Höhenkirchen-Siegertsbrunn:Liaison von Dauer

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Bürgermeister Jacques Piot unterzeichnet am 14. Mai 1967 die Partnerschafturkunde. Hinter ihm Sylvette Lacroix mit ihren Eltern, rechts daneben Beate Mayer, ganz rechts Bürgermeister Georg Maier. (Foto: Claus Schunk (Repro))

Die Partnerschaft zwischen Höhenkirchen und Chéroy geht auf die Freundschaft eines französischen Kriegsgefangenen und eines deutschen Aufsehers zurück. Sie wurde vor 50 Jahren offiziell besiegelt.

Von Felix Gömöry, Höhenkirchen-Siegertsbrunn

Im Mai 1966 erhielt der damalige Höhenkirchner Bürgermeister Georg Maier einen Brief aus der französischen Gemeinde Chéroy im Department Yonne. Darin fragte Sylvette Lacroix im Namen ihres Vaters Robert Lacroix und des Bürgermeisters Jacques Piot, ob die beiden Dörfer sich "verzwillingen" möchten. "Das war uns erst nicht ganz verständlich", sagt Klaus Rudolf Glas, der zu jener Zeit Mitglied im Gemeinderat war und heute 91 Jahre alt ist. Denn Lacroix übertrug das französische Wort für Städtepartnerschaft wörtlich ins Deutsche. Es bedurfte keiner langen Überlegung: Ein Jahr später, vor 50 Jahren, am 14. Mai 1967, wurde die Urkunde unterzeichnet.

Höhenkirchen und Chéroy trennen knapp 800 Kilometer und haben auf den ersten Blick wenig miteinander zu tun. Aber die Geschichten der Menschen in den beiden Gemeinden waren schon damals durch den Zweiten Weltkrieg miteinander verwoben. Der Zimmermann Robert Lacroix kämpfte als Soldat in Deutschland und kam für vier Jahre in Kriegsgefangenschaft. Er wurde nach Höhenkirchen geschickt, um dort bei einer Holzbaufabrik Zwangsarbeit zu leisten. Sein Aufseher war Heinrich Müller, selbst ehemaliger Kriegsgefangener in Frankreich während des Ersten Weltkrieges, wo er etwas Französisch gelernt hatte. Die beiden unterhielten sich oft und schlossen Freundschaft. "Heinrich war ein Humanist und sehr traurig über den Krieg", sagt Sylvette Lacroix.

Nachdem der Krieg vorbei war, blieb die Freundschaft erhalten. Sie besuchten sich gegenseitig und Robert Lacroix schickte seine Tochter Sylvette Ende der Fünfzigerjahre zu Müllers Schwester. "Ich war das fünfte Kind der Familie", erinnert sich die 69-Jährige. Das bestätigt Müllers Nichte Beate Mayer: "Ich nenne sie meine französische Schwester." Diesen kulturellen, freundschaftlichen Austausch zwischen den Bewohnern beider Gemeinden wollten die Lacroixs mit der Städtepartnerschaft noch vertiefen. Und auch ein anderes Motiv spielte mit: "Wir wollten so versuchen, dass keine Kriege mehr zwischen unseren Ländern vorkommen", sagt Sylvette Lacroix. Auch Mayer spricht von "Versöhnung und Völkerverständigung."

"Ein Stück gelebtes Europa"

Die Erfahrungen des Krieges waren zu jener Zeit noch stark in den Köpfen verankert. Klaus Rudolf Glas, der sich von Anfang an aktiv an der Partnerschaft beteiligte und auch bei den Austauschbesuchen dabei war, war selbst von 1944 an als Soldat in Frankreich stationiert. "Der Krieg hat auf beiden Seiten viele Wunden geschlagen", sagt er. Seine Frau Anneliese Glas schwärmt von der Anfangszeit der Partnerschaft: "Damals war das toll. Wir sind zum ersten Mal nach Frankreich gefahren und die Franzosen das erste mal nach Deutschland." Die Treffen waren ihren Erzählungen nach auch stets reich an Aktivitäten: Fasching, Oktoberfest, Königstein und sogar Skifahren standen auf dem Programm. "Die Franzosen waren sehr bedacht darauf, dass die Skischuhe zu den Skiern passten", weiß sie noch. Ihr Mann sagt dazu: "Wir haben schon Geschichten erlebt, aber die darf man nicht schreiben." Und ergänzt: "Die muss man erlebt haben."

Auch heute wird die Partnerschaft regelmäßig mit Besuchen gepflegt. Allerdings gab es 1999 den letzten Jugendaustausch. "Die Jugendgewinnung ist schwierig", sagt Katharina Schuster, die Vorsitzende des Partnerschaftskomitees. Es sei vor allem von französischer Seite aus kompliziert, da es in Chéroy keine weiterführende Schule gibt. "Die Partnerschaft hat sich verändert", sagt Annelise Glas." Auch Beate Mayer merkt an, dass "eine Reise nach Frankreich damals besonders war, und heute reist man ganz selbstverständlich in der Welt rum."

"Die heutige Jugend hat die Schäden des Krieges nicht mehr in Erinnerung", begründet Sylvette Lacroix das mangelnde Interesse der Jugendlichen. "Wir haben doch mit den Wahlen in Frankreich festgestellt, dass viele Leute gerne auf Europa verzichten würden." Sie findet, die Partnerschaft solle durch die Schulen oder Vereine wieder für junge Leute attraktiv gemacht werden. Schuster sieht den Vorteil eines Partnerschaftsaustausches darin, dass "wir richtig daheim in Frankreich sind". Natürlich könne man auch mit Billigflug und Hotel schöne Dinge erleben, aber "die Eindrücke sind anders". Für sie bedeutet die Partnerschaft "ein Stück gelebtes Europa". Und Sylvette Lacroix, die damals den Brief schrieb, sagt: "50 Jahre Freundschaft sind wirklich schön."

© SZ vom 12.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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