Familienberatung:Fachleute in Beziehungsfragen

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Die Familienberatung in Ismaning betreut Schwangere, Einzelpersonen und Paare. Der Bedarf ist groß, deswegen bekommt das Team eine neue Kollegin. Die Mitarbeiter klären auch in Schulen über Sexualität und Partnerschaft auf

Von Irmengard Gnau, Ismaning

Die Gewissheit einer Schwangerschaft löst bei den meisten dann werdenden Eltern wohl Glücksgefühle aus. Doch nicht immer ist die Aussicht darauf, ein Kind zu bekommen, gänzlich unbeschwert. Wenn die Sorge aufkommt, ob man sich das Leben mit Kind leisten kann, oder die Angst vor Verlust des Arbeitsplatzes. Wenn es eng wird in der Wohnung und eine besser geeignete unerreichbar scheint. Wenn der Partner die eigene Freude nicht teilt oder es Probleme in der Beziehung gibt. In solchen und weiteren Fällen können sich Betroffene bei Beratungsstellen wie der Familienberatung Ismaning Hilfe holen - vertraulich und kostenlos.

Im vergangenen Jahr haben diese Möglichkeit 2242 Menschen genutzt, wie die Familienberatung in ihrem Jahresbericht aufzählt, in Einzel- oder Paarberatungen. "Unser Tätigkeitsfeld ist sehr breit", sagt Reinhard Beinhölzl, der Leiter der Beratungsstelle. Der Sozialpädagoge arbeitet seit bald 36 Jahren für die Familienberatung Ismaning, die für die Region im Nordosten von München zuständig ist. Sie wurde 1974 als eine der ersten Modellstellen in Bayern eröffnet. 1981 folgte die staatliche Anerkennung als überkonfessionelle Schwangerenberatung. Zehn Jahre später übernahmen die Landkreise München, Erding, Freising und Ebersberg gemeinsam mit den Kommunen Ismaning, Unterföhring und Garching als Zweckverband "Kommunale Schwangerenberatung der Region München Nord/Ost" die Trägerschaft.

Seither ist der Beratungsbedarf und damit auch das Angebot immer weiter gewachsen. Längst nicht mehr geht es nur um die gesetzlich vorgeschriebene Beratung von Schwangeren, die einen Abbruch erwägen. Beinhölzl und seine fünf Kollegen in Ismaning helfen Müttern oder Vätern - insgesamt machten Männer knapp ein Viertel der Beratungsfälle aus - bei allen Fragen rund um Schwangerschaft und Familie, von der Nachbetreuung nach der Geburt über Fragen zu Elterngeld bis hin zu individuellen Möglichkeiten der Hilfe für Geringverdiener. Unterstützt werden sie dabei von weiteren Honorarkräften, Sozialpädagogen, aber auch eine Familienanwältin, eine Psychologin und ein Gynäkologe gehören zum Team.

Mit einem Kind beginnt ein neuer Lebensabschnitt für Paare. Nicht alle kommen damit gut zurecht. Oft bereitet auch das Geld Sorgen. (Foto: imago/Westend61)

Ein Problemfeld, das in der Region zuletzt besonders viele Menschen bedrückt, ist die Wohnungssituation. "Es ist einfach familienfeindlich, wenn hier die Preise immer weiter in die Höhe gehen", sagt Beinhölzl. Familien mit Kindern falle es zudem häufiger schwer, eine Wohnung zu finden. Daneben beobachtet Beinhölzl, dass die gesetzlichen familiären Leistungen für die Eltern oft schwer zu durchschauen sind. Streit und Uneinigkeit in der Beziehung der Eltern sind ein Problem, zu dem es oft Beratungsbedarf gibt. "Die Zahl der Trennungen hat zugenommen", berichtet Beinhölzl. Dazu kommt seine Beobachtung, dass in Patchworkfamilien, die ebenfalls zahlenmäßig zunehmen, mehr Konflikte entstünden - "durch unterschiedliche Bindungsstärken" der einzelnen Eltern und Kinder zueinander.

In ihrem Jahresbericht zieht die Familienberatung nicht nur Bilanz, sie stellt aufgrund ihrer Erfahrungen auch Forderungen an die Politik. "Aus unserer Erfahrung ist es dringend geboten, mehr Prävention zum Gelingen von Partnerschaft und Familie zu leisten", heißt es dort zum Beispiel. Die Familienberater schlagen deshalb vor, einen "Bindungsführerschein" an Schulen einzuführen. Um bei Kindern und Jugendlichen die Kompetenz zu fördern, partnerschaftlich einen guten Weg miteinander zu finden, sei mehr Unterstützung nötig, sagt Beinhölzl. Die Pädagogen sind bereits an Schulen im Einsatz und klären dort über Sexualität und Partnerschaft auf. 2017 waren sie bei mehr als 1500 Schülern in 25 Schulen in den angehörigen Landkreisen zu Gast. Hinzu kommt Aufklärungsarbeit bei geflüchteten Männern. Bei Workshops in Asylunterkünften wird unter anderem das Rollenverständnis von Frau und Mann in Deutschland thematisiert, ebenso geht es um Fragen der Sexualität und Verhütungsmethoden. Für Beinhölzl hat die sexualpädagogische Arbeit mit den Schülern heute eine besondere Bedeutung, insbesondere vor dem Hintergrund, wie leicht pornografische Inhalte über das Internet für Kinder und Jugendliche zugänglich sind: "Da wäre auf jeden Fall noch mehr Bedarf."

Weiteren Bedarf an Beratung insgesamt hat auch die Staatsregierung, die über das bayerische Familienministerium 65 Prozent der Kosten der Beratungsstelle trägt, erkannt. Zum April bekommen Beinhölzl und sein Team eine weitere Mitarbeiterin. Die Beratungsstelle kann damit ihr Angebot erweitern: Von April an wird es zusätzlich zu den Bürozeiten in Ismaning, wo Beratungstermine von Montag bis Freitag von 8 bis 20 Uhr vereinbart werden können, und den bestehenden Außensprechstunden in Erding, Freising und Ebersberg auch eine Außensprechstunde in Neufahrn geben. Auch in den anderen Landkreisen wolle man gern weitere Beratungsstunden anbieten, sagt Beinhölzl, man sei jedoch auf der Suche nach geeigneten Räumen noch nicht fündig geworden.

Reinhard Beinhölzl leitet die Familienberatung noch bis zur Rente. (Foto: R. Schmidt)

Für Beinhölzl selbst wird es nicht nur aufgrund dieser Neuerungen ein spannendes Jahr 2018 werden. Nachdem er mehr als drei Jahrzehnte beraten und die Beratungsstelle seit 2006 als Leiter geführt hat, wird der Sozialpädagoge Ende dieses Jahres in den Ruhestand gehen. Wer dann die Leitung übernimmt, ist noch nicht entschieden. Dass die Dienste der Beratungsstelle aber auch weiterhin gefragt sein werden, ist wohl sicher. "Der Babyboom in der Region derzeit zeigt ja, dass der Wunsch nach Familie auf jeden Fall da ist", sagt Beinhölzl.

Die Familienberatungsstelle in Ismaning, Reisingerstraße 27, ist Montag sowie Mittwoch bis Freitag von 7.30 bis 12 Uhr geöffnet, dienstags von 7.30 bis 11 Uhr; zusätzlich von Montag bis Donnerstag von 13 bis 16.30 Uhr und freitags von 13 bis 14 Uhr. Außerdem gibt es je eine Außensprechstunde in Ebersberg (Mittwoch 15 bis 17 Uhr), Erding (Donnerstag 13 bis 15 Uhr) und Freising (Donnerstag 14 bis 16 Uhr) sowie neu in Neufahrn (Montag, 9 bis 11 Uhr). Beratungen finden Montag bis Freitag zwischen 8 und 20 Uhr statt. Die Beratungsstelle ist unter den Nummern 089/96 07 99 50 und 089/96 07 99 51 erreichbar. Weitere Informationen unter www.familienberatung-ismaning.de.

© SZ vom 06.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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