Garching:Mit Herzblut dabei

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Die Nachbarschaftshilfe Garching hat 80 engagierte Mitarbeiter, die sich um die Bedürfnisse von Bürgern in jeder Altersstufe kümmern

Von Gudrun Passarge, Garching

Leonie reckt die Arme hoch, das Bein mit der geringelten Leggins und den blau-weiß gepunkteten Socken hält sie hoch in die Luft wie ein Storch, der in der Wiese schreitet. Sie wirkt konzentriert, vor ihr stehen gelbe Gummistiefel, in die sie mit den Füßen reinschlüpfen will - und das alles ohne umzufallen. Aufbruchstimmung im Flur der Kinderkrippe "Nachbarskinder", gleich zieht Ilse Wulff mit dem Bollerwagen und einigen der älteren Kinder wieder los in Richtung Wald, wie jeden Tag.

Alltag in der Kinderkrippe der Garchinger Nachbarschaftshilfe, die vor kurzem ihr zehnjähriges Bestehen gefeiert hat, wie die Leiterin Ingrid Fleisch-Schmidt erzählt. 20 Kinder besuchen die Einrichtung, der Jüngste ist eineinhalb Jahre alt. Im Spielzimmer hüpft Ben gerade los und macht einen Bauchplatscher. Die Kinder hatten sich gewünscht, Schwimmbad zu spielen. Viele Kissen sollen das Wasser ersetzen, deswegen spritzt es auch nicht, als Ben in dem Haufen landet. Sechs Mitarbeiterinnen kümmern sich um das Wohl der Kinder, "alle arbeiten Teilzeit", erzählt die Leiterin. Die Fluktuation sei gering, jede Mitarbeiterin habe es sich so eingerichtet, wie es für sie passt.

Angelika Faschinger, die Vorsitzende der Nachbarschaftshilfe, bestätigt, dass der gemeinnützige Verein keine Personalprobleme habe. "Wir haben gut qualifiziertes Personal", sei es in der Mittagsbetreuung, in der Kinderbetreuung, in der Seniorenbegleitung oder in der ambulanten Pflege. "Wir suchen derzeit niemanden." Auf die Gründe angesprochen, hat die 58-Jährige ihre Vermutung, "vielleicht weil in der Nachbarschaftshilfe ein anderer Geist weht. Wir sind auch gegenüber unseren Mitarbeitern sozial eingestellt."

Die Mitarbeiter sind Teil einer einzigartigen Erfolgsgeschichte, von der Faschinger berichtet. Gab es im Jahr 2000 erst 26 Mitarbeiter, die meisten von ihnen arbeiteten als geringfügig Beschäftigte, so zählt die Statistik für 2014 bereits 80 Mitarbeiter, 30 von ihnen arbeiten in Voll- oder Teilzeit, 50 sind geringfügig Beschäftigte. "Wir sind ein mittelständisches Unternehmen", sagt Faschinger. Gerade der Bereich Familien- und Seniorenhilfe sei stark gewachsen, denn immer mehr ältere Menschen wollten so lange wie möglich in ihrem Zuhause bleiben, wozu sie allerdings Hilfe benötigten. Es gibt Helfer, die die Wohnung sauber halten, andere kommen zu Besuch, unterhalten sich mit den Senioren oder gehen mit ihnen zum Arzt oder zum Spazieren.

Astrid Held, 48, ist so eine Seniorenbegleiterin. Zusammen mit Elisabeth Staron, 95, sitzt sie im Büro der Nachbarschaftshilfe. "Im Februar hatten wir unser Einjähriges, da haben wir Sekt getrunken", erzählt Held. Insgesamt betreut sie vier ältere Frauen, besucht sie im Pflegeheim, begleitet sie zum Arzt. Als ihr Mann vor acht Jahren starb, sagte sich Astrid Held, dass sie der Nachbarschaftshilfe, die sie damals unterstützt hatte, etwas zurückgeben wollte. Sie machte also den Kurs mit und engagiert sich seitdem. "Mir macht es Freude. Es gehört halt zu meinem Leben dazu." Sie findet, dass beide Seiten davon profitieren. Elisabeth Staron nickt. "Ich bin froh, dass ich jemand habe. Allein ging es nicht. Und es ist gut, auch mal mit jemand anderem zu reden." Zwar wohnt ihr Sohn im selben Haus, zwar kocht sie noch gelegentlich, beispielsweise das Hühnergulasch mit viel Zwiebeln und Paprika, von dem der Sohn so schwärmt, aber trotzdem freut sie sich auf die Termine mit Astrid Held. Die Heilpraktikerin geht sehr liebevoll mit der Seniorin um, das Verhältnis ist herzlich. Aber manchmal bekommt sie natürlich auch traurige Dinge mit. Sie erzählt von der Frau, die zunehmend schlechter sah und hörte, und die sich sehr einsam fühlte. Wenn Held sich verabschiedete, habe sie immer gebeten, sie solle doch noch bleiben. Es war stets ein schmerzlicher Abschied, "das fand ich schon ein bisschen belastend", sagt Held. Dann nimmt sie Elisabeth Staron am Arm und begleitet sie wieder raus auf den Rathausplatz.

Held ist ein typisches Beispiel für eine Mitarbeiterin der Nachbarschaftshilfe. Die Helfer seien mit Herzblut dabei, sagt Faschinger, die sehr froh ist, dass sich so viele Garchinger engagieren wollen. Umgekehrt engagiert sich die Nachbarschaftshilfe in Garching und baut ihre Leistungen immer weiter aus. "Wir gehen auf die Bedürfnisse der Bewohner von Garching ein." Brauchen die Mütter Kinderbetreuung, die Nachbarschaftshilfe ist zur Stelle. Benötigt jemand ambulante Pflege? Ein Anruf bei der Nachbarschaftshilfe genügt. Der Verein habe noch immer helfen können, "bis zum Ende des Lebens", sagt Faschinger und spielt damit auf die Hospizhelfer an. Relativ neu ist auch noch die Demenzaktivierungsgruppe, ein Bereich, der weiter ausgebaut werden soll, wie Faschinger sagt. Gerade für Angehörige sei es eine große Hilfe, auch mal einen Vormittag frei zu haben, um Arztbesuche oder Einkäufe in Ruhe erledigen zu können.

Zunehmend wichtiger wird auch der Bereich der Beratung, sei es von Betroffenen oder Angehörigen. Sie informieren sich, welche Rechte sie haben, welche Zuschüsse ihnen zustehen, an wen sie sich um Hilfe wenden können. Bei der Nachbarschaftshilfe bekommen sie Auskunft, "und das alles unentgeltlich". Außerdem ist der Verein ständig bemüht, seine Mitarbeiter zu schulen und fortzubilden.

Ist ein Ende der Fahnenstange abzusehen? "Man kann wachsen ohne Ende, aber man muss es auch bewältigen können", sagt die Vorsitzende. Ihr ist besonders eines ganz wichtig: "Wir haben den sozial zugewandten Blick für den, der Hilfe braucht. Das darf nicht verloren gehen."

Leonie hat inzwischen den Weg in ihre Stiefel gefunden. Es kann losgehen. Sie hüpft nach draußen. Vielleicht führt der Ausflug heute an den Hühnern vorbei. Vielleicht führt er in den Wald. Es wird auf jeden Fall ein spannender Tag.

© SZ vom 31.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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