Demjanjuk-Prozess: Schuldspruch statt Strafe:Nebenkläger haben das Wort

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Im Prozess gegen den mutmaßlichen KZ-Wachmann John Demjanjuk wollen die Angehörigen ermordeter Juden einen Schuldspruch - doch nicht alle bestehen auch auf Strafe.

Im Prozess gegen den mutmaßlichen KZ-Wachmann John Demjanjuk haben Holocaust-Überlebende und Opfer-Angehörige einen Schuldspruch verlangt - auf Strafe pochen indes nicht alle. "Aus Respekt vor meinen humanistischen Eltern ersuche ich das Gericht, gegen diesen uralten Mann, der schon neun Jahre im Gefängnis verbracht hat, seine Schuld festzustellen, ihn aber nicht zu bestrafen", sagte der 90-jährige Niederländer Jules Schelvis am Mittwoch vor dem Münchner Landgericht.

Der wegen Beihilfe zum Mord von mindestens 27.900 Juden angeklagte John 'Iwan' Demjanjuk, kommt am Mittwoch in einem Rollstuhl sitzend in einen Verhandlungssaal. Nebenkläger Jules Schelvis (links) und Robert Cohen (zweiter von links) haben ihre Plädoyers gehalten. (Foto: dapd)

Einige Angehörige von ermordeten Juden verlangten hingegen die Höchstsstrafe für Demjanjuk. Schelvis, der im Nazi-Vernichtungslager Sobibor im besetzten Polen seine junge Frau Rachel verlor, ist fast genauso alt wie der Angeklagte, der den Prozess reglos vom Krankenbett aus verfolgte. "Leider kann man sich keine Strafen ausdenken, die denjenigen, die solche Verbrechen begangen haben, gerecht werden", sagte indes der 85-jährige Robert Cohen. "Das Strafmaß, das ich vorschlagen möchte, kann nur eins sein, und zwar die Höchststrafe." Das wären 15 Jahre Haft.

Auch mehrere andere Angehörige von Opfern verlangten eine Verurteilung Demjanjuks. Während die meisten das Strafmaß in das Ermessen des Gerichts stellten, verlangte Cohen die Höchststrafe. Der gebürtige Ukrainer Demjanjuk soll von März bis September 1943 als Wachmann in Sobibor an der Ermordung von mindestens 27 900 Juden beteiligt gewesen sein. Die Staatsanwaltschaft hatte sechs Jahre Haft wegen Beihilfe zum tausendfachen Mord verlangt.

Mehr als ein Dutzend von insgesamt mehr als 30 Nebenklägern war am Mittwoch angereist, um selbst vor Gericht zu sprechen. Sie wurden von rund zwei Dutzend Angehörigen und Freunden begleitet. Manche der Nebenkläger haben als einzige ihrer Familie überlebt. Demjanjuk habe die Chance vertan, selbst zu sprechen - und damit auch, möglicherweise zu sagen, dass er nicht an den Massenmorden beteiligt war, sagte Marco de Groot. "Keiner der Anschuldigungen hat er widersprochen." Auch in den Niederlanden kenne man das Sprichwort: "Wer schweigt, scheint zuzustimmen."

Demjanjuks Anwalt Ulrich Busch verlangte indes erneut die Aussetzung des Verfahrens. Es seien Unterlagen des FBI aus den 1980er Jahren aufgetaucht, darunter ein Bericht aus dem Jahr 1985. Darin wird der als zentrales Beweismittel geltenden Dienstausweis Demjanjuks als "höchstwahrscheinlich" vom sowjetischen Geheimdienst KGB gefälscht eingestufet. Verteidiger Ulrich Busch forderte deshalb am Mittwoch vor dem Landgericht München II die Aufhebung des Haftbefehls gegen den 91-Jährigen. Außerdem solle das Gericht eine Reise in die USA zur Sichtung der Dokumente ermöglichen. Staatsanwalt Hans-Joachim Lutz wies dies zurück. "Es handelt sich keineswegs um ein wesentliches entlastendes Beweismittel", sagte er.

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