Haar:Singen und tanzen gegen den Regen

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Einzelne bunte Regenschirme trotzen dem Regen. (Foto: Claus Schunk)

Die Haarer Künstlermeile soll vor allem einheimischen Gruppen die Möglichkeit geben, sich zu präsentieren. Das funktioniert in diesem Jahr nur bedingt.

Von Bastian Hosan, Haar

Immer wieder müssen sie mit dem Wischer anrücken, die Tanzfläche vor dem Rathaus in Haar abtrocknen. Dann kommen die Tänzer. In ihren Händen halten sie leere Plastik-Kanister, sie wollen darauf aufmerksam machen, wie wir mit dem wertvollen Kunststoff umgehen, den wir brauchen und mit dem wir gleichzeitig unsere Umwelt verpesten. Die Beats der Trommeln geben den Rhythmus an. Den Rhythmus des Tanzes. Der Rhythmus der elften Haarer Künstlermeile wird von anderer Stelle vorgegeben, von oben.

Immer wieder gibt es Regenschauer. Dann zücken die Besucher ihre Schirme. Zwischen den Buden und Ständen wird es dann leer. Hört der Regen auf, werden die Schirme eingeklappt, ausgeschüttelt, dann geht es wieder weiter. Man hört die Trommeln der Truderinger Gruppe "Get together", es singt "El Chorazón", der Chor der Musikschule Haar, überall ist Musik, es duftet nach Süßwaren, Zauberkünstler laufen zwischen den Menschen hin und her.

Die Standbetreiber haben reihenweise abgesagt

Auf der Bahnhofstraße, dem Kirchplatz und der St.-Konrad-Straße stehen Büdchen und Stände nebeneinander. Trotz des Regens, der sich an den Tagen davor ja bereits angekündigt hatte, sind viele gekommen - sie bieten ihre Waren feil, mixen Säfte, Cocktails, braten Würstchen. Kinder stopfen sich Zuckerwatte in den Mund. Aber ob Besucher oder Händler, in diesem Jahr sind es weniger als geplant. "Wegen des schlechten Wetters haben viele Stände abgesagt", sagt Haars Bürgermeisterin Gabriele Müller (SPD). "Das ist schade", schiebt sie hinterher. Aber auch sie versteckt sich unter einem großen Schirm. Regenbogenfarben. Ein bunter Schirm gegen den grauen Himmel.

In den letzten Jahren seien bis zu 10 000 Leute zu dem Fest gekommen. In diesem Jahr werden es wegen des Wetters wahrscheinlich weniger sein. Trotzdem, Müller gibt sich zufrieden. Die Leute kommen, schauen den Tänzern zu, schauen sich die Buden an, sind neugierig. Auch heuer, trotz des Regens. Auch, weil im Rathaus in den vergangenen Tagen immer wieder umgeplant worden ist. Immer wenn ein Händler abgesagt hat, sei die Aufstellung verändert worden. "So sieht man weniger Lücken", sagt Müller.

Einige Aktivitäten waren nur während der Regenpausen möglich. (Foto: Claus Schunk)

Eine, die sich trotz des Wetters nicht aus der Ruhe bringen lässt, ist Rosi Peter aus Straubing. Sie näht Wohnungsdekoration aus Stoff. Wer wegen des Wetters seinen Stand nicht aufbaut, sagt sie, "ist fehl am Platz". Für sie sei die Haarer Künstlermeile ein Experiment. Noch nie habe sie einen eigenen Stand gehabt. Denn noch vor vier Wochen stand sie hinter dem Tresen einer Bäckerei und hat Semmeln verkauft. Ein Experiment also - Marktforschung - ob die Leute ihre Deko mögen. "Na ja, mögen schon. Nur kaufen wollen sie nicht", sagt sie. Dann zuckt sie mit den Achseln. Was soll's?

Flüchtlinge und Einheimische trommeln zusammen

Ein paar Meter weiter sitzt Youssou Ndiaye und trinkt ein Bier. Vor ein paar Minuten noch stand er auf der Bühne vor dem Bürgerhaus und hat getrommelt. Jetzt singt hinter ihm auf der Bühne der Chor der Musikschule. Der Senegalese ist der Kopf hinter der Gruppe "Get together". "Get together", das sind Asylbewerber und Einheimische, die zusammen trommeln - Ndiaye, selbst Flüchtling, hat die Gruppe gegründet. "Weil mir langweilig war", sagt er. Und weil er Kontakt zu den Nachbarn seiner Unterkunft haben wollte. Den ganzen Tag in der Unterkunft sitzen? Das sei nichts für ihn. Jetzt spielt die Gruppe die ersten Konzerte, wie hier auf der Künstlermeile. "Feste, wie diese sind super", sagt er. "Da kann ich Leute kennenlernen."

Kennenlernen, das ist ein Motto der Künstlermeile. Die Haarer, sagt Bürgermeisterin Gabriele Müller, sollen die Möglichkeit haben, die Vereine des Ortes kennenzulernen, die Vereine sollen sich vorstellen können. Haarer Gruppen sollen auftreten, Bands spielen. "Die lokalen Gruppen sollen Auftrieb bekommen", sagt die Bürgermeisterin.

Einer dieser Vereine ist der Imkerverein Vaterstetten-Haar, der mit einem Bienen-Schaukasten angerückt ist. Die Mitglieder wollen den Leuten beibringen, was Imkerei ist, dass sie wichtig ist und immer wichtiger wird - vor allem in den Städten. "Vor sechs Jahren waren wir noch 50 Imker im Verein", sagt Zweiter Vorsitzender Michael Eckert. Jetzt seien es schon 150.

Das Fest wurde extra auf den Samstag verlegt

Klar ist aber auch, dass es nicht ohne Fußball geht. "Wir haben zwei Leinwände aufgestellt", sagt Müller. Hier können die Haarer der Mannschaft an diesem Abend bei ihrer Zitterpartie zum Sieg gegen Italien zuschauen. Die Künstlermeile, soll ein Fest sein für alle. In diesem Jahr sei sie das erste Mal auf einen Samstag gelegt worden, erklärt Müller. Bei dem guten Wetter im vergangenen Jahr sei es schade gewesen, dass sonntags alle so früh haben gehen müssen. Ironie des Schicksals, dass man in diesem Jahr kaum draußen sitzen kann.

Doch nicht nur lokale Gruppen spielen auf der Künstlermeile. Auf der anderen Bühne in der Bahnhofstraße sitzen Jörg Danielsen und Edi Fenzl. Die beiden sind Musiker aus Wien, machen Blues-Rock, touren von Konzert zu Konzert. Sie spielen gegen das schlechte Wetter an - und die Leute bleiben stehen, fangen an mit den Füßen zu wippen, mit den Köpfen zu nicken. Dann aber verschwinden die Köpfe wieder unter den Schirmen, dann gewinnt wieder der Regen.

© SZ vom 04.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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