Wirtschaftsförderung in Kirchheim:"Auch mal Nein sagen"

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Tobias Schock ist seit einem Monat Wirtschaftsförderer in Kichheim. (Foto: Claus Schunk)

Kirchheims neuer Wirtschaftsförderer Tobias Schock will Firmen ansiedeln, aber Wildwuchs vermeiden.

Von Christina Hertel, Kirchheim

Der Juni ist für Tobias Schock ein "hochintensiver" Monat gewesen, wie er sagt. Da begann seine Arbeit als neuer Wirtschaftsförderer der Gemeinde Kirchheim. Schock besuchte insgesamt 29 Unternehmen, vernetzte sich, nahm an Konferenzen teil. Und fing an, einen Plan zu entwickeln, wie Kirchheim in der Zukunft wirtschaftlich vorankommen könnte. Denn obwohl in den vergangenen Jahren die Gewerbesteuereinnahmen gestiegen sind - 2015 betrugen sie fast 15 Millionen Euro - hinkt die Gemeinde den Nachbarkommunen hinterher, was die Einkommenssituation betrifft.

"Wir wollen aber nicht nur kurzfristig mehr einnehmen, sondern eine Wirtschaftsstrategie entwickeln, die uns auf lange Zeit Erfolg bringt", sagt Schock. Diese Strategie stützt sich im Wesentlichen auf drei Projekte. Zum einen möchte die Gemeinde einen Start-up-Campus in den Ammerthalhöfen im Heimstettner Gewerbegebiet aufbauen, da sind momentan etwa 1000 Quadratmeter Bürofläche frei.

Gesundheitsstandort Kirchheim
:Privatklinik soll noch größer werden

Zusammen mit einem Reha-Zentrum soll in Kirchheim ein "Gesundheitscampus" entstehen. Ob ein Bedarf besteht, entscheidet der Freistaat Ende Mai. Für den Fall eines Neins erwägt die Gemeinde eine Klage.

Von Christina Hertel

Welche Branchen sich dort konkret ansiedeln könnten, möchte Schock nicht verraten. "Wir werden ein Angebot ausarbeiten und es dann anbieten", sagt Bürgermeister Maximilian Böltl (CSU). Sinnvoll sei es, dafür zum Beispiel mit Universitäten in Kontakt zu treten. Um den Standort für junge Unternehmer attraktiv zu machen, will Böltl in der Umgebung Freizeit- und Mittagsangebote schaffen.

Produzierendes Gewerbe ist nicht erwünscht

Außerdem soll sich Kirchheim in der Modebranche weiterentwickeln. Mit Mytheresa, einem Online-Händler für Damen-Luxusmode, und Bogner gibt es bereits zwei Unternehmen, die in diesem Bereich tätig sind. "Wir setzen aber nicht auf produzierendes Gewerbe", sagt Schock. Lieber wolle die Gemeinde Designer, Onlineshops und Büros ansiedeln.

Das dritte Projekt klappt wohl nur, wenn Bürgermeister Böltls Pläne von einer Privatklinik am S-Bahnhof Heimstetten aufgehen. Dann sollen weitere Unternehmen, die in der Gesundheitsbranche tätig sind, in die Gemeinde ziehen - zum Beispiel Medizintechniker und Zulieferer. Ob das Klinikum aber überhaupt kommt, steht noch nicht fest.

Weil dort auch Kassenpatienten behandelt werden sollen, entscheiden der Krankenhausplanungsausschuss und das Gesundheitsministerium über den Bedarf. Zuletzt sahen sie den nicht, allerdings stellte der Ausschuss auch fest, dass fehlender Bedarf alleine für eine Klinik, die privat geplant wird, nicht ausschlaggebend sein kann. Das haben Gerichtsurteile in ähnlichen Fällen in der Vergangenheit gezeigt. "Momentan laufen die Gespräche noch. Wir lassen nicht locker", sagt Böltl. Wenn alles nach Plan läuft, soll die Klinik 2017 eröffnen.

Eine S-Bahnverbindung zu Flughafen würde vieles verändern

Schon jetzt gebe es viele Anfragen von Unternehmen, die sich in Kirchheim niederlassen wollen. Pro Woche etwa fünf, schätzt Schock. "Es ist aber wichtig, dass wir auch mal Nein sagen. Damit kein struktureller Wildwuchs entsteht." Auch Böltl will mit dem Grund der Gemeinde umsichtig umgehen. Er rechnet damit, dass innerhalb der nächsten zehn bis 15 Jahre der S-Bahn-Anschluss zur Messe und zum Flughafen kommt. "Das hebt uns in eine neue Liga. Wir dürfen noch nicht unser ganzes Pulver verschießen."

Also nicht in Aktionismus verfallen - auch, wenn die Einnahmen der Gewerbesteuern in den Nachbarkommunen zischen 2013 und 2015 etwa dreimal so viel anstiegen wie in Kirchheim. Das liege an Versäumnissen in der Vergangenheit, meint der Bürgermeister. In den Neunzigerjahren habe man zu lange auf die verarbeitende Industrie gesetzt. "Aber so eine Aufholjagd geht nicht über Nacht. Trotzdem müssen wir jetzt nach vorne schauen." l

© SZ vom 04.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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