Grünwald:Routiniert wie die Profis

Lesezeit: 3 min

Auf musikalisch hohem Niveau präsentieren 275 Talente Können beim Regionalwettbewerb von "Jugend musiziert" im August Everding Saal

Von Helena Ott, Grünwald

Aus den Stuhlreihen der Tribüne ragen Violinenbögen, Alt-Blockflöten und Querflötenhälse empor. Ihre Besitzer - die Jüngsten unter ihnen sind erst sechs Jahre alt - sehen gebannt auf die Bühne des August Everding Saals in Grünwald. Wie die etwa 300 Zuhörer lauschen sie ganz still dem Spiel der Auserwählten, die einige Stunden zuvor die Jury beim Wettbewerb "Jugend musiziert" überzeugt haben. Jetzt ist Marlene Drobisz mit einem Stück von Robert Schumann an der Reihe. Routiniert setzt sie sich an den schwarzen Flügel. Der Klavierhocker wird ihr von einem Musiklehrer ein ganzes Stück nach unten gestellt - jetzt passt alles. Leichtfüßig spielt die Achtjährige die quirlige Notenfolge in hohem Tempo. "Ich versuche einfach ganz tief durchzuatmen, wenn ich merke, das ich aufgeregt bin", sagt Marlene. Ihre Augen leuchten, als sie mit großem Applaus belohnt wird.

Auf der Bühne herrscht nun fliegender Wechsel; 46 Nachwuchstalente präsentieren im Solo oder Ensemble eines ihrer Stücke. Bei "Jugend musiziert" sind die Teilnehmer keine Konkurrenten. Vielmehr werden wie in der Schule mehrere Einser in Form von 1. Preise für verschiedene Instrumente und Altersgruppen vergeben. "Es geht uns nicht darum, nur besonders begabte Jugendliche auszuwählen, sondern wir wollen Jugendliche in der Breite bei ihrem musikalischen Talent fördern.", sagt Bernhard Huber, stellvertretender Leiter der Musikschule Grünwald, die den Regionalwettbewerb jährlich ausrichtet.

Zum 54. Mal haben sich 275 Musiker aus dem südlichen Landkreis und den Kreisen, Miesbach, Bad Tölz-Wolfratshausen und Starnberg zum Vorspiel angemeldet. Eine logistische Herkulesaufgabe die Musiker nach einem minutengenauen Zeitplan auf Räume und Juroren zu verteilen.

Aus der Vielzahl an Teilnehmern wird ein abwechslungsreiches Programm für die Preisträgerkonzerte am Abend ausgewählt. Es reicht von getragenen Stücken aus dem Barock, über klassische Werke von Mozart und Clementi bis hin zu sehr bekannten, modernen Melodien wie "Baby Elephant Walk" von Henry Mancini.

Auch Jazz hat seine Anhänger unter den Nachwuchstalenten: Phineas Engel und Levent Geiger intonieren auf dem Alt-Saxofon auf mitreißende Weise die "Jazz Police" von Gordon Goodwin. Die Anspannung vom ersten Vorspielen ist längst von ihnen abgefallen. Sichtlich genießen sie den Auftritt vor Publikum und füllen mit ihrer Performance die ganze Breite der Bühne aus.

Nicht mal eine Stunde zuvor, saß Levent Geiger aus Stockdorf mit rasendem Puls noch beim Klaviervorspiel. Er ist ein Ausnahmetalent seiner Altersstufe und beim diesejährigen Wettbewerb mit drei Instrumenten - Klavier, Saxofon und Schlagzeug - dabei. Bei seinem Wertungsspiel zeigt er, dass man als 13-Jähriger eine Bühnenpräsenz wie ein erfahrener Profi haben kann, verzichtet auf Noten und spielt mit dem Publikum, das er am Ende mit einem Gag, bei dem er zu früh vom Klavierhocker aufspringt, hochnimmt.

Die Zuhörer staunen und viele klopfen ihm nach dem Vorspiel anerkennend auf die Schulter. Auch Jurorin Michaela Pühn von der Musikhochschule München ist überzeugt von Levents Leistung: "Da reichen einem die 25 Punkte, die man vergeben kann gar nicht aus"; sagt sie und beloht den 13-Jährigen mit einem 1. Preis und der begehrten Weiterleitung zum Landeswettbewerb im April in Bad Kissingen.

Nach seinem Auftritt schwelgt der junge Pianist auf einer Wolke des Glücks: "Ich bin so froh - in den Proben hatte es bei weitem noch nicht so gut geklappt". Levent verbringt einen Großteil seiner Zeit mit Musik; meist übt er zwei bis drei Stunden täglich. "Das Musikmachen macht mir einfach so viel Spaß; mein Traum ist es Berufsmusiker zu werden", sagt er. Die erste Hürde dazu ist nun genommen. Wenn es so weitergeht folgt für ihn nach dem Landeswettbewerb in diesem Jahr der Bundeswettbewerb von "Jugend musiziert", den nahezu alle jungen Musiker durchlaufen, die sich an Musikhochschulen bewerben.

Auf der Bühne nähert sich das Preisträgerkonzert dem Ende. Innerhalb weniger Sekunden wird der nächste Auftritt vorbereitet. 30 ältere Musikschüler unterstützen die Talente beim Aufbau ihrer Instrumente und sind das ganze Wochenende für einen reibungslosen Ablauf im Einsatz. Davon profitiert auch das Streich-Trio aus Katharina Jellema, Paula Zoelch und Felix Lorenz, das als nächstes auf die Bühne geholt wird. Die drei Elf- und Zwölfjährigen - alle in rot-schwarz gekleidet - haben reichlich Bühnenerfahrung. Mit viel Witz und Frische spielen sie ein heiteres zeitgenössisches Stück von Peter Ludwig. Doch auch diese souveräne Leistung erfordert Disziplin: "Am Schluss haben wir mehrmals in der Woche zu Dritt geübt", sagt Paula Zoelch. Ein Mann aus dem Publikum will für den Auftritt direkt einen Preis für die beste Bühnenperformance ausloben.

© SZ vom 06.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: