Hohenbrunn:Tür zu

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Hohenbrunn ist eine Mustergemeinde, wenn es um die Unterbringung von Flüchtlingen geht. Dennoch lehnt die Kommune den Plan eines privaten Investors ab, eine neue Unterkunft aufzubauen. Aus Angst?

Von Martin Mühlfenzl, Hohenbrunn

Es ist eine erstaunliche Aussage von Hohenbrunns Bürgermeister Stefan Straßmair (CSU). "Ich glaube natürlich der Aussage unseres Landrats, der sagt, der Wille der Kommunen müsse beachtet werden." Das ist der erste, noch nicht so bemerkenswerte Teil von Straßmairs Ausführungen in der Sitzung des Hohenbrunner Bauausschusses - doch dann: "Aber wir wissen nicht, wie lange er das halten kann."

Er, das ist Straßmairs Parteigänger Christoph Göbel, der tatsächlich gesagt hatte, der Landkreis werde keinesfalls gegen die Absichten seiner Städte und Gemeinden Unterkünfte errichten. Im Falle Hohenbrunns bedeutet dies - zumindest vorläufig -, dass im Gewerbegebiet Riemerling kein Wohnraum für Asylbewerber geschaffen wird. Mit diesem Plan ist der Gräfelfinger Fotograf Nagib Khazaka an die Gemeinde herangetreten; seiner Familie gehört dort eine Immobilie, sein Wunsch ist es, die Räume mit "sehr wenig Aufwand" für bis zu 130 bis 150 Personen herzurichten. Diesem Ansinnen hat der Hohenbrunner Bauausschuss nun eine Absage erteilt.

Mehr noch: Das Gremium hat in einer zweiten Entscheidung eine sogenannte Veränderungssperre für das Gewerbegebiet Riemerling-West erlassen. Und diese Entscheidung macht deutlich, dass Bürgermeister Straßmair und viele seiner Gemeinderäte nicht wissen, wie lange sie noch auf das Wort des Landkreises vertrauen sollen. Möglicherweise, das steckt hinter der Entscheidung in Hohenbrunn, wird sich Landrat Göbel in nicht ferner Zukunft nicht mehr an sein Versprechen halten können. In den Worten Straßmairs schwingt die Angst mit, angesichts der nicht abreißenden Zuwanderung Unterkünfte aufgezwungen zu bekommen - das Mitspracherecht zu verlieren, wenn es darum geht, wo in der eigenen Kommune Schutzsuchende untergebracht werden.

Diese Befürchtung ist keine speziell Hohenbrunner Angst. Debatten dieser Art werden nahezu in allen 29 Städten und Gemeinden des Kreises geführt. Hohenbrunn, und das betont der Bürgermeister zurecht, darf als eine Mustergemeinde bei der Unterbringung gelten; die Ortschaft mit etwa 9000 Einwohnern übererfüllt ihre Quote sogar. "Wir machen es uns auch nicht leicht mit dem Angebot von Herrn Khazaka", sagte Straßmair in der Sitzung des Bauausschusses. "Denn wir wissen, dass die Quote von Tag zu Tag steigt. Momentan sind wir aber noch gut dabei."

Dieses Bürogebäude will Nagib Khazaka in eine Flüchtlingsunterkunft umwandeln. Falls das nicht genehmigt wird, kann sich der Gräfelfinger vorstellen, es wieder an Firmen zu vermieten. (Foto: Claus Schunk)

Nagib Khazaka indes sagt, er denke über den Tag hinaus. Er will sein Projekt als Chance für Gemeinde, Landkreis und vor allem Flüchtlinge verstanden wissen - umso mehr bedauert der Gräfelfinger die Entscheidung der Hohenbrunner Gemeinderäte: "Jetzt gibt es nur Verlierer. Der Landkreis hat verloren, die Flüchtlinge, die jetzt möglicherweise in Zelten schlafen müssen, aber auch Hohenbrunn selbst." Khazaka übt aber auch Kritik am Hohenbrunner Vorgehen, das er als "Farce" bezeichnet; schließlich hätten Straßmair und das Gremium ein "bürokratisches Schauspiel" abgeliefert.

Nach einem rein behördlichen Akt aber klang es im Hohenbrunner Rathaus zunächst nicht; der Ausschuss tagte erst nicht-öffentlich - und der Lautstärke im Sitzungssaal nach ging es kontrovers zur Sache. Allen voran Wolfgang Schmidhuber von den Grünen und die Sozialdemokratin Regina Wenzel hatten ja schon im Vorfeld der Beratung ihre Sympathie für die Unterkunft im Gewerbegebiet signalisiert; auch der Fraktionschef der Freien Wähler, Andreas Schlick, hatte sich wohlwollend geäußert.

Im öffentlichen Teil der Beratung aber ging es dann vordergründig gar nicht mehr um eine Herberge für Schutzsuchende - sondern um die Zukunft und Attraktivität des Gewerbegebietes. Plötzlich spielten Feinheiten wie die Klassifizierung von Riemerling-West als Industrie- oder Gewerbegebiet eine Rolle. Denn, sagt der Christsoziale Anton Fritzmaier, in einem Gewerbegebiet dürfte selbst nach dem neuen Asylbeschleunigungsgesetz keine Unterkunft entstehen. Rüdiger Weber von der SPD sagte, die Gemeinde sei auf jeden Cent aus der Gewerbesteuer angewiesen - komme aber eine Flüchtlingsunterkunft, könnte diese einen "Lawineneffekt" nach sich ziehen. Und Straßmair sagte, im Sinne der "Gerechtigkeit" müssten alle gleich behandelt werden; und da es schon andere Anfragen für eine Unterkunft gegeben hatte, könne dieser Bitte auch nicht entsprochen werden. In der Abstimmung schließlich lehnte das Gremium den Antrag Khazakas gegen die Stimmen von Wenzel und Schmidhuber ab.

Fotograf und Investor: Nagib Khazaka (Foto: privat)

Letzterer sagt einen Tag später, Rathauschef Straßmair habe das Thema nur auf die Agenda gehoben, um vorerst jegliche neue Unterkunft zu verhindern. Khazaka formuliert es schärfer: "Hier wird versucht, jede Tür zuzumachen." Er werde aber nicht gesenkten Kopfes davon ziehen, sagt Khazaka, sondern weiter das Gespräch mit der Gemeinde und ihren Vertretern suchen. "Und ich werde auch auf Landrat Göbel zugehen. In das Projekt habe ich zu viel Herzblut reingesteckt, als dass ich es jetzt einfach beerdigen würde."

Mehr als 100 Flüchtlingen bietet Hohenbrunn derzeit ein neues Zuhause - hinzu kommen, und das ist beispielhaft, 50 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Die Quote, die das Landratsamt derzeit vorgibt, erfüllt die Kommune damit. Derzeit. "Ich hoffe, dass die Gemeinde hier nicht einfach eine Chance wegwirft", sagt die SPD-Gemeinderätin Regina Wenzel mit Blick auf Khazakas vorerst gescheitertes Projekt. Dass die Kommune irgendwann auf dieses Angebot angewiesen sein könnte, weiß auch Rathauschef Straßmair. Sonst würde er die Aussage seines Landrats nicht in Zweifel ziehen.

© SZ vom 07.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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