdem sollten sich mehrere Landkreise für den Erhalt ihrer Landschaften zusammentun. Und statt von Trenngrün zwischen zwei Kommunen zu sprechen, sollte man den Landschaften wieder konkrete Namen geben - um sie als Ganzes zu bewahren.

© SZ vom 02.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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