Austausch:Von Sauerlach nach Kalkutta

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Freuen sich auf gemeinsame Workshops mit indischen Künstlern und die Farbenpracht des Subkontinents: Philipp Grieb und Fancher Brinkmann. (Foto: Angelika Bardehle)

Sechs Künstler aus der Region München fliegen Anfang November nach Westbengalen zum 1. Indo-German Art Forum und treffen dort mit heimischen Kreativen zusammen. Organisiert hat den Austausch Philipp Grieb, der im Süden des Landkreises lebt

Von Franziska Gerlach, Sauerlach

An diesem Tag zeigt der Herbst sein garstigstes Gesicht, der Wind pfeift, auf dem Asphalt klebt nasses Laub. Im Atelier von Philipp Grieb an der Bahnhofstraße in Sauerlach bollert ein Ofen gegen die Kälte an. Doch als der 68 Jahre alte Künstler zu erzählen beginnt, wird es langsam wärmer. Denn die Reise, zu der Philipp Grieb und fünf weitere Künstler aus dem Raum München in einigen Tagen aufbrechen werden, führt sie nach Indien. In dieses große, heiße, farbenfrohe Land voller Gegensätze. "Und da gibt es immer Überraschungen, positive und negative."

Die Gruppe reist nach Kalkutta (Kolkata) im Bundesstaat Westbengalen, wo vom 5. bis zum 12. November zum ersten Mal das "Indo-German Art Forum 2017" stattfindet, und zwar auf dem neu gebauten Arts Acre Campus, ein Kunst- und Kulturzentrum, das Museen, Galerien, Werkstätten, Ateliers, Freilichttheater und sogar ein Konservierungslabor vereint. Zehn deutsche Künstler hat ein gewisser Shuvaprasanna, ein bekannter indischer Maler und Bilderhauer und Gründer der Arts Acre Foundation, dorthin eingeladen - sechs von ihnen kommen aus der Münchner Region. Der Austausch endet mit einer Werkschau, an den letzten beiden Tagen stellen die indischen und deutschen Künstler gemeinsam aus.

Organisiert hat das Ganze eben Philipp Grieb, der Shuvaprasanna schon lange kennt, und ihm auch immer wieder bei der Planung seiner Deutschlandreisen geholfen hat. Der Inder unterhält rege Kontakte zur deutschen Kulturszene. Einmal, so erzählt Grieb, habe er deshalb sogar mit der Sekretärin des Schriftstellers Günter Grass telefoniert, zu Lebzeiten ein guter Freund von Shuvaprasanna.

Seit einem Jahr ist Grieb schon mit den Vorbereitungen des Austausches befasst, der vom Bayerischen Kultusministerium gefördert wird. Eine bedeutsame Angelegenheit: In der Form - zum gemeinsamen Arbeiten - kommen indische und deutsche Künstler nämlich überhaupt das erste Mal zusammen. Seit den frühen Neunzigerjahren ist Grieb immer wieder in Indien gewesen. "Ich liebe die Menschen dort", sagt er. "Das mit der Kunst hat sich irgendwann so ergeben." Die eine indische Kultur zu definieren ist schwierig in einem Land, indem quasi in jedem Bundesland eine andere Sprache gesprochen wird, die Leute sich anders kleiden, anders kochen, anders feiern. Für einen ersten Kontakt mit der indischen Kultur ist Kalkutta aber ein guter Ort. Die Stadt war über zwei Jahrhunderte lang die Hauptstadt Britisch-Indiens und entfaltete nicht zuletzt als solche intellektuelles Selbstbewusstsein. Bis heute ist Kalkutta eine Metropole mit vielen Künstlern, von denen die Kreativen aus Deutschland nun einige persönlich kennenlernen werden.

Wenn Grieb nun von diesem interkulturellen Austausch spricht, von dieser ungewöhnlichen Reise, dann stehen die Bilder nahezu plastisch im Raum. Und man kann sich vorstellen, wie indische und deutsche Künstler unterschiedlicher Stilrichtungen Seite an Seite arbeiten werden, wie sie sich gegenseitig Tricks und Kniffe verraten, und wie zum Beispiel Fancher Brinkmann, Künstlerin aus Oberhaching und 60 Jahre alt, den Indern in einem Workshop vermitteln wird, worauf es bei der abstrakten Malerei, ihrem Spezialgebiet, ankommt: intuitiv sein, frei sein, es einfach laufen lassen. Für Brinkmann selbst ist es die zweite Reise nach Indien, vor vielen Jahren hat sie bereits Delhi und Agra besucht, sie freue sich auf die Farben, diese unglaublichen Farben auf den Märkten, die bunten Stoffe. "Und wenn wir dann alle malen, wird das auch alle enger zusammenbringen", sagt die gebürtige US-Amerikanerin. Die Sprache dürfte ihr da keine Probleme bereiten, mit ihrer Muttersprache kommt man in Indien gut zurecht. "Wir haben aber darauf geachtet, dass die Leute interkulturelle Erfahrung mitbringen und ein Mindestmaß an Englischkenntnissen", sagt Grieb. Es hätten sich nämlich mehr Künstler beworben, als nach Indien reisen können. "Da mussten wir sogar ein paar ablehnen."

© SZ vom 27.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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