Ismaning:Die Leere im urbanen Raum

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Performative Akte in Plastik: Guido Verstegen vom Theaterensemble "Lichtbühne München". (Foto: Christian Weber/oh)

Lichtbühne München inszeniert "Future Disco" im Kallmann

Von Udo Watter, Ismaning

Die Beschleunigungskritiker und Globalisierungsgegner unserer Zeit sind beileibe keine Pioniere des Kulturpessimismus, sondern können auf eine lange Liste von Vorbildern zurückgreifen. Eine Blütezeit intellektueller und schöpferischer Gesamt-Skepsis war etwa der Expressionismus zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Modernisierungsschock, Beschleunigung, Orientierungslosigkeit, Überreizung der Nerven, existenzielle Einsamkeit, Überforderung angesichts einer Flut neuer Möglichkeiten und simultan attackierender Sinneseindrücke - die damals thematisierten Schlagwörter klingen heutigen Ohren durchaus vertraut.

Ein prägender Topos der expressionistischen Lyrik war die Großstadt mit all ihren (meist negativ wahrgenommenen) Facetten. Um die Verlorenheit in einer urbanisierten Welt geht es unter anderem auch in dem Stück "Future Disco", das die Theatergruppe "Lichtbühne München" am Freitag, 2. September, im Ismaninger Kallmann-Museum aufführen wird. Das Schauspiel ist durchaus inspiriert von der Gedankenwelt des Expressionismus - Lichtbühnengründer Guido Verstegen rezitiert in seiner Ankündigung etwa aus dem 1914 veröffentlichten Gedichts "Städter" des notorisch schwermütigen Lyrikers Alfred Wolfenstein - es spielt aber in ferner Zukunft, im Jahr 2980: Alle staatlichen Institutionen sind da verschwunden, es gibt keinen Unterschied zwischen Reich und Arm, zwischen Gut und Böse. Vier Menschen sind auf dem Weg in eine gigantische Disco, die ultimative Realität. Ein Sehnsuchtsort, inmitten einer Welt von Müll, Leere, Anonymität. Es geht um Austauschbarkeit, Alleinsein und Zukunftsangst im urbanen Raum, um ein Zuviel an falscher oder ein Zuwenig an echter Kommunikation. Das auf einer dramatischen Bilderfolge von Lichtbühnen-Regisseur Maximilian Sachsse basierende Theaterstück, bei dem die in Plastik gewandeten Protagonisten auch performative Akte zeigen, ist zugleich ein Blick zurück. "Wir wollen zeigen, dass diese Zukunft schon jetzt beginnt", sagt Verstegen. Dabei bedient sich die "Lichtbühne München" einer speziellen Bildersprache, versucht, das Innere nach außen zu kehren. "Wir wollen das Unfassbare greifbar und sinnlich erlebbar machen", erklärt Verstegen. Nicht zuletzt darin kann man auch wieder eine Verwandtschaft zur aufwühlenden Poesie des Expressionismus erkennen. "Wir erzählen diesmal auf eine etwas andere Art, es ist ein unterhaltsames Stück, aber auch etwas zum Nachdenken", sagt Verstegen.

Die "Lichtbühne München" zeigt bereits zum dritten Mal eines ihrer Stücke im Kallmann-Museum Ismaning, wo noch bis zum 11. September die Ausstellung "Entartete Kunst - Verfolgung der Moderne im NS-Staat. Werke aus der Sammlung Gerhard Schneider" zu sehen ist. Darunter befinden sich, thematisch nicht ganz unpassend, auch zahlreiche expressionistische Werke. "So haben wir auch den Bogen von der Vergangenheit in die Zukunft gespannt", erklärt Verstegen.

Die Vorstellung von "Future Disco" im Kallmann-Museum Ismaning, Schloßstraße 3b, beginnt am Freitag, 2. September, um 20 Uhr. Karten kosten 15, ermäßigt elf Euro. Reservierungen sind möglich unter Telefon 089/96 12 948 oder per E-Mail an die Adresse info@kallmann-museum.de.

© SZ vom 26.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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