Haar:Keine Experimente mehr

Lesezeit: 3 min

Haars CSU hätte gerne ein von der Staatsregierung angebotenes offenes Modell der Ganztagsschule ausprobiert. Doch die Mehrheit im Hauptausschuss lehnt dies aufgrund schlechter Erfahrungen mit dem Freistaat ab

Von Bernhard Lohr, Haar

In Haar hat seit vielen Jahren die SPD das Sagen. Sie hat der Kommune einen Stempel aufgedrückt, auf dem auf jeden Fall zwei Worte stehen: sozial und familienfreundlich. Als noch in anderen Gemeinden in Bayern Grabenkämpfe geführt wurden, ob es sinnvoll ist, Kinder ganztags in Kindergärten, Horte oder gar Krippen zu schicken, legte man in Haar los. Man baute die Betreuungsangebote auch für Schüler aus. Mitte der Neunzigerjahre wurde an der Grundschule eine Mittagsbetreuung eingerichtet. Die Volkshochschule schuf 2008 mit dem VHS-Grundschulkolleg ein offenes Angebot. Heute gibt es dazu drei Horte, eine gebundene Ganztagsschule für die Grund- und Mittelschule an der Konradstraße sowie Ganztagsbetreuung am Gymnasium.

Das Angebot ist breit. 820 Kinder aus Grund- und Mittelschule sind in Haar auf irgendeine Weise nachmittags untergebracht. Die Erfahrungen, die die Gemeinde über die Jahre beim Aufbau dieser Strukturen gesammelt hat, sind mannigfaltig. Denn Vorgaben gab es lange Zeit kaum, die Zuschussmöglichkeiten änderten sich von Jahr zu Jahr. Haar war Vorreiter und hat sich schon unter dem langjährigen Bürgermeister Helmut Dworzak (SPD) daran gerieben, was der Gesetzgeber in Bund und Land den Kommunen vorgegeben hat. Das oft wegen seiner starren Vorgaben kritisierte Bayerische Kinderbildungs- und betreuungsgesetz (BayKiBiG) ist eins der meistzitierten Gesetzeswerke im Haarer Gemeinderat. Das war letztens auch wieder so, als über einen Antrag der CSU verhandelt wurde, die Gemeinde möge sich um die Teilnahme an zwei offenen Ganztagsmodellen bewerben, wie sie die Bayerische Staatsregierung in ihrem Ganztagskonzept kürzlich vorgestellt hat. Die Begeisterung in der Rathaus-Verwaltung und auf SPD-Seite hielt sich freilich in Grenzen. Nach dem Motto: alles schon ausprobiert - und, hat nur mäßig funktioniert.

Hintergrund ist der vor kurzem beschlossene Ausstieg der Gemeinde aus dem gebundenen Ganztagskonzept, wie es bis Ende des laufenden Schuljahrs noch an de Konradschule praktiziert wird. Dort hat Haar in Zusammenarbeit mit einem Hort eine Schulbetreuung aufgebaut. Es war ein Modellversuch, bei dem Zuschüsse aus Kultus- und Sozialministerium flossen. Doch es lief, wie schließlich bekannt wurde, alles andere als rund. Die strengen staatlichen Vorgaben für Personal und Raumausstattung wurden als "Knebelung" empfunden, wie Elke Heiß von der Schulverwaltung im Rathaus sagte. Im Endeffekt war das Ergebnis, dass über längere Zeit nicht ausreichend Personal gestellt werden konnte. Haar verabschiedete sich jedenfalls von dem Modell. Im künftigen Schuljahr soll an der Konradschule - und dann neu auch an der Jagdfeldschule - auf eigene Faust ein ebenbürtiges Ganztageskonzept umgesetzt werden, das sich Haar selbst gestrickt hat. 40 000 Euro pro Jahrgang und Schule kostet das, 160 000 Euro etwa im Vollbetrieb an der Konradschule. Eine "nicht unerhebliche Summe", wie man einräumt.

Die CSU in Haar hat nun die Tatsache, dass die Staatsregierung soeben ein neues Ganztagskonzept vorgestellt hat, zum Anlass genommen, dafür zu werben, in einer Gruppe an einer Schule eins von zwei weiteren - diesmal offenen - Ganztagsmodellen auszuprobieren. CSU-Fraktionschef Dietrich Keymer warb unter anderem damit, dass sich die Gemeinde so wieder in das System des BayKiBiG einklinken und in den Genuss von Zuschüssen gelangen könnte. Man solle "neue Entwicklungen nicht verpassen", sagte er. Man dürfe sich nicht wie an einer "Klagemauer" an den angeblich so schlimmen Vorgaben abarbeiten. Viel besser wäre es, konkrete Erfahrungen zu sammeln und dann, auf deren Grundlage, konkrete Forderungen an die Politik zu erheben. Jede Partei habe doch auch Abgeordnete in den Parlamenten, an die man sich wenden könne, sagte Keymer.

Doch die Bereitschaft, sich auf neue Experimente einzulassen, ist im Haarer Rathaus nur noch gering. Susanne Hehnen, Leiterin der Abteilung Soziales und Kindertageseinrichtungen, sagte im Hauptausschuss des Gemeinderats, das von der Staatsregierung propagierte Kombi-Modell unterschiede sich im Grunde durch nichts von dem zuletzt praktizierten Modell an der Konradschule. Thomas Fäth (SPD) sagte, er würde nur ungern zum BayKiBiG zurückkehren. Mike Seckinger (Grüne) sagte, man könne nicht gut ein Modell zur Probe einführen, das man schon "ausprobiert" hat. Bürgermeisterin Gabriele Müller (SPD) warnte offen vor einem leichtfertigen Experiment. Der Hauptausschuss lehnte gegen die Stimmen der CSU den Antrag ab, neue Betreuungsformen auszuprobieren. Einstimmig beschloss man dagegen, zu untersuchen, ob das VHS-Grundschulkolleg und die Mittagsbetreuung in eine offene Form der Ganztagsschule überführt werden können.

© SZ vom 30.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: