Haar:Schwertkampf und Ritterromantik

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Auf den Haarer Mittelaltertagen erleben Szenefans und Neulinge zusammen die vergangene Epoche. Seit zwölf Jahren organisiert Ulrich Steinhauser die besonderen Feste in ganz Bayern und staunt noch immer über das Zusammengehörigkeitsgefühl

Von Johanna Mayerhofer, Haar

Ihre Handys haben Helena und Sophie zu Hause gelassen. Die beiden sitzen auf Fellteppichen, die auf einer Wiese unter sonnigem Himmel ausgelegt sind. Zusammen mit ihren Freundinnen, allesamt in weiße oder beigefarbene Leinen gekleidet, wirken die 16- und 18-jährigen Mädchen, als seien sie gerade aus einer mittelalterlichen Filmkulisse entsprungen. "Man nimmt sich Zeit, es ist ein entspanntes Miteinander ohne alltägliche Ablenkungen", sagt Sophie. Bei etwa acht bis zehn Veranstaltungen im Jahr schlüpfen die Waldecker aus Miesbach in ihre Gewänder und lassen die Zeitepoche um 1500 aufleben. An diesem Wochenende hat die 15-köpfige Gruppe auf dem baumumsäumten Gelände des Freizeitparks am Wieselweg in Haar ihr Lager aufgeschlagen - und nimmt die Besucher der Mittelaltertage mit in die Welt der Ritter und Maiden.

Kleiner Ritter, großes Schwert: Bei den Mittelaltertagen geht es archaisch, aber unblutig zu. (Foto: Claus Schunk)

Der Enthusiasmus und die Leidenschaft, mit der die vielen Mittelalterliebhaber ihrem Hobby nachgehen, begeistert Ulrich Steinhauser immer wieder. Das Zusammengehörigkeitsgefühl sei ein besonderes. "Da sitzen Mechatroniker neben Finanzchefs am Lagerfeuer, die würden sich sonst nie begegnen." Seit zwölf Jahren organisiert er bayernweit mit seinem Unternehmen Der Schirrmeister Mittelalterfeste. Dieses Jahr bringt der Organisator erstmals mittelalterliches Ambiente mit Musik, Speisen, Schaukämpfen und Handwerk nach Haar. "Wir werden natürlich dem Ritterklischee gerecht, aber das ist auch in Ordnung", sagt Steinhauser. Mit etwa 50 Zeltständen bewegt sich Haar in der Größenordnung im oberen Drittel der bayerischen Mittelalterfeste. Ursprünglich war die Veranstaltung in Grub nahe Poing im Landkreis Ebersberg geplant. Doch Steinhauser und sein Haarer Kollege Martin Angermeier wichen wegen Unstimmigkeiten in der Gruber Gemeinde mit dem Fest kurzfristig auf das Gelände in dessen Heimatgemeinde aus. Sechs Wochen blieb den beiden Zeit, alles umzuorganisieren. Die Haarer Besucher profitieren von dem Umzug: "Ursprünglich wollten wir Eintritt verlangen, auf dem weitläufigen Gelände in Haar ist das aber nicht möglich", sagt Organisator Steinhauser.

Auch magische Drachenzähne fehlen nicht. (Foto: Claus Schunk)

Während Gruppen wie die Waldecker mit Schaukämpfen und Lageralltag gelebte Geschichte auf der Haarer Wiese zeigen, begeben sich auch viele Besucher auf die Zeitreise durch Früh-, Hoch- und Spätmittelalter: Als Wikinger, Gaukler, Burgfräulein oder Ritter zeigen sich Anhänger der Mittelalterszene generationsübergreifend in detailverliebter Gewandung. Glänzende Rüstungen und Kleider aus Leinen oder Baumwolle werden mit Fellen, Umhängen, Gürteln, Ledertaschen oder Schmuck ergänzt. Unter den Besuchern finden sich aber auch Mittelalterneulinge. Als "eine ganz eigene Welt" beschreibt Irene Martin die Mittelalteridylle bei der besonderen Veranstaltung in Haar. "Ich hätte nicht gedacht, dass so viele in Rüstung und Gewändern hier sind, die leben das einfach", sagt die Waldtruderingerin während sie mit ihrem Mann gemütlich durch die Zeltreihen schlendert.

Ein Trunk darf freilich nicht fehlen. (Foto: Claus Schunk)

An den bunten Zeltständen bieten Händler aus ganz Deutschland Mittelalterbedarf an oder zeigen als Handwerker ihre Fertigkeiten. Neben den Lagern der Mittelaltergruppen biegt Manfred Wirth ein Kupferblech über einer Eisenstange zu einem runden Trichter. Der 63-Jährige ist Kunstspengler und hat sich auf die Fertigung von Kupferbechern spezialisiert. Vor allem die Lagergruppen schätzen seine robusten Trinkgefäße. Seinen ersten gefertigten Kupferbecher, der bis auf ein paar Dellen keine Makel zeigt, hat er seit 36 Jahren immer bei sich. Der Moosburger möchte an seinem Stand die Besucher mit auf eine Zeitreise nehmen - und zeigen, wie handwerklich mit einfachen Mitteln gearbeitet wurde. In 14 Tagen wird Wirth in seinem Heimatort sein Handwerk auf einem Mittelalterfest zeigen. Eines von vielen in der Saison von Mai bis Juli. "Seit einigen Jahren erleben wir einen regelrechten Boom", sagt Ulrich Steinhauser.

Von der anderen Seite der Wiese klingen Kampfschreie und Schwerterklirren zum Stand von Manfred Wirth herüber. Die siebenköpfige Stuntgruppe Burdyri aus Tschechien liefert sich vor vielen staunenden Kinderaugen mit Schwertern, Äxten und Schildern leidenschaftliche Kämpfe. Für Steinhauser, selbst Freizeit-Schwertkämpfer, ist das ein Höhepunkt der Mittelaltertage: "Die sind eine Hausnummer, ganz oben in Europa."

Ob in Zukunft der Haarer Freizeitpark am Wieselweg jedes Jahr Schauplatz eines bunten mittelalterlichen Treibens wird, lässt Ulrich Steinhauser offen. Ideen für zukünftige Feste hätte der Organisator noch viele: "Schön wäre vor allem eine Greifvogelschau."

© SZ vom 01.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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