Aying:Einkaufen im Bahnhofsklo

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Das Sozialkaufhaus "Allerlei" ist vermutlich das kleinste Geschäft im ganzen Landkreis. Seit einem Jahr kämpft es mit drangvoller Enge an seinem Standort. Die Mitarbeiter suchen händeringend nach zusätzlichen Räumen für Verkauf und Lager

Von Michael Morosow, Aying

Von außen schaut es immer noch aus wie ein Bahnhofsklo, nur wer näher herankommt, bemerkt die vielen Plüschtiere hinter den kleinen Fenstern. Am Freitag sind viele Menschen näher herangekommen, Frauen und Männer aus dem Ort, darunter auch Rita Eichler, die Ehefrau des Bürgermeisters Johann Eichler, sowie mehrere Dutzend Flüchtlinge und deren Kinder aus ihren Wohnquartieren nebenan.

So gut wie jeder wusste bereits, was sich hinter den Fenstern verbirgt: Regale und Ständer voller Winterkleidung, warmer Schuhe und Jacken, Schals, Mützen und Pullover für Erwachsene und Kinder, Hygieneartikel, Bettwäsche und dergleichen - kurz: Allerlei.

Diesen Namen haben die Initiatoren vom Verein "Dorfleben und Soziales in der Gemeinde Aying" denn auch für das Minikaufhaus gewählt, das nunmehr sein einjähriges Bestehen feiert. Im kleinen Rahmen, was das Festprogramm anbelangt: Kinderschminken, Weihnachtsbasar und Kinderpunsch. Im kleinen Rahmen auch bezüglich der Größe des Festgeländes: Knapp 20 Quadratmeter misst das wahrscheinlich kleinste Sozialkaufhaus im ganzen Landkreis, und die Wiese davor ist nicht breiter als ein Kleiderständer lang.

Die Kuscheltiere am Fenster dienen auch als Schutz gegen die Kälte, die durch die Fensterritzen zieht. (Foto: Angelika Bardehle)

Ursprünglich war es nur für Flüchtlinge gedacht. Inzwischen steht es allen Bedürftigen offen

Natürlich strahlten die Kinder übers ganze Gesicht, als sie bunt geschminkt wurden, und auch alle anderen Festgäste fanden Gefallen an dem heiteren Treiben vor und im ehemaligen Klohäusl. Aber angesichts der drangvollen Enge, die mitunter im Minikaufhaus herrschte, konnten sie wohl gut verstehen, warum das "Allerlei"-Team händeringend nach Möglichkeiten sucht, zusätzliche Räume für Verkauf und Lager zu bekommen.

Die Idee für ein Sozialkaufhaus ist älter als das "Allerlei", doch erst vor einem Jahr fand sich der benötigte Raum, der von der Brauereifamilie Inselkammer zur Verfügung gestellt wurde. Es war die Zeit, als 50 Flüchtlinge nach Aying kamen. Und ursprünglich war das Minikaufhaus ausschließlich für diese Menschen gedacht. Inzwischen aber dürfen alle finanziell schlecht gestellten Gemeindebürger darin einkaufen, die Vorlage eines Caritas-Ausweises reicht aus.

Im Sozialkaufhaus "Allerlei" gibt es auch warme Winterschuhe. (Foto: Angelika Bardehle)

Im "Allerlei" ist die Hilfsbereitschaft der Bevölkerung komprimiert zu sehen. Das Gebäude hat der Bräu zur Verfügung gestellt, der Dürrnhaarer Bauunternehmer Fleck hat den Fußboden gestiftet und verlegt, vom Möbelriesen Ikea Brunnthal bekam das Helferteam Regale geschenkt, die seither durch Spenden aus der Ayinger Bevölkerung gefüllt werden.

So etwa am vergangenen Samstag, als das Bürgerhaus mittags eine Stunde lang geöffnet hatte, damit die Leute neuwertige Herbst- und Winterkleidung abgeben konnten. "Ein Lager würde uns sehr helfen", sagt Christiane Welz, eine der beiden Sprecherinnen der Initiative. Sie und andere empfinden es als äußerst schade, dass sie mangels ausreichender Lagermöglichkeiten hilfsbereite Bürger förmlich vor den Kopf stoßen müssen.

"Die Leute stehen mit ihren Kleiderspenden vor der Tür wie Bittsteller und wir müssen sie abweisen", berichtet Welz. Bislang steht dem "Allerlei" neben dem ehemaligen Klohäusl lediglich ein winziges Lager im Awo-Pflegeheim zur Verfügung.

Dabei ist der überwiegende Teil der gespendeten Kleidungsstücke von hoher Qualität, es finden sich neue Winterstiefel, kaum getragene Hosen, neuwertige Winterjacken, die im Handel unter 200 Euro nicht zu bekommen sind; sogar ein Cashmere-Pullover wurde am Freitag angeboten - zum Preis von vier Euro für gewöhnliche Kunden, für Flüchtlinge zum halben Preis.

Seit einem Jahr verkauft Christiane Welz im alten Bahnhofsklo Gebrauchtwaren. (Foto: Angelika Bardehle)

Die Einnahmen fließen ohne Abzüge an den Verein "Dorfleben und Soziales", der damit unter anderem die Betreuung von Flüchtlingskindern finanziert. Über deren Entwicklung freut man sich im Verein ganz besonders. "Die Kleinen sprechen jetzt schon fast perfekt Deutsch und dolmetschen für ihre Eltern", berichtet Christiane Welz und gibt eine Anekdote zum Besten. Im Sommer sei es gewesen, als die Kinder an der Hand ihrer Eltern im Minikaufhaus erschienen seien, barfüßig oder in Sandaletten.

"Wir haben ihnen die Taschen vollgestopft mit Strümpfen, aber sie kamen das nächste Mal barfuß wieder", erinnert sich die Sprecherin. Nach einem halben Jahr hätten die Kinder selbst nach Strümpfen und Unterhosen verlangt, "weil sie das im Kindergarten und in der Schule an deutschen Kindern gesehen hatten", weiß Welz.

Die Kuscheltiere haben auch am Festtag ihren Stammplatz hinter den zugigen Fenstern nicht verloren. Sie sind aber auch in erster Linie nicht für die Kinder gedacht; sie dienen als Kälteschutz. Durch die Fensterritzen dringt Kälte ein.

© SZ vom 12.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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