Garching:Die Helferin

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Martina Hanuschik aus Garching organisiert Spendentransporte auf die griechische Insel Lesbos, kümmert sich als Kinderkrankenschwester um Flüchtlinge, ist in Mutter-Kind-Gruppen aktiv - und plant schon neue Aktionen. Der Landkreis hat sie mit der Ehrennadel ausgezeichnet

Von Gudrun Passarge, Garching

Martina Hanuschik fackelt nicht lange. Wenn irgendwo Hilfe gebraucht wird, ist sie zur Stelle. Das war so, als täglich Tausende von Flüchtlingen in Lesbos anstrandeten, das war so, als es darum ging, in Garching Mutter-Kind-Gruppen bei der Nachbarschaftshilfe aufzubauen. Auch bei der Betreuung der Flüchtlinge in der Garchinger Unterkunft ist sie aktiv. Und wenn ein Kuchen im Seniorencafé gebraucht wird, bringt sie den schnell vorbei - außer ihr Hund Amani, ein ausgemachtes Leckermaul, hätte ihn vorher entdeckt. Landrat Christoph Göbel hat der Kinderkrankenschwester gerade erst die goldene Ehrennadel für ihr Engagement übergeben. Jetzt plant sie bereits neue Aktionen. Auf Lesbos und in Garching.

Mit Lesbos verbinden sie familiäre Bande. Martina Hanuschik ist zur Hälfte Griechin. Ihr Vater wurde in dem Dorf Skala Sykameneas geboren und lebt heute wieder dort nach dem Tod von Hanuschiks Mutter. Die gebürtige Bochumerin besucht ihn jedes Jahr und so blieb es nicht aus, dass sie die Flüchtlingskrise 2015 hautnah miterlebte. Sie und ihre Töchter Marilena, 21, und Jovana, 16, halfen den oft völlig erschöpften Menschen aus dem Wasser, gaben ihnen Wasser und Kekse.

Über dieses Stadium ist sie schon lange hinaus. Zurück in Garching organisierte sie mit Unterstützung der Nachbarschaftshilfe eine Spendenaktion, um dringend benötigte Dinge nach Lesbos zu liefern. Das war Anfang September. Anfang Oktober transportiert ein Flieger von Air Berlin 1,3 Tonnen auf die Insel. Dazwischen lagen hektische Tage und Nächte, erzählt Hanuschik. Die ganze Familie war eingespannt. Die Töchter halfen ebenso wie viele Freundinnen beim Packen, Lebensgefährte Stefan Staedel war für die Logistik verantwortlich. "Hier stand alles voll. Das Gäste-WC war bis unter die Decke vollgepackt", sagt sie. "Das waren vier spannende Wochen." Denn alles musste gleichzeitig passieren. Sammeln und Einpacken, Kontakte zu Firmen knüpfen und Spenden organisieren, den besten Transportweg finden.

Bedrückende Stunden: Martina Hanuschik mit ihren Töchtern am Berg der Westen auf Lesbos. "Jede Weste erzählt eine ganz eigene Geschichte." (Foto: Hanuschik/oh)

Es klappte gut, doch dann sprang ihr die Hilfsorganisation ab, die auf Lesbos alles verteilen wollte. "Ich wusste nicht mehr, wohin damit." Damals suchte sie den Kontakt zur Familie Kempson. Der britische Künstler Eric Kempson und seine Frau Philippa leben seit vielen Jahren auf Lesbos. Sie haben sich sehr früh in der Flüchtlingshilfe engagiert, bevor professionelle Helfer eintrafen. Tatsächlich konnte der Künstler auch ihr helfen. Die Lieferung wurde ins Dorf ihres Vaters gebracht und ein entfernter Verwandter gab die Kisten mit Babynahrung, Windeln, Kleidung an Flüchtlinge weiter. "Nach zweieinhalb Wochen war der letzte Karton verteilt", sagt sie. Wie überhaupt viele Menschen sich stark engagierten im Dorf ihres Vaters und einem Nachbarort. Drei von ihnen waren sogar für den Friedensnobelpreis nominiert - gingen allerdings leer aus.

Inzwischen hat sich die Lage in der Ägeis etwas beruhigt. Es kommen weniger Menschen an, nur noch ein Boot am Tag im Durchschnitt, sagt Hanuschik. Die Helfer sind aufgestellt, die Flüchtlinge werden in zwei Lagern auf der Insel versorgt und der Brand vor kurzem war wohl doch nicht so schlimm, wie zuerst angenommen. Auf jeden Fall besteht jedoch noch Bedarf an Hilfsgütern. Das hat sie bei ihrem diesjährigen Urlaub auf Lesbos festgestellt. Dank der großen Spendenbereitschaft der Garchinger hatte sie noch ein wenig Geld, das sie den Kempsons gleich überlassen konnte. "Es fehlt an Medikamenten, zum Beispiel Insulin."

Mit dem Ehepaar hat sie besprochen, wie es weitergehen soll. Es gibt eine Liste von Dingen, die die Flüchtlinge brauchen. Babynahrung etwa, die in Griechenland zwei bis dreimal so viel kostet wie in Deutschland. Kleidung für Babys. Hosen, T-Shirts und Jogginghosen für Männer in allen Größen, "und vor allem Schuhe", gerne Sportschuhe in den Größen zwischen 40 und 44, Schlafsäcke und kleine Zelte. Auch Geld könnte sie noch gut gebrauchen, denn manche Dinge, wie etwa Babynahrung oder Unterwäsche, würde sie gerne kaufen. Hanuschik wird wieder über die Nachbarschafshilfe zu Spenden aufrufen und die Kempsons werden die Verteilung der Güter übernehmen. Für die Hanuschiks bedeutet das wieder ausgefüllte Tage und Nächte, vorausgesetzt, die Garchinger spenden so wie beim ersten Mal.

Aber die Hilfe für Lesbos ist nicht das einzige, was Martina Hanuschik für den Oktober plant. Sie will auch die Mutter-Kind-Gruppen der Nachbarschaftshilfe wieder aufleben lassen. Ihr geht es darum, Tipps rund um das Thema Baby zu geben. Einmal in der Woche soll sich die Gruppe im Königsgarten treffen. Vielleicht werden es auch zwei, getrennt nach Alter. Von null bis sechs Monate und von 7 bis 12 Monate. Fingerspiele, Bewegung, Anregung, Unterhaltung und dazu der Austausch mit anderen. Von ihren früheren Gruppen weiß die Kinderkrankenschwester, dass teils richtige Freundschaften daraus erwachsen sind. Sie freut sich, wenn sie die Leute heute im Ort trifft und sieht, dass da etwas entstanden ist, was andauert. Als sie vor vier Jahren ihren Halbtagsjob bei der Stadt München angenommen hat, hörte sie mit den Gruppen auf, "es kollidierte mit dem Familienleben". Aber jetzt sei es Zeit, wieder anzufangen.

Die Gruppen, so wünscht sie es sich, könnten nicht nur Garchingerinnen interessieren, sondern auch eine Anlaufstelle für die ein oder andere Flüchtlingsmutter sein. Hanuschik arbeitet auch ehrenamtlich in der Garchinger Flüchtlingsunterkunft als Kinderkrankenschwester, deswegen hat sie viele Kontakte zu Frauen mit Babys, sie ist sogar die Patentante von Max, einem Baby aus Sierra Leone. Ob eine oder zwei Gruppen, ob viele oder sehr viele Spenden - Martina Hanuschik wird es im Herbst nicht langweilig werden.

Wer helfen möchte, kann bei der Nachbarschaftshilfe Garching unter dem Stichwort "Flüchtlingshilfeprojekt Lesbos" einen Beitrag leisten: Kreissparkasse München Starnberg Ebersberg, IBAN: DE 40 7025 0150 0090 1904 14, BIC: BYLADEM1KMS, Sachspenden sind mit Martina Hanuschik abzusprechen, martina.hanuschik@nbh-garching.de.

© SZ vom 08.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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