Auszeichnung für Kirchheim:Eine Schule, in der jeder glänzen darf

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Auf ihr Gymnasium können Direktor Matthias Wermuth (links), Stellvertreterin Lilly Nürnberger (vorne rechts) und die Schüler stolz sein. (Foto: oh)

Das Gymnasium Kirchheim landet beim renommierten Deutschen Schulpreis auf Platz zwei. Überzeugt hat die Jury das innovative, offene und soziale Konzept.

Von Christina Hertel, Kirchheim

Tabletklassen, Inklusion, Evaluation, jede Menge Arbeitsgruppen von Schach bis Schülerzeitung. Das Kirchheimer Gymnasium ist eine besonders engagierte Schule. So besonders, dass es dafür am Montag in Berlin eine Auszeichnung erhielt: den Deutschen Schulpreis, einer der bekanntesten und höchstdotierten Preise in Deutschland, ausgelobt von der Robert-Bosch- und der Heidehof-Stiftung. Das Kirchheimer Gymnasium belegte mit vier weiteren Schulen den zweiten Platz und bekommt 25 000 Euro. Nur eine weitere bayerische Schule war nominiert, die Berufsschule in Altötting. Sie erhielt eine Anerkennung von 5000 Euro.

"Auf den ersten Blick ist das GyKi, ein typisch bayerisches Gymnasium, leistungs- und erfolgsorientiert." So heißt es in dem Text, den die Jury über die Schule verfasste. Und weiter: "Erst auf den zweiten Blick zeigt sich das besondere Konzept: Die Türen zu Lehrerzimmer und Rektorat stehen immer offen. Die Schule kümmert sich um alle Schülerinnen und Schüler." Vier Pädagogen schauten sich im Februar die Schule zwei Tage lang genauer an, sprachen mit Eltern, Lehrern und Schülern, beobachteten den Unterricht. Danach erhielt das Gymnasium eine Einladung zu der Preisverleihung in Berlin - schon das war ein Erfolg: Nur 14 Schulen von insgesamt 80 Bewerbern wurden nominiert.

Der erste mit 100 000 Euro dotierte Preis ging nach Hameln, an die berufsbildende Elisabeth-Selbert-Schule. Und dann kam auch schon Kirchheim, das sich den zweiten Platz mit einer Schule in Heidelberg, einer Grundschule in Bremen, einer europäischen Schule in Nordrhein-Westfalen und der deutschen Schule in Rio de Janeiro in Brasilien teilt.

Das Kirchheimer Gymnasium hatte die Jury bei ihrem Besuch im Februar beeindruckt. Vier Pädagogen erlebten da eine Schule, die nicht alltäglich ist. Sie sahen, wie Schüler auf Tablets Apps entwickelten, wie sie sich Brettspiele auf Englisch ausdachten. Sie erfuhren, dass sich die stellvertretende Schulleiterin Lilly Nürnberger jeden Mittwoch mit den Schulsozialarbeitern trifft und sich mit ihnen über alle Schüler, die gerade Probleme haben, unterhält. Wer fällt auf? Wie entwickeln sich die Inklusionskinder? Wer braucht mehr Unterstützung?

"Uns sind die sozialen Leistungen wichtig"

"Jeder Einzelne soll glänzen - in mindestens einem Bereich", schreibt die Jury in ihrem Bericht über die Schule. Um dieses Ziel zu erreichen, gibt es viele Arbeitsgruppen und Projekte: Chöre, Bigbands, Schachgruppe, Jugend forscht, Schülerzeitung, Imkerei. "Uns sind die sozialen Leistungen wichtig", sagt Direktor Matthias Wermuth. Deshalb engagiere sich die Schule auch in der Flüchtlingsarbeit, veranstalte Umweltaktionen.

Doch Arbeitsgruppen und Engagement gibt es wohl auch an vielen anderen Schulen. Was ist das Besondere an dem Kirchheimer Gymnasium? Es werde viel Wert auf Qualitätsmanagement gelegt, sagt Wermuth. Das hört sich zwar eher nach Unternehmensberatung als nach Unterricht an, hat die Jury aber anscheinend überzeugt. Die Evaluation ermögliche die Erfahrung von Zugehörigkeit, Selbstwirksamkeit und Autonomie und erzeuge die Bereitschaft, sich aktiv am Schulentwicklungsprozess zu beteiligen, schreibt sie. Die Schule arbeitet dafür nicht einfach nur mit Fragebögen, sondern nach einem Modell, das ursprünglich aus der Wirtschaft kommt.

Nach einem speziellen System werden da einzelne Bereiche überprüft. Was kann die Schule besser machen? In welchen Bereichen gibt es Defizite? Am Ende steht eine 130 Punkte lange Liste, geordnet nach Priorität. Entstanden ist so zum Beispiel eine Arbeitsgruppe, die sich mit Werteerziehung beschäftigt, ein Online-Vertretungsplan, den die Schüler schon zu Hause einsehen können, und sogenannte Lernkontrollbögen. Vor einer Prüfung testen die Schüler mit ihnen, wo sie noch Schwächen haben, was sie vielleicht noch einmal wiederholen müssen. So soll den Schülern die Angst vor den Schulaufgaben genommen werden.

So ein Qualitätsmanagement macht viel Arbeit. Das könnte die Schulleitung alleine wohl nicht stemmen, sagt Schulleiter Wermuth. "Mindestens die Hälfte des Kollegiums arbeitet aktiv mit." Zusätzlich gibt es jedes Jahr noch eine Schülerevaluation und alle zwei Jahre eine Eltern- und Lehrerbefragung. Der Vorteil aus Wermuths Sicht: Evaluation laufe am Gymnasium Kirchheim systematisch ab, so werde nichts werde vergessen. Und am Ende spiegle sich das in der Leistung wider: Beim Abiturdurchschnitt liege Kirchheim immer etwas über dem bayerischen Durchschnitt.

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:Hochgerechnet

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Von Christina Hertel

Dass das Kirchheimer Gymnasium allerdings in keinem guten Zustand ist, dass Wasser aus der Decke tropft, dass es im Klassenzimmer manchmal sehr heiß und an anderen Tagen wieder sehr kalt ist, dass die Schule so kaputt ist, dass man sie nicht einmal mehr sanieren kann - all das spielte für die Jury keine Rolle. Es ging nur darum, wie gut unter den gegebenen Umständen gearbeitet wird. Für Schulleiter Matthias Wermuth ist trotzdem klar: "Durch einen Neubau hätten wir ganz andere Möglichkeiten." Und vielleicht könne man dann sogar noch besser arbeiten.

© SZ vom 30.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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