Garching:Mumbai, wir kommen

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Sven Jandura, Friedrich Hübner, Vincent Grande, Georg Berger und Arne Wolf (von links) haben sich in Garching für die Physikolympiade qualifiziert. (Foto: Robert Haas)

Die Teilnehmer der Physikolympiade stehen fest

Von Christina Jackson, Garching

Für Vincent Grande lohnt sich die Beschäftigung mit physikalischen Problemen. "Das schafft Raum für Kreativität", sagt der Abiturient aus Leipzig. Neben ihm steht ein Nobelpreisträger und lächelt. Theodor Hänsch erhielt im Jahr 2005 für die Entwicklung des Frequenzkamms und seiner Forschung zur Laserspektroskopie den Nobelpreis für Physik. Erste Einblicke in seine Arbeit gewährte er 15 jungen Nachwuchswissenschaftlern am Garchinger Max-Planck-Institut für Quantenoptik. "Ich habe auch nicht alles sofort verstanden, aber der Kontakt zu diesen hervorragenden Physikern war extrem spannend", resümiert Grande.

Zusammen mit 15 Schülern aus ganz Deutschland war er nach Garching gekommen, um sich für die Teilnahme am Finale der 46. Internationalen Physikolympiade vom 4. bis 13. Juli im indischen Mumbai zu qualifizieren. Mit Erfolg: Vincent Grande holte mehr Punkte als seine 15 Konkurrenten und gehört damit zu den besten Schülern aus Deutschland. Das Auswahlverfahren ist langwierig und kompliziert. Nach vier Auswahlrunden mit 490 Teilnehmern bleiben am Ende fünf übrig. Im letzten Qualifikationsverfahren, das diesmal in Garching stattfand, mussten die Schüler zwei Klausuren mit sechs Aufgaben lösen und zwei Experimente erfolgreich durchführen. Die Nachwuchswissenschaftler opferten dafür eine Woche ihrer Ferien. In den Labors des Instituts durften sie den Mitarbeitern bei ihren täglichen Aufgaben zusehen, und es gab Ausflüge ins Deutsche Museum.

Auf diese Weise nahm auch der Festvortrag, den Theodor Hänsch vor der Preisverleihung zum Auswahlwettbewerb hielt, eine erfahrbare Gestalt an. "Leidenschaft für Präzision" überschrieb der Nobelpreisträger seine Ausführungen zur Prämierung. Auf der Suche nach der größtmöglichen Exaktheit hat sich der Physiker in den vergangenen Jahren intensiv mit der Lasertechnik beschäftigt. So entwickelte Hänsch den Frequenzkammgenerator, der eine ausgesprochen genaue Messtechnik zur Verfügung stellt. Dabei erzeugt ein Laser mit ultrakurzen Pulsen einen Kamm. Besagte Pulse sind wenige Femtosekunden lang. Um es annähernd verständlich zu machen: Eine Femtosekunde entspricht 0,000000000000001 Sekunde.

Die Physik-Leidenschaft ist es auch, die den 1941 geborenen Wissenschaftler vom Ruhestand fernhält. Hänsch: "Ich habe meine Arbeit immer geliebt und bin froh, dass ich weitermachen kann, obwohl ich eigentlich längst in Rente sein müsste". Als er in den Siebzigerjahren zum Physiker Arthur Schawlow an die kalifornische Stanford University ging, wurde ihm bald klar, dass er seinen Platz im wissenschaftlichen Kosmos gefunden hatte. "Begegnete man in den Fluren der Universität Professor Schalow, so erkundigte er sich jedes Mal, was man an diesem Tag entdeckt habe."

Die tägliche Lust am Entdecken im Experiment und am Schreibtisch haben die jungen Wissenschaftstalente in Garching ebenfalls zelebriert. Beispielsweise bei einer Klausuraufgabe, die in der Statik hätte Anwendung finden können. Die Teilnehmer berechneten, an welcher Stelle ein Schornstein bricht, wenn er umfällt. Im Experiment bestimmten sie außerdem ohne Waage die Masse einer Holzplatte.

Die Tatsache, dass noch immer mehr Männer von der Leidenschaft für die Naturwissenschaften gepackt werden, ist Stefan Petersen vom Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik bekannt. Er leitet den nationalen Auswahlwettbewerb für die Physik-Olympiade. "Wir registrieren einen Frauenanteil von sieben Prozent."

Dabei profitieren die Nachwuchswissenschaftler im Lauf ihrer Unikarriere enorm von einer Wettbewerbsteilnahme. Die Schüler der vierten Auswahlrunde werden in die Studienstiftung aufgenommen und erhalten eine Begabtenförderung während des Studiums. Wie groß letztlich die Chance auf Erfolg beim internationalen Vergleich in Mumbai sein wird, hängt nicht zuletzt von der Vorbereitung ab. Während die Teilnehmer aus den asiatischen Ländern bereits Wochen vor dem Finale intensiv trainieren und teilweise sogar vom Unterricht freigestellt werden, soll die deutsche Delegation ihr Wissen mit Freude erproben. Petersen: "Uns kommt es auf die Begeisterung für Physik an, nicht auf den Leistungsdruck."

Vincent Grande hat seinen Ehrgeiz auch ganz ohne Stress entdeckt: "Ich hatte mich bereits zweimal für die Physik-Olympiade beworben und bin dabei leider im Auswahlverfahren gescheitert." Dieses Mal lief alles perfekt. Zusammen mit Arne Wolf, der ebenfalls die Wilhelm-Ostwald-Schule in Leipzig besucht, und drei weiteren Finalisten fliegt er im Juli nach Mumbai. Vielleicht kann das deutsche Team dann auch an den Erfolg von 1989 anknüpfen. Damals gewann die Bundesrepublik Deutschland bei der Physik-Olympiade in Warschau. Zum ersten und letzten Mal in 46 Jahren.

© SZ vom 14.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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