Haar:Flammender Appell an OB Reiter

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Haar sieht durch eine Baugenehmigung am Rappenweg in Trudering Ziele bei Wohnungsbau und Verkehrsentlastung in Gefahr

Von Bernhard Lohr, Haar

In Haar ist das Entsetzen groß. Keiner spricht vom Gau oder Supergau. Aber die Reaktionen aus dem Rathaus zeigen deutlich, dass man dort gerade dabei ist, den aus eigener Sicht wohl größten anzunehmenden Unfall zu verarbeiten, der die Entwicklung der Gemeinde im Raum Gronsdorf an der Stadtgrenze zu München nachhaltig beeinträchtigen könnte. In dem seit Jahrzehnten währenden Streit um die Ordnung des wild gewachsenen Gewerbegebiets am Rappenweg in Trudering hat jene Grundstückseigentümerin, die hartnäckig Veränderungen verhindert, im September nun einen weiteren, womöglich entscheidenden Sieg davongetragen.

Die auf Haarer Seite verfolgten Pläne für eine Nordtangente nördlich der S-Bahntrasse sind damit womöglich obsolet. Auch eine Erschließung großer potenzieller Wohnbauflächen am Bahnhof Gronsdorf, die sich in der Hand der Stadt München befinden, könnte sich erledigt haben. Haar ruft München auf, gemeinsam gegen die Fehlentwicklung vorzugehen. Bürgermeisterin Gabriele Müller (SPD) kündigt in einem Brief, den sie an ihren Parteifreund, den Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter, geschrieben hat, zudem an, rechtliche Schritte zu ergreifen.

Den Anlass für die dramatische Reaktion aus Haar liefert ein aktueller Verwaltungsvorgang im Münchner Rathaus, der die bisherigen Bemühungen, ein für den Bau der Nordtangente benötigtes Grundstück von besagter Grundstückeigentümerin zu bekommen, ad absurdum führt. Denn genau das Gegenteil ist nun passiert. Auf Grundlage einer bereits knapp zwei Jahre zurückliegenden Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs erging am 8. September von der Stadt München ein Bescheid, der der fraglichen Grundstückseigentümerin sogar Baurecht einräumt. So darf sie vier Gewerbebauten samt Stellplätzen errichten und damit rechtlich abgesichert Fakten schaffen. Ein Gebäude würde exakt auf dem geplanten Trassenverlauf liegen, erläutert Ute Dechent, Sprecherin im Haarer Rathaus. Die Erschließung des Ensembles, das sich auf Münchner Flur befindet, soll von Haarer Seite erfolgen; die Anfahrt würde über die Herzogstandstraße gehen.

Bürgermeisterin Müller stellt in dem Schreiben an OB Reiter klar, dass diese Baugenehmigung, die eigene Entwicklungen behindere und zugleich die Haarer Bürgerschaft in unzumutbarer Weise belaste, nicht "reaktionslos" hingenommen werden könne. Es bestehe "dringender Handlungsbedarf seitens der Landeshauptstadt", schreibt Müller. Es liege im Interesse beider Kommunen, die hervorragend durch die S-Bahn erschlossenen Flächen in Gronsdorf für den Wohnungsbau zu erhalten. Die Grunderwerbsverhandlungen, die München seit Jahrzehnten führe, müssten zu einem erfolgreichen Abschluss gebracht werden. München und Haar müssten "gemeinsam handeln". Im Schulterschluss könne ein Erfolg erzielt werden.

Zunächst versucht Bürgermeisterin Müller einmal im Schulterschluss mit dem SPD-Landtagsabgeordneten Peter Paul Gantzer aus Gronsdorf die Landeshauptstadt zum Handeln zu bewegen. Auch Gantzer hat sich schriftlich an OB Reiter gewandt. Die Argumentation des Verwaltungsgerichtshofs zeige, dass die Untätigkeit der zuständigen Abteilung der städtischen Bauverwaltung dazu geführt habe, die unerwünschten Fakten zu schaffen. Gantzer will von der Stadt nun wissen, wann geordnete Verhältnisse in dem Gewerbegebiet Rappenweg geschaffen würden. Außerdem fragt er, ob eine Erschließung über Haar entfallen könne, sobald eine solche über München möglich sei. Schließlich legt Gantzer nahe, angesichts des angerichteten Schlamassels die verantwortliche Abteilung im Münchner Rathaus einfach "aufzulösen und neu zu gründen".

© SZ vom 07.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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