Frühlingskonzert:Wiener Blut

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Alles Walzer beim Frühlingskonzert im Kirchheimer Gymnasium. (Foto: Claus Schunk)

Hans Lederwascher und seine Spielmusik bieten in Kirchheim eine musikalische Reise mit viel Mitsingpotenzial

Von Julian Carlos Betz, Kirchheim

Die Aula des Gymnasiums ist brechend voll, kaum ein Platz ist noch frei, und die Luft ist von der Tageswärme noch ganz erhitzt. Das Interesse am Frühlingskonzert des ehemaligen Kreisvolksmusikpflegers Hans Lederwascher und seinem Orchester am Samstagabend in Kirchheim ist groß. Mit dem einstimmenden Marsch "Wien bleibt Wien" von Johann Schrammel ist auch gleich das Thema des Abends festgelegt: Was schön ist, ist schön und bleibt es auch.

Sehr kompetent und mit Humor führt die Kirchheimer Kulturreferentin Katharina Ruf durch den Abend, indem sie Anekdoten, Zitate und Hintergründe in das unterhaltsame Programm einflicht. Von der "goldenen Operettenzeit" in Wien ist dabei die Rede, von den "Wurzeln der Unterhaltungsmusik" und von der damaligen "Tanzlust der Wiener Gesellschaft" im 19. Jahrhundert, die sich noch in so manchem Stück des Abends ausdrücken wird. Auch eine kleine Spitze gegen den Bayerischen Rundfunk und den ORF erlaubt sich die eloquente Rednerin: Schließlich sei vor zwei Jahren die bayerische Volksmusik aus dem Hauptprogramm des öffentlich-rechtlichen Senders verschwunden - ebenso wie in Österreich. Sie wundert sich darum nicht, wenn gerade jüngere Leute kaum etwas wüssten von dieser herrlichen Musik, die "Heiterkeit und Gemütlichkeit" verbreite sowie die Vergänglichkeit besinge. Die Stücke des Abends selbst changieren dabei zwischen der bekannten Eleganz der Wiener Tanzmusik und eher leichteren Liedern, die auch mal einige Lacher zulassen.

Fühlt man sich als Zuhörer bei den klassischen zwölf Hofballmenuetten von Joseph Haydn stark an den noch heute medial präsenten Wiener Opernball erinnert, seine Grandezza mit österreichischem Akzent, adeligem Publikum und rauschenden Kleidern, so schafft es gerade Bariton Richard Wiedl mehrmals mit seinen schauspielerischen Einlagen, die Gäste zu ausgelassenen Bravo-Rufen und Applaus zu verleiten. Besonders stürmisch ist die Begeisterung schließlich bei Hermann Leopoldis Lied "I bin a stiller Zecher". Wiedl, der den vermeintlich stillen Zecher mimt, torkelt dabei geschickt über den vorderen Rand der Bühne, schwingt das halb gefüllte Weinglas und lässt sich auch gerne mal vornüber von der Bühne fallen. Elisabeth Artmeier, die von Ruf als "Kirchheimer Star" eingeführte Sopranistin, welche allein und an Wiedls Seite auftritt, wird von den Zuhörern ebenfalls mit deutlicher Anerkennung belohnt, wenn sie ihre Stücke mit einem kraftvollen Schlusston beendet.

Auch wenn Katharina Ruf in ihrer Einführung bedauert, dass diese kulturelle Sphäre immer mehr in den Hintergrund gerät und damit mehr und mehr der Vergangenheit angehört, ist doch deutlich, dass es sich bei dieser Musik um eine gelebte Rückbesinnung handelt. Sie selbst spricht davon, dass der Beginn dieser Lieder und Stücke mit dem Verblassen der großen Wiener Klassik und ihrer Vertreter einsetzt, also in den 1850er Jahren. Die Menschen sehnten sich nach dieser Zeit zurück und dafür stehe diese Form der musikalischen Heiterkeit ganz besonders. Wiedl nimmt jedoch auch offensichtliche Bezüge zur Gegenwart: Im Lied "I' hab' die schönen Maderl'n net erfunden" von Ludwig Schmidseder aus dem Jahr 1937 kommentiert er seine Rolle als dauerverliebter Kavalier mit den Worten: "Me too? Jaja..."

Überhaupt wird deutlich, dass sich die Gemütlichkeit der Wiener Volksmusik teilweise auch aus einer gewissen bewussten Langsamkeit speist, die gerne auch einmal das Neue pauschal zurückweist, um der Gemütlichkeit willen: "Computer brauch ich keinen", singt Wiedl mit wegwerfender Handbewegung und nimmt wieder einen Schluck aus dem Weinglas. Die Gäste belohnen diese Avancen Wiedls, der sich mehrmals direkt an das Publikum wendet in seinen Rollen, mit eifrigen Klatschern und lautem Lachen.

Zuletzt werden die zufriedenen Zuhörer in den warmen Abend entlassen mit einem von Artmeier angeleiteten Radetzky-Marsch, dessen scheppernder Klang getragen vom gemeinschaftlich klatschenden Publikum noch weit hinaus in die Nacht hörbar ist.

© SZ vom 23.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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