Aschheim:Von wegen einfach

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Ein Workshop zum neuen Stadtviertel im Münchner Nordosten macht klar: Lösungen, die alle Beteiligten befriedigen würden, gibt es nicht. Über die drei Planungsvarianten wird weiterhin diskutiert werden müssen

Von Thomas Kronewiter, München/Aschheim

Einfache Lösungen, das wird in diesen fünf intensiven Workshop-Stunden am Samstag überdeutlich, einfache Lösungen wird es nicht geben für das geplante Siedlungsgebiet im östlichen Bogenhausen. Denn wer glaubte, mit einem Votum für die an den S-Bahn-Stationen Daglfing, Englschalking und Johanneskirchen aufgereihten Quartiere des Modells "Perlenkette" das schonendste, da einwohnerschwächste Siedlungsmodell zu wählen, musste sich dessen Nachteile ebenso umgehend eingestehen. Zum Beispiel den, dass es dann jedenfalls nicht den verkehrsplanerisch großen Wurf mit einer Verlängerung der U-Bahn-Linie 4 vom Arabellapark bis zur Messestadt geben wird. Und wer wiederum diese neue U-Bahn-Verbindung für unverzichtbar hält, musste einräumen, dass ihr Bau die Landschaftsidylle östlich der Flughafen-S-Bahn und westlich von Dornach zerschneiden würde - vor allem dann, wenn die U-Bahn aus Kostengründen am Ende zur oberirdischen Hochbahn würde.

Dass die Trasse der Flughafen-S-Bahn S 8 in einen Tunnel verlegt wird und dass die U-Bahn vom Arabellapark auf jeden Fall nach Osten weitergeführt wird, gilt derzeit als Grundvoraussetzung für die Ansiedlung von circa 30 000 Bewohnern im Gebiet der Städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme (SEM) Nordost. Wie belastbar diese Aussage ist und wie bald die verbesserte Verkehrserschließung denn tatsächlich zu erwarten ist, das bleibt abzuwarten. Zumindest musste den gut 100 Anwohnern und Interessenvertretern dieser Umkehrschluss aus den Erläuterungen der Landschaftsplanerin Andrea Gebhard erlaubt sein. Die meinte eher burschikos, es werde wohl "eine U-Bahn drin sein", wenn man es schon geschafft habe, das mehrere hundert Millionen Euro teure Tieferlegungsprojekt der S-Bahn auf den Weg zu bringen.

Planung mit Luftbild und Bauklötzchen,...

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(Foto: Johannes Simon)

...mit Zettel und Stift...

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(Foto: Johannes Simon)

...oder multimedial: Beim Bürger-Workshop zum neuen Siedlungsgebiet im östlichen Bogenhausen gab es Lob, Ideen und Kritik. Experten müssen nun die Anregungen auswerten.

Nicht ganz einfach hatte es Moderatorin Agnes Förster mit der unübersehbaren Abwehrhaltung zahlreicher, vielfach schon seit Jahren in Interessengruppen engagierter Anwohner. "Lebenswerter Münchner Osten statt extrem verdichteter Planung für riesige Plattenbau-Slums" stand auf mehreren, eigens mitgebrachten Transparenten. Und die nach zweistündigen Fachvorträgen eingeschobene Fragerunde offenbarte auch reichlich Aggressivität unter den Betroffenen. Wer könne denn garantieren, dass nach Bezug des neuen Stadtviertels angesichts des anhaltenden Bevölkerungsdrucks die zunächst geretteten Grünzüge nicht irgendwann erneut zu Gunsten von Wohnungen angenagt würden, wollte eine Anwohnerin wissen. "Bleibt es bei der Aussage, dass eine Bebauung nur kommt, wenn die S-Bahn tiefer gelegt wird?", fragte Xaver Finkenzeller, CSU-Sprecher im Bogenhauser Bezirksausschuss. Und ein Nachbar des künftigen Viertels vermisste echte, verträgliche Alternativen zu den drei Siedlungsmodellen "Perlenkette", "Neue Quartiere am Hüllgraben" und "Küstenlinie" mit jeweils knapp oder gut 30 000 Neu-Bogenhausern. Wie er sich das vorstellte, verriet sein Transparent: nicht mehr als 18 000 Bewohner und 6000 Arbeitsplätze.

Immerhin boten die Planungsrunden in sechs Arbeitsgruppen dann in wesentlich konstruktiverer Atmosphäre die Chance, positive Urteile zu Konzepten ebenso abzugeben wie Ideen einzuspeisen oder Kritik zu üben. Und auch völlig andere Strukturen für das neue Quartier auf unbeschriebenem Butterbrotpapier waren (und sind auch weiterhin) die Planer anzunehmen bereit.

Eine wesentliche Erkenntnis des Nachmittags war die Forderung, mit der Bebauung frühestens dann zu beginnen, wenn die vor allem derzeit auf vier Ost-West-Nadelöhre verengte Verkehrserschließung massiv verbessert worden ist. Dass sich die Stadtplaner aber auch eine "Planungsphase Null" vorstellen können, in der schon früher Bagger anrollen können, musste sich der Bürger aus den Beiträgen der Experten eher interpretativ zusammensuchen. Offiziell dies als Absicht zu verkünden, sah sich die leitende Stadtplanerin Susanne Ritter nicht in der Lage: Zu unklar seien derzeit die Rahmenbedingungen, zu unklar seien Grundstücksverhältnisse und die Frage der Mitwirkungsbereitschaft der Eigentümer.

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(Foto: lk1)

SZ-Grafik; Quelle: Planungsreferat

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SZ-Grafik; Quelle: Planungsreferat

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(Foto: lk3)

SZ-Grafik; Quelle: Planungsreferat

Gleichwohl deuteten Andrea Gebhard wie Agnes Förster an, dass es dereinst unter Umständen auf dem Gelände der Trabrennbahn losgehen könnte. Dort wäre man von den Verkehrsproblemen des übrigen SEM-Gebiets am weitesten entfernt, dort hätte man eine zusammenhängende Fläche in einer Größenordnung, die auch im Rahmen üblicher Bebauungspläne entwickelt werden könnte. Zunächst aber wird weitergeplant. 2019 könnte der Stadtrat formal den Startschuss geben, die Bauleit- und die Infrastrukturplanung könnten 2020 beginnen, Baurecht auf den ersten Flächen ist kaum vor 2024 zu erwarten.

Die Bürger haben noch mehrfach das Wort: An diesem Montag, 13. März, wollen Mitglieder des Bezirksausschusses Bogenhausen von 17 Uhr an Interessierten in der eigens eingerichteten Ausstellung zur SEM-Planung an der Richard-Strauss-Straße 76 Rede und Antwort stehen, am Dienstag, 21. März, gibt es von 17 bis 21 Uhr eine Wiederholung beziehungsweise Intensivierung des Workshops von Samstag. Die Anmeldung für letzteren erfolgt per E-Mail an nordosten@studio-stadt-region.de oder unter Telefon: 089/244 10 33 18. Eigentümer, Experten und Jugendliche bekommen eigene Termine. Die SEM-Stammtischrunden soll es weiter geben - sofern genug Interesse besteht.

© SZ vom 13.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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