Haar:Summ, summ, zoom

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Die Fotomodelle von Rainer Ziegowski sind meist nur wenige Millimeter groß. Der Hobbyfotograf aus Haar hat sich auf Aufnahmen von Insekten spezialisiert

Von Claudia Wessel, Haar

Sieht doch völlig unspektakulär aus. Etwas Gebüsch am Rande eines Maisfelds, ein Trampelpfad, der in den Haarer Forst führt. Wenn man hier so als Riesenwesen namens Mensch entlang geht, ist das nichts weiter als ein kleiner Spaziergang. Und das in einer eher weniger attraktiven Landschaft.

Wenn jedoch Rainer Ziegowski hier entlang geht, dann ist dieser Ort Schauplatz von wilden Orgien ebenso wie von Mord und Totschlag. Denn der 72-Jährige schaut durch das Objektiv seiner Kamera direkt in die Welt der Insekten hinein, die sich auf Blättern und Halmen tummeln. Da entdeckt er dann zum Beispiel eine Gruppe von Wanzen, die sich alle ganz nah beieinander auf ein paar Blättern versammelt haben. "Wanzen sind sehr sozial", hat Ziegowski in den vier Jahren seiner Insekten- und Kleinwesenfotografie festgestellt. "Die treten immer in Gruppen auf."

Doch nicht nur das. Sie feiern auch gerne in Gruppen und sie sind dabei offen für fremde Kulturen. Das beweist ein Bild, das der Rentner von gefleckten Wanzen gemacht hat, die sich am Saft eines Stängels gütlich tun. Ein Marienkäfer wird dabei gerne geduldet. "Übrigens tagelang" hätten die da gefeiert, beschwört Ziegowski, der dies genau beobachtet hat.

Doch auch Krimis spielen sich zwischen den Gräsern ab. So kann Ziegowski bildtechnisch beweisen, wie eine weiße Spinne eine Biene tötet. Beweismaterial hat er auch über das Liebesspiel von Grashüpfern und die Unnahbarkeit der Weibchen angesichts des offenbar nicht überzeugenden Konzerts samt Kopfwackeln des Männchens. Und auch über den Verdrängungskampf der Arten, die sich gegenseitig etwa von einem besonders bequemen Blatt schubsen.

Wanzen sind soziale Tiere, weiß Hobbyfotograf Rainer Ziegowski aus Haar. (Foto: Claus Schunk)

Zirka 50 000 Fotos hat Rainer Ziegowski in den vergangenen vier Jahren gemacht, und alle sind inzwischen im Besitz des Bayerischen Staatsministeriums für Landwirtschaft und Forsten, das sie gerne archiviert. Der Haarer nahm eines Tages Kontakt zu dem Ministerium auf und geriet an einen Mitarbeiter, der die Nutzwälder verteidigt. Diese würden von vielen Menschen für sinnlos gehalten, soll er zu Ziegowski gesagt haben. "Und jetzt kommen Sie und beweisen das Gegenteil", habe sich der Mann gefreut über das bunte Leben auf Ziegowskis Fotos. Alle sechs Monate stellt der Hobby-Fotograf wieder zirka 5000 Stück zu, alle aus diesem kleinen, unscheinbaren Stück Haarer Forst, nur ein paar hundert Meter lang. Denn viel weiter geht Ziegowski mit seiner Kamera nie.

"Ich gehe immer nur ein paar Meter", beschreibt er seine Vorgehensweise. Und das natürlich mit Konzentration und Geduld, quasi als eine Art Meditation. Dabei sieht er mehr als jeder andere Spaziergänger. "Schauen Sie mal dort, die Fliege auf dem Grashalm, sieht aus wie auf einer Landebahn." Klar, dass er das so sieht als ehemaliger Mitarbeiter von British Airways. Dann entdeckt er einen Bläuling, der umher flattert, einen Kohlweißling. Doch das seien ja schon die "Giganten" auf seinen Bildern, sagt er. Die meisten Fotomodelle seien zwischen drei bis sieben Millimeter groß. Doch das nützt ihnen nichts, vor Rainer Ziegowskis Kamerablick bleibt ihr wildes Leben nicht verborgen.

Wenn Wanzen sich gemeinsam am leckeren Saft eines Blütenstängels laben, laden sie sogar Gäste wie den Marienkäfer ein. (Foto: Rainer Ziegowski)

Auch Rainer Ziegowski wird beim Bilderwettbewerb "Haarer Ansichten" der VHS und der Gemeinde Haar mitmachen. Die besten Werke werden im Rahmen des Zamma-Kulturfestivals im Juli 2017 ausgestellt. Jeder Teilnehmer darf fünf Fotos oder Bilder einreichen. Die Fotos müssen in Haar aufgenommen sein, die Bilder einen Bezug zur Gemeinde haben. Weitere Infos www.vhs-haar.de.

© SZ vom 08.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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