Aschheim:Historie auf Film gebannt

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Peter Stilling zeigt am Sonntag im Kulturellen Gebäude, wie Menschen die Naturlandschaft um Aschheim geprägt haben

Von Cathrin Schmiegel, Aschheim

Es war an einem warmen Sommertag in Aschheim vor vielen Jahren. Der Unterricht war gegen Mittag gerade vorüber. Peter Stilling radelte gemeinsam mit ein paar Freunden das Stück zum Teichgut am Ismaninger Speichersee. Das taten sie klammheimlich: Die Eltern durften nicht wissen, was die Schüler da taten. Es war streng genommen schlichtweg nicht erlaubt. Sie schnappten sich die Seile, mit denen die Fischerkähne am Ufer festgezurrt waren, banden sie los und sprangen auf. Stilling lacht hell auf, als er diese Anekdote aus seiner Jugend erzählt.

Sein Lachen klingt dabei ein wenig spitzbübisch. Die Erinnerung daran, wie er mit seinen Freunden über die Teiche dümpelte, gehört zu seinen liebsten. "Das haben wir sehr oft gemacht", sagt Stilling. Auch heute - gut 60 Jahre später - fasziniert ihn das Teichgut noch immer. Über dessen Geschichte hat er nun einen Film gemacht.

"Speichersee, mittlerer Isarkanal und das Teichgut Birkenhof" heißt der 60-Minuten-Streifen, den Stilling an diesem Sonntag zeigen wird. Drei Jahre lang hat er daran gearbeitet. Den Startschuss dafür gab eine außergewöhnliche Schenkung. Die Tochter eines Fischermeisters überließ Stilling alte Fotos von der Fischzucht. Die Dias dazu hatte er in einem Fotoalbum entdeckt. Auf einigen Aufnahmen sind Arbeiter zu sehen, die Karpfen einsetzen. Auf anderen werden die Tiere wieder eingefangen. Die Momentaufnahmen stammen aus den Fünfzigerjahren. Und sie sind überaus selten, wie Stilling sagt. "Von 1939 an gibt es fast keine Fotos mehr." Umso wertvoller ist Stillings Fund. "Ich wusste, dass ich daraus unbedingt einen Film machen muss, bevor alles in Vergessenheit gerät", sagt Stilling. Seine Stimme geht vor Aufregung ein wenig nach oben. "Die Geschichte kennen die wenigsten."

Stilling dagegen weiß sehr genau Bescheid über die Historie der Gewässer im Großraum München, er hat dafür sehr viel recherchiert. Sein Film ist so sehr facettenreich geworden. Die Erzählung beginnt mit einer Idee: der zum Bau eines Kanals. Der Höhenunterschied von 80 Metern zwischen München und Moosburg sollte zur Stromgewinnung genutzt werden. Ausgedacht hat sich das Oskar von Miller, der bis heute als Wasserkraftpionier und Begründer des Deutschen Museums unvergessen ist. Realisiert wurde der Isarkanal später von Theodor Rümelin in den Zwanzigerjahren. Er arbeitete für die Mittlere Isar AG, einem Vorgänger von Eon. Stillings Streifen widmet sich nicht nur solchen Details. Er geht auf den Bau des Speichersees ebenso ein, der als Wasserreserve für den Kanal fungieren sollte, wie er die Fischteiche thematisiert, die das Münchner Abwasser klärten. In einem Jahr brachte das eine stolze Ernte von 200 Tonnen Fisch ein. Der Film fährt fort, erzählt von den drei Arbeiterkantinen, die etwa 8500 Mann versorgten. Eine von ihnen steht bis heute. In der Finsinger Alm kehren gerne Wanderer ein, um das bayerische Essen zu genießen.

Schließlich widmet Stilling sich in seinem Streifen der Landwirtschaft und vergisst dabei die Flora und Fauna um den Speichersee nicht. "Es ist eines der bedeutendsten Naturschutzgebiete in Europa", sagt Stilling. Bei Ornithologen ist der See als Mausergebiet bekannt. "Dort gibt es die seltensten Entenarten." Sie fristen ein unaufgeregtes Dasein: "Wegen des Wassers haben sie keine natürlichen Feinde."

Stilling hat für seinen historischen Abriss viel Material gesammelt. Stolz ist er vor allem auf die Originalaufnahmen vom Bau des mittleren Isarkanals und des Speichersees. Die hat er von einem früheren Gemeinderat bekommen. Stilling ist auch schon an einige weitere detailreiche Filme herangegangen - über die Geschichte Aschheims beispielsweise oder über ein Pferderennen. Das Historische hat Stilling schon immer fasziniert, zu seinem Beruf hat er es nie gemacht. Er hat in Aschheim ein Bauleitungsbüro, seit 1951 lebt er in der Gemeinde. Dort hat er die Tochter des ersten Bürgermeisters der Gemeinde, Franz Ruthus (CSU), geheiratet. Der war es auch, der sein Interesse für die Ortsgeschichte entfachte. Er vermachte ihm einen Fundus aus alten Aufnahmen.

Seitdem widmet sich Stilling begeistert dem Aschheim der vergangenen 200 Jahre. "Ich habe schon immer gesagt, dass mir diese Zeitspanne vernachlässigt wird", sagt Stilling. "Schon jetzt kennt die Jugend die alten Hofnamen nicht mehr. Das will ich ändern."

Der Film wird am Sonntag, 28. Juni, im Kulturellen Gebäude, Großer Saal, 18 Uhr gezeigt. Der Eintritt ist frei, um Spenden wird gebeten. Diese kommen der Aschheim/Kirchheimer Tafel zugute, die Menschen versorgt, die in Not geraten sind.

© SZ vom 27.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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