Haar:Wie du mir, so ich dir

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Die Welt ist komplex, es gibt keine einfachen Antworten: So kann, wer dem Kapitalismus skeptisch gegenüber steht, natürlich auch Bayern-Fan sein: Haars Altbürgermeister Helmut Dworzak. (Foto: Claus Schunk)

Haars langjähriger Bürgermeister Helmut Dworzak wird Ehrenbürger. Das gefällt einigen CSU-Gemeinderäten nicht

Von Bernhard Lohr, Haar

So richtig finden sie nicht mehr zueinander. Der Grundton im Haarer Gemeinderat ist seit den Wahlen im März vor einem Jahr gereizt. Zwischen SPD und CSU fliegen in den Sitzungen manchmal die Giftpfeile in einer Dichte, dass sich außenstehende Beobachter nur noch wundern können. Allenfalls meint man endlich zu verstehen, warum sich die Fraktionschef der SPD, Alexander Zill, und sein Kontrahent von der CSU, Dietrich Keymer, an den entgegengesetzten Tischenden so weit wie nur möglich voneinander entfernt gegenüber sitzen. Wer weiß: Wäre es anders, könnten sie sich noch mal in die Haare kriegen. Und das will ja keiner.

Dass die CSU bis heute noch die verlorene Bürgermeisterwahl zu verarbeiten hat, befriedigt als Begründung nicht mehr so richtig. Es ist mittlerweile einige Zeit vergangen. Doch immer wieder gibt es Momente, die einen Einblick in die Seelen- und Gefühlslage der Akteure erlauben; und ein tieferes Verständnis der Ursache für die andauernde Missstimmung ermöglichen. Ein solcher Moment bot sich kürzlich, als Bürgermeisterin Gabriele Müller (SPD) verkündete, dass ihr Amtsvorgänger und Parteifreund Helmut Dworzak die Ehrenbürgerwürde in Haar verliehen bekommen wird. Die Luft zwischen SPD und CSU war an diesem Abend besonders zum Schneiden dick.

Die höchste Auszeichnung, die ein Haarer Bürger erhalten kann, soll Dworzak bei einem Festakt am 11. Dezember verliehen werden. 44 Jahre war Dworzak in der Gemeinde politisch aktiv. Nach seiner Wahl im Jahr 1992 wurde er vier Mal als Bürgermeister im Amt bestätigt. Zuletzt erhielt er 89,9 Prozent der Stimmen. Die Haarer waren mit dem Mann zufrieden, er kann also nicht allzu viel falsch gemacht haben.

Die Entscheidung, einem solchen Kommunalpolitiker die Ehrenbürgerwürde zu verleihen, sollte leicht fallen. Dworzak war unumstritten über Jahre die Nummer eins in Haar und prägte die Gemeinde in vielerlei Hinsicht. Städtebaulich entwickelte sich Haar zu einer bis heute oft noch verkannten Perle im Landkreis. Die Gemeinde war Motor in vielen Bereichen, sei es bei der Versorgung der Senioren, bei der Kinderbetreuung oder im Sport. Die Bürger honorierten das und machten so Haar - was Dworzak als überzeugter und machtbewusster Sozialdemokrat gerne als Nebeneffekt mitnahm - zu einer Bastion der SPD im Landkreis.

Das freilich wurmt die CSU bis heute und führte dazu, dass einige der über Jahre von Dworzak ins Abseits gestellten es nicht übers Herz brachten, den früheren Dominator jetzt aufs Podest zu heben. Bei der nicht-öffentlichen Abstimmung über die Verleihung der Ehrenbürgerwürde votierten große Teile der CSU gegen die Personalie Dworzak. Die in solchen Fragen übliche Einstimmigkeit war nicht zu erreichen, was bei der SPD heftiges Kopfschütteln zur Folge hatte. Dort sieht man sich seit diesem Vorgang einmal mehr darin bestätigt, dass diese CSU nur das Prinzip "Wie du mir, so ich dir" versteht. Also fliegen die Giftpfeile wieder hin und her.

Der letzte lebende Ehrenbürger übrigens kam aus Reihen der CSU. Es war der im Jahr 2008 verstorbene Hans Stießberger, der als Sägewerksbesitzer in die Kommunalpolitik ging und zeitweise das Amt des Zweiten Bürgermeisters und auch eines Baureferenten in Haar bekleidete. Sein Sohn gleichen Namens wandelte auf seinen Spuren und war als Dritter Bürgermeister auch inoffizieller Baureferent, bis er gemeinsam mit Dworzak 2014 aus dem Gemeinderat ausschied. Mit ihm, so sagen manche, verließ einer der letzten CSU-Vertreter das Gremium, mit dem parteiübergreifend gut zusammenzuarbeiten gewesen sei.

Aber vielleicht raufen sie sich ja noch zusammen in Haar. Die CSU stimmte zu, Helmut Dworzak die Ehrenbezeichnung eines Altbürgermeisters von Haar zukommen zu lassen. Diese Würde teilt er fortan mit seinem Vorgänger Hans Wehrberger. Nach einstimmigem Votum. Das immerhin.

© SZ vom 17.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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