Aschheim:Speicherplatz für Heimatverbundene

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Auf 8000 Quadratmetern schafft Noris in Aschheim Speicherplatz für seine Kunden. Herzstück der Kühlung sind sogenannte Kyoto-Räder. (Foto: Noris Network)

In Aschheim entsteht ein Rechenzentrum der Firma Noris Network. Zielgruppe sind Unternehmen, die ihre Daten durch deutsches Recht geschützt wissen wollen.

Von Sabine Oberpriller, Aschheim

Noch ist das Gelände an der Klausener Straße in Aschheim Feld. Aber lange wird das nicht mehr so bleiben. Ende 2016 wird dort das vermutlich größte Rechenzentrum des Landkreises stehen. Den Grundstein legt an diesem Dienstag das Hosting-Unternehmen Noris Network mit Hauptsitz in Nürnberg. Es gesellt sich zu einer Handvoll Anbietern von Speicherplatz im Landkreis. Die Grundsteinlegung demonstriert auch die Attraktivität der Gegend für die Branche.

Für die Gemeinde und die Region ist der Zuzug der Firma durchaus bedeutend. In Aschheim will sie neben Nürnberg einen weiteren großen Standort schaffen. Zwei Blöcke mit insgesamt 8000 Quadratmetern werde man hochziehen, sagt Geschäftsführer Ingo Kraupa, mit anfangs 15 und später bis zu 100 Mitarbeitern. Die Firma stellt möglichst jeden Service selbst. Kunden wie Adidas oder Puma lagern bei der Firma ihre Serverzentren ein.

Daten speichern ist heute billiger als löschen

Hosting, auf Deutsch "das Beherbergen", ist im digitalen Zeitalter unverzichtbar. Der Bedarf an Speicherplatz wächst ständig. "Keiner löscht mehr", sagt Kraupa. "Speicher ist billig, löschen teuer." Zwei Arten von Hosting werden unterschieden. Das klassische Hosting speichert Websites, Datenarchive, etwa Mail-Fächer. Neuer ist das Hosting im Cloud-Bereich, interessant für Aktivitäten im Internet, etwa E-Commerce, Sharing-Portale, die hohes Datenaufkommen haben, aber auch für Unternehmen, die mehrere Standorte vernetzen müssen oder deren Angestellte von zu Hause aus arbeiten. Sie müssen ihre Daten sicher lagern. Firmen wie Noris bieten ihnen biometrische Sicherung der Zugänge, eine Notstromversorgung durch Dieselgeneratoren, kurz: Infrastruktur, die im eigenen Haus anzulegen, teuer wäre. Auf Anfrage stellen die Anbieter auch die Serversysteme.

Die gesamten Firmendaten werden in stadiongroßen Rechenzentren eingelagert. Sie zu unterhalten, ist aufwendig. Bei voller Auslastung würde Kraupas Rechenzentrum 18 Megawatt verbrauchen, dazu der Strom, der aufgewendet wird, um Kühlsysteme und Notstromgeneratoren bereitzuhalten. Zum Vergleich: Ein durchschnittlicher Familienhaushalt verbraucht am Tag 4,4 Kilowatt, 18 Megawatt würden also für zirka 4090 Familien reichen. "Wichtig ist heutzutage die hohe Verfügbarkeit der Daten, die Sicherheit und eine gute Netzwerkverbindung", sagt Kraupa. Noris wirbt für das Zentrum mit sparsamer Technologie, die ihre Energie aus regenerativen Quellen bezieht, und Glasfaserkabeln.

Ein neues Kühlsystem soll Energie sparen

Eine Art Schaufelradsystem transportiert die Maschinenwärme ab und sorgt für Kühlung. Das sei effizienter als die älteren Systeme, sagt Kraupa. Der Landkreis München ist ein attraktiver Standort für die Branche. "Häufig fragen amerikanische Unternehmen Flächen an", sagt Andreas Ordner von der Wirtschaftsförderung im Landratsamt. Es scheitert an den riesigen Dimensionen. "Es geht um utopische Ausmaße von 50 Hektar und genauso utopische Anforderungen, was Strom und Wasser betrifft", sagt Ordner. Im Landkreis München unmöglich. Fläche ist knapp.

Wie viele Terabyte in dem neu entstehenden 8000 Quadratmeter großen Rechenzentrum Platz haben werden, kann nicht einmal Kraupa sagen. Genauso wenig lässt sich abschätzen, wie viel Speicherplatz im Landkreis derzeit vorhanden ist. Manche Firmen betreiben eigene kleine Rechenzentren in ihrem Haus, und Hoster wie Noris vermieten oft einfach Flächen und wissen nicht, wie viel die Kunden dann in ihren Blocks unterbringen. Genauso ist nur annähernd abschätzbar, wie viele Hostingfirmen in Deutschland tätig sind. Der Bundesverband Deutscher Rechenzentren, genannt German Cloud, hat versucht, ihre Zahl zu erheben, und ist gescheitert. Das Problem ist die Definition des Begriffs.

Vergleichsweise wenige bauen, wie Noris oder das Münchner Unternehmen Mivitec, selbst Rechenzentren. Wesentlich häufiger sind Mittlerfirmen, wie Serverprofis in Feldkirchen oder Compiuto in Ismaning, die in den großen Zentren Flächen anmieten und weiter vermitteln. "Rechenzentren rechnen sich nur, wenn man die Füllgrenze erreicht", sagt Martin Müller, Geschäftsführer bei Serverprofis.

Herzstück der Kühlung sind sogenannte Kyoto-Räder. (Foto: Noris Network)

Die Branche ist aus der Gründerphase raus. Aber sie ist in Bewegung, sie verändert sich. Die neueste Umwälzung waren die Cloudsysteme. Einige Jahre lang ging der Trend hin zu eben jenen riesigen, internationalen Rechenzentren, die amerikanische Firmen auch gerne in der Region hätten. Längst geht es nicht mehr um Marktnischen, sondern darum, die Anteile am Markt zu vergrößern. "Es findet ein Übernahmekampf statt", sagt Alex Mirsky von Mivitec, das einen 1000 Quadratmeter großen Standort im Landkreis unterhält. Ein weiterer, großer Hoster, Xiopia in Unterföhring, wurde erst kürzlich von einem großen Unternehmen gekauft.

Der NSA-Skandal spielt Anbietern wie Noris in die Hände

Kleineren Firmen wie Mivitec, Compiuto und Serverprofis, die sich auf kleinere Kunden spezialisiert haben - oder auch Noris - kommen aber die jüngeren Entwicklungen zugute. "Der NSA-Skandal hat den Cloud-Trend gebremst", sagt Müller. "Das hat viele Kunden dazu bewogen, doch lieber wieder daheim oder standortnah zu hosten." Es werde wieder sehr darauf geachtet, dass die Daten deutschem Recht obliegen.

Zudem hat die Fusion zwischen der deutschen Firma Domainfactory und der britischen Host Europe für Aufruhr unter den Kunden gesorgt. Der Mutterkonzern veranlasste eine Umsiedelung deutscher Server nach Frankreich - wo andere Datenschutzrichtlinien gelten. Noris, Compiuto und Serverprofis geben ihre Standorttreue von Anfang an als Herausstellungsmerkmal an. Sie alle erfahren dadurch regen Zulauf. Ein von Anfang an globaler Markt, der seine Mondänität Jahrzehnte lang feierte, besinnt sich auf das Lokale. Mivitec will zudem mit besonderem Sicherheitsservice punkten. Übernahmeangebote erhalte auch er, sagt Mirsky. Die seien aufgrund des Firmenwachstums von 50 Prozent jährlich für ihn jedoch nicht interessant.

© SZ vom 24.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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