Helferkreis:Teilhabe statt T-Shirts

Lesezeit: 3 min

Lisa Grimmbacher sammelte erste Erfahrungen in der Flüchtlingsarbeit während ihres freiwilligen sozialen Jahres in der Münchner Bayernkaserne. Künftig koordiniert die 24-Jährige die Ehrenamtlichen des Helferkreises Ismaning. (Foto: Irmengard Gnau)

Seit bald zwei Jahren leben Flüchtlinge im Landkreis. Ihre zentralen Bedürfnisse haben sich verändert, sagt Lisa Grimmbacher, neu beim Helferkreis in Ismaning

Interview von Irmengard Gnau, Ismaning

Anfang Dezember hat Lisa Grimmbacher, 24, die Koordination der Ehrenamtlichen des Asyl-Helferkreises in Ismaning übernommen. Zwölf Stunden die Woche wird sie künftig in Ismaning sein. Die Stelle wird von der Gemeinde finanziert. Die gebürtige Schwäbisch-Gmündtnerin studiert an der katholischen Stiftungsfachhochschule in München Soziale Arbeit und hat bereits Erfahrung in der Flüchtlingsarbeit gesammelt. In Ismaning leben aktuell 244 Asylbewerber und 46 anerkannte Flüchtlinge. Sie werden von drei Mitarbeitern der Alveni-Asylsozialberatung, Grimmbacher, und etwa 40 bis 50 aktiven Freiwilligen im Helferkreis betreut.

SZ: Frau Grimmbacher, Sie arbeiten seit dem 1. Dezember als neue Ehrenamtskoordinatorin des Asyl-Helferkreises in Ismaning. Was sind Ihre Aufgaben ?

Lisa Grimmbacher: Man kann sagen, ich bin das Bindeglied. Ich versuche, die Helfer zu vernetzen mit der Gemeinde, also der Politik vor Ort, dem Landratsamt, aber auch mit den verschiedenen Bildungseinrichtungen, der Volkshochschule, der Musikschule, und und und.

Mittlerweile ist es bald zwei Jahre her, seit die ersten Flüchtlinge im Landkreis angekommen sind. Inwiefern haben sich die Aufgaben der Helfer seither verändert? Welche Fragen beschäftigen Sie heute vor allem?

Die Flüchtlinge sind inzwischen angekommen. Sie wollen jetzt auch etwas mitbekommen, Teil werden von der Gemeinde. Das heißt für uns, es geht nicht mehr um Krisenhilfe, sondern um integrative Hilfe. Nicht mehr um akute Dinge, wie etwa Kleider ausgeben, sondern vielmehr um die Teilhabe - Deutschkurse, Ausbildung, Schule, Arbeit. Und die Bedarfe sind natürlich riesig.

Wie schafft man es, dass diese Integrationsarbeit gelingt?

Man muss Hemmungen abbauen. Ich glaube, das gelingt nur über aktiven Kontakt, indem man sich kennenlernt und austauscht. Und darüber, den Diskurs zu wahren - mit den Helfern, aber auch mit den Flüchtlingen. Ich kann nicht über ihre Köpfe hinweg entscheiden, sondern muss sie auch fragen: Was braucht ihr?

Gerade in den ersten Monaten haben sich vor allem Ehrenamtliche um die Versorgung der Ankommenden gekümmert. Inzwischen wurden staatliche Strukturen aufgebaut. Wie wichtig ist das Zusammenspiel von Ehren- und Hauptamtlichen in der Flüchtlingsarbeit?

Ich glaube, das ist eines der wichtigsten Dinge. Weder die Hauptamtlichen, noch die Ehrenamtlichen könnten diese Aufgabe allein stemmen. Ich bin sehr dankbar für das große ehrenamtliche Engagement. Ich arbeite selbst auch ehrenamtlich und weiß, was für eine aufwendige Arbeit das ist - aber auch, wie befriedigend es sein kann.

Trotzdem sind einige Helfer inzwischen frustriert, weil sie erleben, dass die Politik ihren Bemühungen zum Teil zuwider handelt und die Bürokratie sie behindert. Wie lässt sich dem auf der kommunalen Ebene begegnen?

Die Mühlen der Politik mahlen langsam. Ich habe mich in meiner Heimatstadt selbst in der Kommunalpolitik engagiert und weiß auch, wie frustrierend es auf der anderen Seite ist. Ich kann nachvollziehen, dass Helfer sich etwas anderes wünschen, aber ich glaube, Transparenz hilft. Wenn die politische Seite beispielsweise mitteilt, warum ein Prozess so lange dauert. Im Gegenzug möchte die Gemeinde ja auch wissen, was die Helfer machen. Wenn man sich nicht wahrgenommen fühlt, den Eindruck hat, es gibt keinen Ansprechpartner, ist das sehr frustrierend. Deshalb, glaube ich, muss man vor allem immer wieder miteinander reden.

Schlagen Ihnen aufgrund Ihrer Arbeit manchmal Vorurteile entgegen?

Ich kann von meiner persönlichen Erfahrung, in der ehrenamtlichen Arbeit, in der Arbeit mit jugendlichen Flüchtlingen, nur sagen, ich habe noch keine einzige schlechte Erfahrung gemacht. Dass mich jemand belästigt hätte oder als Frau nicht akzeptiert - das kenne ich nicht. Natürlich muss man sich durchsetzen, muss sich auch profilieren. Aber wenn man dahintersteht, wird man auch in seiner Position anerkannt, das ist meine Erfahrung. Trotzdem muss ich sehr oft Diskussionen führen, wenn ich erzähle, dass ich in der Flüchtlingsarbeit tätig bin. Und jedes Mal, wenn etwas passiert, ist das natürlich Futter für den Populismus. Da muss man dagegen halten. Demokratie ist nichts Selbstverständliches. Dass wir in einer so offenen und toleranten Gesellschaft leben, ist uns nicht zugeflogen, dafür haben Generationen hart gearbeitet. Wenn man das nicht verteidigt, geht es unter. Und das ist das, was ich am wenigsten möchte.

Was haben Sie sich für das kommende Jahr vorgenommen?

Vor allem Vernetzung. Ich glaube, das ist das A und O. Damit ich einen Überblick habe, an wen ich mich wenden kann und umgekehrt die Leute in Ismaning mich kennen. Außerdem will ich natürlich gern neue Freiwillige finden, sei es als Paten, für die Begleitung zu Anhörungen oder für Nachhilfe.

© SZ vom 03.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: